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Milliarden-Nachzahlung
"Briten wussten, was auf sie zukommt"

Die CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier hat kein Verständnis für den Unmut des britischen Premiers Cameron wegen der von der EU-Kommission geforderten Nachzahlung. Die Nettozahlerbeiträge seien klar definiert, Großbritannien habe selbst jahrelang von der Regelung profitiert, sagte Hohlmeier im Deutschlandfunk.

Monika Hohlmeier im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Monika Hohlmeier, Tochter des ehemaligen Verteidigungsministers und Ministerpräsidenten von Bayern, Franz-Josef Strauß.
    Monika Hohlmeier (CSU) wirft dem britischen Premier David Cameron widersprüchliche Äußerungen vor. (Marcus Brandt, dpa picture-alliance)
    Hohlmeier betonte, auf Großbritannien komme nichts Ungewöhnliches zu. Das Land habe das Verfahren im Jahr 2000 unterschrieben. Dabei sei festgelegt worden, dass die EU-Kommission jedes Jahr bis Ende Oktober überprüft, in welcher Höhe die Nettozahlungen von den EU-Mitgliedsländern zu leisten sind. "Die Briten wussten, was auf sie zukommt", sagte das Mitglied im Haushaltsausschuss des Europaparlaments im Deutschlandfunk.
    Hohlmeier erklärte, die Regelung sei von der Mehrwertsteuer abhängig. Werde in einem EU-Land mehr konsumiert, müsse es einen höheren Anteil an Mehrwertsteuer zahlen. Auch Großbritannien habe daher von der Regelung profitiert, als es dem Land in den vergangenen Jahren wirtschaftlich schlecht ging. Insofern sei es gerecht, wenn die Briten mit der Nachzahlung in Höhe von 2,1 Milliarden Euro nun ihren Beitrag leisteten. Hohlmeier kritisierte, die Widersprüchlichkeit der Äußerungen der Briten werde "immer unverständlicher".

