Dass es zu wenig Geld für Milch und Fleisch gebe, räumte Schmidt ein. Jedoch sei die Preisbildung ein Aushandeln zwischen Bauern und Abnehmern. Im Hinblick auf die deutschen Milchbauern sagte er: "Die Abschlüsse waren leider nicht gut." Man müsse den Exportmarkt beispielsweise in China im Auge behalten, um dort auch wettbewerbsfähig zu bleiben.
Zu den Protesten der französischen Bauern an der deutsch-französischen Grenze sagte er: "Ich sehe nicht, dass die französischen Bauern Exporte behindern, also soll man auch nicht die Importe behindern". Zum Aufruf des französischen Staatspräsidenten François Hollande, französische Produkte zu bevorzugen, sagte Schmidt, dass die Bundesregierung keine Empfehlung an die Wirtschaft aussprechen werde. "Ich empfehle der französischen Wirtschaft, sich selbst zu betrachten und nicht auf andere zu schauen", sagte er. Es gehe eher um die Frage, ob man Strukturen habe und in den letzten Jahren auch wettbewerbsfähig war.
Das Interview in voller Länge
Peter Kapern: Es gibt sie also wieder, Grenzkontrollen in Schengen-Europa. Wer nach Frankreich rein darf und wer nicht, das haben vorgestern protestierende Bauern bestimmt, unbehelligt von der Polizei. Lastwagen wurden da geöffnet, Schlösser an Lkw-Türen wurden aufgeknackt, weil die französischen Landwirte keine Agrarprodukte aus Deutschland oder Europa mehr ins Land lassen wollten. Bei uns am Telefon Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU. Guten Morgen!
Christian Schmidt: Guten Morgen, Herr Kapern!
Kapern: Herr Schmidt, französische Bauern blockieren die Grenze, schicken Lkw aus Deutschland wieder zurück, und die Polizei schaut weg. Wie finden Sie das?
Schmidt: Das ist nicht in Ordnung. Bei allem Verständnis für die Manifestation von Protest. Sie haben das beschrieben, da kann man auch mal fünf gerade sein lassen. Das ist aber mehr als das. Was ich an Meldungen bekomme, bis hin zu tätlichen Angriffen auf Lkw-Fahrer - sind nicht bestätigt, aber ich habe entsprechende Meldungen aus dem Bereich bekommen. Wir werden das klären müssen, müssen eines deutlich sagen: Wir sind im Binnenmarkt. Es werden mehr landwirtschaftliche Produkte aus Frankreich herausexportiert, als dass sie nach Frankreich hineingehen. Ich sehe nicht, dass französische Bauern oder wer auch immer die Exporte behindern aus ihrem Land heraus, also soll man auch die Importe nicht behindern. Wir sind im Binnenmarkt, und der muss eingehalten werden.
"Wir sind im Binnenmarkt, und der muss eingehalten werden"
Kapern: Und passt es in diesen Binnenmarkt, wenn der französische Staatspräsident die Franzosen aufruft, nur noch französische Lebensmittel zu essen?
Schmidt: Nun, das muss der französische Staatspräsident im Gespräch und im Dialog mit seinen Bürgern erklären. Ich kann nur fragen, und ich kann nur sagen ...
Kapern: Aber was meinen Sie, was auf dem Binnenmarkt los wäre, wenn die Kanzlerin Deutschland dazu aufriefe, nur noch deutsche Autos zu kaufen.
Schmidt: Wir hatten mal eine "Buy British"-Kampagne vor vielen Jahren, und wir haben uns sehr deutlich dagegen gestellt. Ich habe Verständnis für regionale Produkte und Bewerbung. Aber wir, die Bundesregierung wird sich sehr zurückhalten, an Handelsunternehmen Einkaufsempfehlungen zu geben. Das sind Dinge, die dem Binnenmarkt und dem Geist des Binnenmarktes nicht entsprechen.
Kapern: Jetzt haben wir uns ereifert über die französische Politik, aber schauen wir doch mal auf die Sache. Die französischen Bauern werfen den deutschen Kollegen vor, sie betrieben Lohndumping. Was ist dran an den Vorwürfen?
