Stefan Heinlein: Welche Botschaft sendet die Nato da an Moskau?
Bettina Klein: Sie sendet überhaupt die Botschaft, dass sie in der Lage ist, sich zu verteidigen - an alle potenziellen Angreifer - wie es heißt - die ein Artikel 5 Szenario auslösen könnten. Also der Angriff auf ein Mitgliedsland, der als Angriff auf als gewertet wird. Das ist die Übung eines Artikel-5-Szenarios, wenngleich die Nato darauf besteht, das ist fiktiv, es geht um keinen konkreten Angriffsfall, der da trainiert wird. Es geht um kein konkretes Land, das angegriffen würde oder verteidigt werden müsste. Fiktiv, so heißt es, aber real. Das heißt, unter konkreten Bedingungen, die einem solchen Szenario entsprechen würden und aus denen dann auch etwas gelernt wird.
Wenn Sie nach dem politischen Kontext fragen - das ist natürlich lange in Planung und reagiert nicht auf Entwicklungen der letzten Monate etwa im Verhältnis zu Russland. Aber es steht im Zusammenhang einer angepassten Strategie, die die Nato seit 2014 fährt. Höhere Einsatzbereitschaft, mehr Präsenz in Osteuropa, höhere Militärausgaben. Und das folgte wiederum damals dem Ukraine-Krieg und der Übernahme der Krim durch Russland - das hat klar die Sorgen in Osteuropa verstärkt. Anders als die Ukraine ist das Baltikum und ist Polen aber Nato Mitglied - ein Angriff hier könnte den Bündnisfall auslösen.
Seemanöver spielen große Rolle
Heinlein: Was genau wird da geprobt bei diesem Manöver?
Klein: Ein Artikel-5-Szenario: Es wird zu Lande das Szenario durchexerziert, dass Truppenverbände von Norden eindringen und die von Süden aufgehalten werden. Dann dreht sich das Ganze um, so dass die Beteiligten Armeen sowohl Angriff als auch Verteidigung üben. Es geht um das Zusammenspiel der beteiligten Nationen, die im konkreten Fall sich aufeinander abstimmen müssen. Eine große Rolle werden Seemanöver spielen. Norwegen ist Nordwestflanke des Bündnisses mit einer bekanntlich sehr langen Atlantikküste. Wichtig ist das aus Sicht der Nato auch wegen der Verbindung über den Atlantik nach Nordamerika. Das Offenhalten der nordatlantischen Seewege ist immer auch ein Ziel der Nato.
Die Verlegung von Truppen nach Norwegen läuft seit Wochen, das ist auch eine riesige logistische Herausforderung. Medienvertreter werden in der kommenden Woche Gelegenheit haben, sich das anschauen, und danach erst wird die eigentliche Übung starten. Wir sollten noch sagen: Russland wurde informiert, es ist eingeladen Beobachter zu senden und wird das auch tun und das Geschehen dort verfolgen.
Heinlein: Wie stark ist die Bundeswehr an diesem Manöver beteiligt?
Klein: Knapp 10.000 Bundeswehrangehörige - wie wohl diese Zahlen insgesamt nicht nur Soldaten beinhalten, sondern auch Fahrer und Personal, das jetzt nicht militärisch trainiert. Die Bundeswehr ist an der sogenannten "High Readiness Joint Task Force" beteiligt - dieser schnellen Eingreiftruppe, und wird dort im nächsten Jahr die Führung übernehmen - das ist angesichts der materiellen Probleme, über die wir in den vergangen Jahren immer wieder gehört haben, sicher eine Herausforderung - und auch ein Testfall. Logistik ist für die Bundeswehr ein Schwerpunkt. Und kann da durchaus punkten, wenn man Verantwortlichen der Logistik-Unterstützungsgruppe in Norwegen glaubt.
Alle Mitgliedsstaaten machen mit
Deutschland will auch demonstrieren, dass es sich sehr wohl beteiligt an der Nato und Verantwortung übernimmt. Da es ja zu der Mehrheit von Ländern gegenwärtig gehört, die keine zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben, wir kennen die Diskussion.
Es beteiligen sich übrigens alle 29 Nato Mitgliedsstaaten plus Finnland und Schweden, die als Partner auch bei allen Treffen mit dabei sind. Es gibt Beobachter-Länder, die enger mit einbezogen sind - und es gibt eben auch Beobachter nach dem Wiener Protokoll der OSZE, die dort eingeladen sind, das zu verfolgen, dazu gehört - wie gesagt - auch Russland.