Gerd Breker: Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit zweifelhaftem Erfolg, er neigt sich dem Ende zu; da steht der Bundeswehr ein neuer Auslandseinsatz ins Haus. Die Europäische Union hat einen Militäreinsatz für Zentralafrika beschlossen. Auch Deutschland soll dabei sein mit Transportflugzeugen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier will die Zusammenarbeit mit Deutschlands engstem Partner Frankreich neu beleben. In einem Strategiepapier aus dem Auswärtigen Amt ist von einem Neubeginn in der Europa- und Außenpolitik die Rede. Dabei geht es auch um eine engere Zusammenarbeit bei Militäreinsätzen in Mali und Zentralafrika, die ja, wie wir wissen, von Frankreich getragen werden. Die Bundeswehr in Afrika.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit General a.D. Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr. Guten Tag, Herr Kujat.
Harald Kujat: Herr Breker, ich grüße Sie.
Breker: Unsere Soldaten in Mali oder Zentralafrika nur den Franzosen zuliebe – gehören die da hin, macht das Sinn?
Kujat: Na ja, den Franzosen zuliebe nicht. Das muss man ganz klar sagen. Es geht hier um einen Einsatz für Europa. Die Franzosen sind hier uns vorausgegangen, weil sie als ehemalige Kolonialmacht besondere Verantwortung haben. Aber jetzt geht es um Europa, und da finde ich schon, dass Deutschland, dass das größte und wirtschaftlich stärkste europäische Land auch für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik einen signifikanten, wenn auch angemessenen Beitrag leisten muss.
Breker: Sind wir denn darauf vorbereitet, Herr Kujat?
Kujat: Wenn Sie die Bundeswehr meinen? Die Bundeswehr ist immer vorbereitet für solche Einsätze. Ob wir, ob die deutsche Öffentlichkeit vorbereitet ist, das weiß ich nicht. Es ist jedenfalls so – das ist der Eindruck -, die neue Bundesregierung will mit der bisherigen Kultur der Zurückhaltung doch brechen, und vielleicht geht es ja um eine Kultur der Verantwortung. Aber das muss man abwarten, das wird man sehen.
Breker: Was wissen wir denn über diese Länder? Was wissen wir über Mali, über Zentralafrika? Oder schicken wir unsere Soldaten mal wieder in ein Land, über das man eigentlich zu wenig weiß?
Kujat: Nun, da haben Sie einen ganz wichtigen Punkt angesprochen. Was ich vermisse in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, ist eine vorausschauende Konfliktbegrenzung. Wir müssen uns frühzeitiger einschalten, wir müssen versuchen, solche Entwicklungen dort zu beeinflussen, im positiven Sinne zu beeinflussen, und dazu gehört auch eine Kapazität, Aufklärungskapazität, die uns ein ganz exaktes Bild von der Situation im Lande vermittelt. Wir können in diesem Fall zwar davon ausgehen, dass Frankreich aufgrund seiner historischen Verbindungen in diese Länder sehr genau weiß, wie die Entwicklung in diesen Ländern läuft, aber ich glaube, wir brauchen insgesamt als Europäer eine bessere strategische Aufklärungskapazität und eine vorausschauende Konfliktbegrenzungspolitik, die möglichst den Einsatz von Militär vermeidet. Wir dürfen die Dinge nicht so weit kommen lassen, dass es dann im Grunde genommen keine Alternative mehr gibt zum Einsatz von Streitkräften.
"Aus Afghanistan lernen"
Breker: Nur wenn die Dinge, Herr Kujat, so weit gekommen sind, dass militärisches Eingreifen angebracht ist, muss man dann nicht eine ganz klare Zielvorstellung haben, was man mit diesem Einsatz erreichen will, und muss man nicht auch wissen, wie man da wieder rauskommt?
Kujat: Das ist genau der Punkt. Sie haben völlig recht: Wir müssen erwarten, dass im Zusammenhang mit der Vorbereitung dieses Einsatzes geklärt wird, gibt es europäische Interessen dort. Ich persönlich bin der Meinung ja, aber sie müssen definiert werden, auch für unsere Bevölkerung. Das Parlament muss ja schließlich über den Einsatz entscheiden. Wie sieht das strategische Konzept für diesen Einsatz aus, wie sieht der Operationsplan aus, was wird benötigt, wirklich benötigt an Kräften, um diesen Einsatz erfolgreich zu machen, was ist das Ziel, das heißt, wann ist dieser Einsatz unter welchen Bedingungen zu beenden und wie wird das Ende dann aussehen, wie ist die politische Situation, wenn wir dort rausgehen. Ich denke, wir sollten aus Afghanistan lernen und versuchen, es bei den zukünftigen Einsätzen besser zu machen.
Breker: Aus Afghanistan lernen, sagen Sie. Afghanistan wollte ich auch ansprechen. Herr Kujat, wenn man es genau nimmt: Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr muss doch für jeden Soldaten, der dabei gewesen ist, eine unbefriedigende Lösung sein, ein unbefriedigendes Ende genommen haben.
Kujat: Selbstverständlich! Wenn man sich vor Augen hält, welche Opfer wir gebracht haben in Afghanistan – ich meine jetzt in materieller Hinsicht, finanzieller Hinsicht, aber auch in menschlicher Hinsicht -, wie viele Soldaten dort ihr Leben ließen, unsere und die unserer Verbündeten, wie viele Soldaten verwundet, an Leib und Seele verwundet zurückgekehrt sind, das muss man sich wirklich einmal überlegen, ob man alles richtig gemacht hat. Und vor allen Dingen: Es soll ja weitergehen. Wir haben ja sozusagen im vorauseilenden Gehorsam schon vor einiger Zeit beschlossen, dort mit sechs bis 800 Soldaten weiter Ausbildung zu betreiben. Das muss man sich einmal vor Augen halten bei der sich ständig verschlechternden Sicherheitslage, was das bedeutet. Warum haben wir nicht das, was wir erreichen wollten bei der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, bisher erreicht und wer sagt uns, dass wir das in Zukunft erreichen werden, und wie lange wird es dauern und wie sind die Risiken? Eine Diskussion dieser Art findet in Deutschland nicht statt.
Breker: Im Deutschlandfunk war das General a.D. Harald Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr. Herr Kujat, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.
Kujat: Ich danke Ihnen, Herr Breker.
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