Schmidt: Na ja. Wie immer geht es hier natürlich um ganz konkrete Situationen. Ich habe Verständnis, wenn einer sagt, ich bin am Markt nicht so sortiert oder so platziert, wie ich sein sollte. Die Ursachenfindung, die sich dann auf Gerüchten und Vorstellungen begründet, die geht meistens daneben. Wir haben wohl auch eine Fragestellung, wer sich wie in den letzten Jahren auf den Marktmöglichkeiten orientiert hat. Das Potenzial der französischen Landwirtschaft ist ähnlich gut und groß wie bei uns.
"Es geht eher um die Frage, ob man wettbewerbsfähig ist"
Kapern: Danke für die Antwort, Herr Minister, aber verstanden habe ich sie nicht. Die Frage lautete ja, was ist dran an den Vorwürfen, in Deutschland gibt es in der Landwirtschaft Lohndumping?
Schmidt: Da ist nichts dran. Es geht eher um die Frage, ob man wettbewerbsfähig ist. Und die Strukturen, die sich beispielsweise in den letzten 30 Jahren - wieso nenne ich 30 Jahre? Weil das die Zeit der Milchquotenregelung war - da war auch die deutsche Molkereistruktur nicht besonders gut. Die hat sich deutlich verbessert und wettbewerbsfähig gemacht. Vielleicht - wissen Sie, es gibt immer so, wenn man auf andere deutet, gibt es ja den Satz, wenn man mit einem Finger auf den anderen deutet, drei auf einen selbst zurückdeuten. Ich würde empfehlen - ich habe keine Empfehlungen in die französische Politik zu geben -, aber [dass] die französische Wirtschaft sich auch noch mal selbst betrachtet und nicht auf andere schaut.
Kapern: Also die französischen Bauern sind nicht wettbewerbsfähig, aber den deutschen Bauern, Herr Minister, geht es ja kaum besser als den französischen, auch wenn die keine Autoreifen verbrennen oder Grenzübergänge blockieren. Gestern hat uns hier im Deutschlandfunk Karin Mansholt, das ist eine Bäuerin aus Krummhörn in Ostfriesland mal erläutert, welche Folgen der geringe Erlös hat, den sie für jeden Liter Milch bekommt. Das können wir uns mal kurz anhören.
Karin Mansholt: Es reicht einfach nicht mehr. Wir brauchten eigentlich hier oben im Norden 43 Cent, das sind Vollkosten, wo auch ein Lohnansatz für die Menschen drin ist, die auf den Betrieben arbeiten. Wir kriegen momentan zwischen 24 und 27 Cent oder 28 höchstens. Wir müssen sparen an allen Ecken, egal, ob es im Privatleben ist - ich glaube, den letzten Urlaub haben wir vor sieben Jahren gemacht - und dann natürlich auch betrieblich. Keine Investitionen, alles bleibt liegen. Fragen Sie mal den ganzen vor- und nachgelagerten Bereich. Da tut sich gar nichts mehr im Moment. Wir haben schon Tierarztpraxen, wo Tierärzte entlassen werden, weil sie so viele Außenstände haben. Wir haben auch Firmen aus dem Maschinenbereich, die dran kränkeln, dass sie eventuell entlassen müssen oder Kurzarbeit anmelden.
Kapern: So, das erzählt uns also eine Bäuerin aus Krummhörn in Ostfriesland. Sie sagen, die französischen Bauern protestieren, weil sie in Wahrheit nicht wettbewerbsfähig sind. Aber die deutschen scheinen es ja auch nicht zu sein, jedenfalls können die mit ihrer Milch auch kein Geld verdienen.
Schmidt: Also das muss ich schon mal sagen: Wenn man an den Grenzen mit dem Argument, man wäre selbst nicht wettbewerbsfähig gegenüber den anderen, sagt, dann muss man sich dran festhalten lassen. Das wollen wir schon noch mal sagen. Deswegen muss auch in Frankreich selbst diskutiert werden. Dass die Preissituation insgesamt, und da sind wir auf einem europäischen Problem, schwierig ist, das hat Ihre Einspielung gezeigt. Die letzten drei Jahre waren recht gute Jahre, dieses Jahr ist ein ganz schwieriges Jahr.
Kapern: Warum?
Schmidt: Weil der Preis nach unten gegangen ist, und weil ...
Kapern: Wodurch?
