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Milliarden für die europäische Raumfahrt

Nach eineinhalb Tagen kontroverser Diskussionen haben die Raumfahrtminister der Esa-Mitgliedsstaaten das Raumfahrt-Programm bis 2013 beschlossen. In den kommenden Jahren erhält die Europäische Raumfahrtagentur zehn Milliarden Euro für ihre Projekte, darunter die Weiterentwicklung der Trägerrakete Ariane 5 und des Erdbeobachtungssatelliten Meteosat. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen bilanziert im Gespräch mit Gerd Pasch.

26.11.2008
    Pasch: Im Studio in Den Haag begrüße ich Dirk Lorenzen. Sie haben in den vergangenen drei Tagen das Treffen der für die Raumfahrt zuständigen Minister der Esa-Vertragsstaaten beobachtet. Es muss heiß hergegangen sein - was haben Sie denn beobachtet?

    Lorenzen: Her Pasch, es ging wirklich hoch her. Die Plenardebatte heute Morgen begann eineinhalb Stunden später als geplant, weil man noch viele Einzelgespräche hatte. Gestern hatte man sich zeitweise fast völlig überworfen. Frankreich und Italien und Deutschland haben sich da wirklich massiv beharkt. Zusagen wurden gegeben, nicht eingehalten. Also da lagen wirklich die Nerven blank. Heute Mittag aber war die Kuh dann doch im Wesentlichen vom Eis. Die 18 Mitgliedsstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur und Kanada haben gemeinsam für die nächsten drei Jahre einen Haushalt von knapp zehn Milliarden Euro beschlossen.

    Pasch: Welche wegweisenden Beschlüsse sind denn gefasst worden mit dem Geld?

    Lorenzen: Am überraschendsten und positivsten sicherlich, dass das Wissenschaftsprogramm der Esa künftig Jahr für Jahr um 3,5 Prozent steigen soll. Da geht es zum Beispiel um Astronomie-Missionen oder Planetensonden, also wirklich das völlie Kerngeschäft der Esa.

    Auch das Erdbeobachtungsprogramm, in dem man weltweit führend ist, wird massiv weiter unterstützt. Da hat es Befürchtungen gegeben, es käme da zu einem Abbau. Und beim Meteosat-Satelliten der dritten Generation - die zweite fliegt gerade, die dritte muss jetzt geplant werden -, da wollen die Mitgliedsstaaten sogar mehr Geld geben, als zunächst gebraucht wird.

    Auch die Ariane-Rakete wird weiter so ausgebaut, dass sie dann künftig sogar zwölf Tonnen in die Umlaufbahn tragen kann. Etwas weniger Geld gab es für die Nutzung der Raumstation. Da wird man künftig sicherlich auf einige Experimente verzichten müssen. Auch die vier bestellten Raumtransporter der Esa, diese ATV-Transporter, die man schon bestellt hat, die werden kaum bis 2013 zum Einsatz kommen. Das wird sich sicherlich um zwei Jahre verzögern, kostet dann in der Summe dann doch etwas mehr Geld. Man hat sich da so eine komische Hintertür offen gehalten, das klang aber alles nicht so überzeugend. Und ExoMars, die große Marsmission, die ist aufgrund von finanziellen Problemen auch bis 2016 verschoben.

    Pasch: Frankreich, Italien haben sich ein bisschen bekebbelt. Welche Rolle spielte denn Deutschland in diesem Prozess?

    Lorenzen: Die Rolle Deutschlands ist doch sehr erstaunlich: Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten bleibt Deutschland der größte Beitragszahler der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Von diesen knapp zehn Milliarden Euro sind 2,7 Milliarden Euro aus Deutschland. Die von der Bundesregierung stets betonte Unterstützung für die Raumfahrt als Hochtechnologie findet also auch auf europäischer Ebene statt. Vielleicht ist man da manchmal ein bisschen zu sehr Mustereuropäer, und vernachlässigt ein bisschen die nationalen Interessen. So wollte Deutschland unbedingt die Systemführerschaft bei diesem nächsten Satelliten der Meteosat-Reihe bekommen. Da hat man sich aber gegenüber Frankreich nicht durchsetzen können: Da herrscht derzeit ein Patt. Da weiß man nicht ganz genau, wie's weitergeht.

    Pasch: Ungeachtet der aktuellen Probleme auf der ISS: Welche Akzente setzt denn die Esa in der bemannten Raumfahrt?

    Lorenzen: Da sehr wenige. Zum einen schränkt man wirklich die Nutzung der Raumstation ein bisschen ein. Man lässt die Forschung dort jetzt nicht so zu, wie man das sich jetzt vielleicht gewünscht hätte. Und vor allem hat sich Deutschland auch hier ein blutige Nase geholt, weil man sich ja eingesetzt hat, den Raumtransporter ATV so auszubauen, dass er zunächst Material zurückbringen soll zur Erde, später dann auch Menschen ins All und zurück. Aber man hat jetzt nur eine finanziell schlecht ausgestattete Vorstudie beschlossen. De facto ist damit keine wirklicher Fortschritt möglich. Das heißt, die Entwicklung eines rückkehrfähigen Raumschiffs oder auch eines bemannten Raumschiffs für Europa hat sich um drei Jahre verzögert. Das sind keine guten Nachrichten aus Den Haag.