    Das Interview in voller Länge:
    Martin Zagatta: Mit der Harmonie war es vorbei, als an die Briten die Forderung nach einer Nachzahlung herangetragen wurde. London soll zusätzliche 2,1 Milliarden Euro in die Gemeinschaftskasse zahlen.
    Wir haben am Abend die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier von der CSU erreicht, die ich fragen konnte, ob sie denn den Unmut der Briten irgendwie nachvollziehen kann.
    Monika Hohlmeier: Ich kann ihn überhaupt nicht nachvollziehen, und zwar deshalb, weil das Verfahren, das hier gewählt wird, eines ist, das die Briten vor über zehn Jahren unterschrieben haben, genauer gesagt im Jahre 2000, erneuert durch das Jahr 2005 oder sechs, in dem festgelegt ist, dass bis Ende Oktober jedes Jahr von der Kommission überprüft wird, wie entsprechend der Berechnungsmethode die Nettozahlungen zu leisten sind. Normalerweise leisten die Mitgliedsstaaten einen entsprechenden natürlich schon Vorbetrag beziehungsweise angenommenen Betrag gemäß ihrer Wirtschaftsleistung, gemäß des Eigenmittelanteils, den die Europäische Union seit vielen, vielen, vielen Jahren an der Mehrwertsteuer hat. Also es ist überhaupt nichts Neues, es kommt auf die Briten nichts Ungewöhnliches zu. Es ist ganz normal ihr Beitrag zur Nettozahlung, und die Briten wussten, was auf sie zukommt. Normalerweise war immer Deutschland davon getroffen, dass wir zum Teil etwas mehr zahlen mussten, weil die Wirtschaftsleistung in den letzten Jahren besonders stark war in Deutschland. Da hat Deutschland immer mehr gezahlt. Diesmal haben wir so viel schon vorausgezahlt, dass wir jetzt ausnahmsweise mal ein bisschen etwas zurückbekommen und die Briten nichts mehr zurückbekommen. In früheren Jahren haben die Briten etwas zurückbekommen. Da habe ich allerdings nicht gehört von Premier Cameron, dass er das Geld nicht wiederhaben wollte. Jetzt möchte er seinen normalen Nettozahlerbeitrag nicht leisten. Das geht nicht!
    "Briten haben sogar noch einen besonderen Rabatt"
    Zagatta: Aber es läuft darauf hinaus: Gutes Wirtschaften, wie das die Briten jetzt getan haben, mit mehr Wirtschaftswachstum, gutes Wirtschaften wird dann de facto bestraft?
    Hohlmeier: Das ist falsch. Wir haben eine Regelung, die die Mitgliedsstaaten seit vielen, vielen Jahren haben, und die hängt sozusagen an der Mehrwertsteuer mit dran. Natürlich ist es so: Wenn mehr konsumiert wird, ist der Anteil an der Mehrwertsteuer ein Stück weit höher. Man möchte natürlich gerade einem Land, dem es wirtschaftlich schlecht geht, nicht besonderen Zumutungen aussetzen. Aber die Briten haben sogar noch einen besonderen Rabatt. Das heißt, sie bezahlen je Kopf deutlich weniger als manche andere. Das bedeutet, den Briten geht es jetzt nicht besonders schlecht. In den letzten Jahren haben sie sogar sehr davon profitiert. Weil es ihnen wirtschaftlich wirklich schlecht ging, haben die anderen mehr für sie bezahlt. Insofern ist es auch nur gerecht, wenn jetzt die Briten vielleicht auch mit für ihren Beitrag, obwohl sie noch Rabatte beziehen gegenüber dem, was sie normalerweise als Nettozahler leisten müssten, vielleicht auch einen Beitrag leisten.
    "Nettozahlerbeiträge sind eigentlich sehr klar definiert"
    Zagatta: Aber läuft das nicht so in der EU, dass man sich da, wenn es passt, über Regeln hinwegsetzt? Ich denke daran, wenn Deutschland oder Frankreich gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Dann biegt man das ja meistens auch irgendwie mit irgendeiner Formel gerade.
    Hohlmeier: Das ist das, was in diesem Fall sowieso nicht geht, weil diese Nettozahlerbeiträge sind eigentlich sehr klar definiert. Natürlich kann jemand sagen, ich ärgere mich darüber, aber ich wundere mich dann darüber, dass Großbritannien die Rechnungen für die Programme aus der Europäischen Union, für die sie selbst verantwortlich sind, diese Programme nutzen sie voll und ganz und wollen gleichzeitig die Rechnungen, die sie an die EU schicken, die wollen sie zwar schicken können, aber ihren normalen Beitrag, den sie als Nettozahler zu leisten haben, nicht leisten. So kann eine Zusammenarbeit nicht funktionieren! Jeder hat einen bestimmten Beitrag zu leisten nach einem gemeinsam von allen Ländern beschlossenen Schlüssel, inklusive Großbritannien. Alle Länder haben unterzeichnet. Wenn jeder jährlich willkürlich seinen Nettobeitrag zu seinen Gunsten verändert, dann ist eine Zusammenarbeit geordneter Art nicht mehr möglich.
    "Wir haben gemeinsame Regeln"
    Zagatta: Sehen Sie da noch irgendwo Spielraum, weil in Großbritannien sind ja im nächsten Jahr oder in einem halben Jahr Unterhauswahlen und die Briten wollen demnächst abstimmen? Viele in Großbritannien wollen ja ohnehin aus der EU austreten. Sehen Sie da nicht die Gefahr, dass man Großbritannien auch aus der EU hinaustreibt?
    Hohlmeier: Ich würde vorschlagen, dass man den Bürgerinnen und Bürgern auch in Großbritannien, genauso in Deutschland einmal wirklich reinen Wein einschenkt. Wir haben erst vor wenigen Monaten einen exakten Finanzplan definiert. Der ist sogar geringer als der frühere. Das heißt, man hat auch reduziert. Und das, was ich definitiv nicht verstehe, nachdem die Mitgliedsstaaten immer danach rufen, darunter vor allem Großbritannien und der Premier Cameron, man möge Innovation und Forschung fördern. Warum dann gerade Innovation und Forschung unter der Federführung Großbritanniens gekürzt werden soll, hat von uns schlicht und einfach keiner verstanden. Heute ist beschlossen worden, die humanitäre Hilfe auszubauen. Gleichzeitig unter der Federführung mit Großbritannien soll humanitäre Hilfe in der EU gekürzt werden. Die Widersprüchlichkeit der Äußerungen der Briten werden immer unverständlicher. Ich glaube, es braucht eine gewisse Konsistenz. Wenn Großbritannien die Programme selbst nutzt, dann muss es auch seinen ordnungsgemäßen Beitrag bezahlen. Wir können nicht jedes Mal, wenn in einem der 28 Länder Wahlen ist, dann ixbeliebig die Nettozahlerbeiträge ändern. Wir haben gemeinsame Regeln, sie müssen geordnet ausgegeben werden, sie müssen optimiert werden. Das Parlament verlangt das übrigens schon seit Längerem, dass wir ein paar Schwerpunktsetzungen stärker treffen. Bloß war bis dahin der Rat dafür noch nicht zu gewinnen, vor allem Großbritannien nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.