Schmidt: Der ist dadurch nach unten gegangen, weil der - nicht, weil wir zu wenig Nachfrage haben. Die läuft in Europa, in Deutschland. Allerdings, die Nachfrage in Exportländern läuft nicht so stark, und gleichzeitig haben wir das Angebot der Produktion erhöht. Das ist die nüchterne Betrachtung. Das hilft dem einzelnen Landwirt noch nicht, deswegen muss ihm auch Flankenschutz gegeben werden, deswegen werde ich mich auch mit Stéphane Le Fol, mit dem ich in ständigem Kontakt bin, auch eng austauschen. Und wir haben gemeinsam ja auch einen Sonderrat der Europäischen Union für Landwirtschaft gefordert und der ist auch einberufen worden für Anfang September.
Kapern: Der wird Anfang September stattfinden, Herr Minister, aber lassen Sie mich noch mal kurz nachfragen. Sie sagen also, die Nachfrage sei zu gering und das Angebot sei erhöht worden. Da sagt der Marktwirtschaftler, es gibt einfach zu viele Milchproduzenten, da müssen Höfe schließen, oder?
Schmidt: Das ist die Frage. Ich glaube, es ist sicherlich nicht die Frage, zu schließen, aber es ist natürlich so: Wenn wir in den letzten Jahren - die Superabgabe, wenn ich das kurz sagen darf, das heißt, die Superabgabe, das ist die über der Milchquote abgelieferte Milch, die dann mit einer Zahlung, einer Strafzahlung belegt wird. Die ist in solch einer Höhe - 900 Millionen erwarten wir auf europäischer Ebene, so hoch wie noch nie. Das heißt, die Produktion ist auch sehr hoch gestiegen, in Deutschland 3,7 Prozent mehr, weil man sich für den Markt fit machen wollte. Der Markt verlangt allerdings dann auch, dass man die Regulierungen beachtet, die er selbst bildet. Die Schwierigkeiten, das heißt also, wenn zu viel Markt ist, drückt das auf den Preis.
"Wir müssen die Exportmärkte, insbesondere China, sehr gut im Blick haben"
Dazu kommt noch, dass wir bei den Verhandlungen mit dem Handel und mit den Produzenten sehen, dass die Abschlüsse leider nicht gut waren. Das hat vielerlei Gründe. Ich rede jetzt von den deutschen Abschlüssen, ich kenne die französischen nicht im Detail - wo übrigens der Milchpreis im Durchschnitt sogar noch höher ist für den Erzeuger als in Deutschland - wir müssen erreichen, dass der Produzent, der Milchbauer, dass der sich wettbewerbsrechtlich zusammenschließt in Verhandlungen gegenüber denen, die den Preis mit ihm vereinbaren. Da ist noch Luft nach oben. Und wir müssen die Exportmärkte, insbesondere China, sehr gut im Blick haben und versuchen, dort wettbewerbsfähig zu bleiben und ...
Kapern: Das heißt, die Lösung für die Überproduktion auf dem Milchmarkt liegt nicht darin, dass weniger Milch produziert wird, sondern dass die Verbraucher mehr auf den Tisch legen müssen für jeden Liter Milch?
Schmidt: Wenn wir zur Bäuerin von Krummhörn sagen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Mein französischer Kollege Le Fol hat mir vor einigen, im letzten Jahr mal gesagt, wie schafft ihr das, dass kleinere Betriebe wettbewerbsfähig sind. Wir haben darüber gesprochen. Und das liegt zum einen daran, dass in manchen landwirtschaftlichen Betrieben es auch andere Einkommen gibt, die stabilisieren. In meiner bayerischen Heimat ist die Durchschnittsbetriebsgröße 37 Kühe, da gibt es viele, die im Nebenerwerb oder mit anderen Einkommensquellen verbunden das tun. Das gibt es in Frankreich wohl weniger. Das heißt, wir haben auch da ein Strukturthema. Kleinere sind nicht unbedingt die, die nicht länger durchhalten können sozusagen, bis der Markt wieder besser ist. Eher die großen, die mit einem hohen Fixkostenblock arbeiten, die sind eben gegenseitig besonders betroffen.
Kapern: Sagt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU heute Morgen im Deutschlandfunk. Mit ihm habe ich gesprochen über die Proteste französischer Milchbauern und die Nöte ihrer deutschen Kollegen. Herr Schmidt, danke, dass Sie Zeit für uns hatten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und sage auf Wiederhören.
Schmidt: Wiederhören!
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