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Milliarden von Geberkonferenz
Wie kann ein COVID-19-Impfstoff gerecht verteilt werden?

Die Impfallianz GAVI will Milliardenhilfen für klassische Impfprogramme einwerben - etwa gegen Masern, Kinderlähmung und Typhus, die zum Teil wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt wurden. Ein Teil des Geldes soll auch dazu dienen, einen möglichen COVID-19-Impfstoff gerecht zu verteilen.

Von Volkart Wildermuth |
Das Foto zeigt eine Spritze und im Hintergrund den Schriftzug COVID-19
Aktuell ist die Weltgesundheitsorganisation dabei, Kriterien zu entwickeln, wie ein Impfstoff gerecht verteilt werden kann. (dpa / Ulrich Baumgarten)

Wofür steht die Impfallianz GAVI?

GAVI steht für "Global Alliance for Vaccines and Immunisation", also die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung. Die Public-Private-Partnership-Organisation wurde im Jahr 2000 gegründet, um die damals eher rückläufigen Impfraten im globalen Süden wieder nach oben zu bringen. Angefangen hat GAVI mit Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, gegen Hepatitis B, Gelbfieber und einen Erreger der Hirnhautentzündung. Seit 2011 finanziert GAVI auch Impfungen gegen Rotaviren und die Pneumokokkenimpfung gegen Lungenentzündung.
Seitdem hat GAVI in den ärmsten Ländern der Erde über 760 Millionen Kinder geimpft und schätzungsweise 13 Millionen Leben gerettet. Jetzt geht es darum, dieses Programm für die nächsten fünf Jahre zu finanzieren. Dafür werden über 7 Milliarden Dollar benötigt. GAVI hat aber noch mehr vor: Im Zuge der Coronavirus-Pandemie plant die Organisation auch die Verteilung eines möglichen Impfstoffs. Das läuft unter dem Namen "COVAX Facility", damit ist aber nicht eine konkrete Fabrik gemeint, sondern eher eine gemeinsame Strategie, bei der GAVI für möglichst viele Ländern- nicht nur für die ärmsten - den Einkauf und die Verteilung eines Impfstoffs übernehmen würde.
Eine Spritze steckt in einem Fläschchen mit der Aufschrift "Coronavirus-Impfstoff" und
Warum es so lang dauert, einen Corona-Impfstoff zu entwickeln
Noch gibt es gegen das Coronavirus keinen Impfstoff. Die Entwicklung läuft weltweit auf Hochtouren, erste Versuche und klinische Studien sind bereits gestartet.

Sind laufende Impfkampagnen durch die Coronakrise gefährdet?

Während des Ebola-Ausbruchs im Kongo im letzten Jahr konzentrierte sich das Gesundheitssystem des Landes praktisch nur auf Ebola. Die Masernimpfkampagnen funktionierten nicht wie gewohnt, es kam zum weltweit schlimmsten Masernausbruch. Mehr als 6.000 Menschen sind gestorben, viel mehr als an Ebola. Eine solche Situation könnte sich wiederholen, wenn nur das Coronavirus in den Blick genommen wird. Tatsächlich sind mehrere Impfkampagnen zumindest kurzfristig unterbrochen worden, im Tschad sogar ganz gestoppt. Das hat auch damit zu tun, dass Impfkampagnen auch zur Verbreitung von COVID-19 beitragen könnten. In Afrika fahren ganze Teams in die Dörfer, um Kinder zu impfen. So kommen viele Leute zusammen, und das möchte man vermeiden. Deshalb fordern verschiedene Entwicklungsorganisation die Bundesregierung auf, GAVI nicht nur wie geplant 600 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, sondern noch einmal weitere 100 Millionen zu investieren, damit die normalen Impfbemühungen unter diesen erschwerten Bedingungen weiterlaufen können. Und natürlich, damit auch genug Geld für einen möglichen COVID-Impfstoff da ist.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Reicht das Geld, das die Bundesregierung bereits im Mai zugesagt hat?

Die Weltgesundheitsorganisation und die Europäische Kommission haben damals zu Spenden aufgerufen. Dabei sind acht Milliarden Dollar zusammengekommen. Die Gelder werden in die Entwicklung und Produktion von COVID-19-Tests, Medikamenten und Impfstoffen gehen. Deutschland hat dabei 525 Millionen Euro zugesagt. Der Großteil davon ist für Impfstoffe reserviert - zum Teil für die Entwicklung, das wird über CEPI, die Koalition für die Vorbereitung auf Epidemien, abgewickelt. Und 100 Millionen gehen an die Impfallianz GAVI. Die beiden Organisationen repräsentieren unterschiedliche Finanzierungskonzepte, nach dem sogenannten Push-and-Pull-Prinzip. CEPI gibt Firmen Geld für die Impfstoffforschung. Aktuell werden neun Projekte unterstützt, unter anderem auch das Tübinger Unternehmen CureVac. So soll die Entwicklung von Impfstoffen angeschoben werden. GAVI dagegen arbeitet vom anderen Ende her: Mit Vorverträgen über die Abnahme großer Impfstoffmengen soll ein Markt garantiert werden.

Müssen die Firmen bei der Entwicklung noch etwas selbst finanzieren?

Ja, die öffentlichen Mittel aus CEPI und GAVI alleine reichen bei Weitem nicht aus, um die Entwicklung eines Impfstoffs zu finanzieren. Deshalb gibt es beispielsweise weitere Mittel über das Bundesforschungsministerium und Zuschüsse anderer Länder. Das ist ein Aspekt, auf den gerade "Ärzte ohne Grenzen" hingewiesen haben. Viele Impfstoffprojekte wurden ursprünglich an Universitäten entwickelt. Die Firmen bekommen nationale Forschungsförderung und von Stiftungen, sie erhalten Geld über CEPI und GAVI. Ärzte ohne Grenzen fordert deshalb, dass konkrete Gegenleistungen vereinbart werden, damit die Impfstoffe dann auch preisgünstig abgegeben werden können - möglichst zum Selbstkostenpreis. Das ist aber kein Selbstläufer. CEPI zum Beispiel hatte ursprünglich die Strategie, dass Firmen, die Geld bekommen, dafür ihre Patente zur Verfügung stellen sollten. Dann hätte es schnell billige Generika gegeben. Dieser Passus wurde aber geändert, vielleicht weil die Pharmaunternehmen unter diesen Bedingungen nicht mitmachen wollten. Auch GAVI setzt nicht allgemein günstige Preise durch. Der Pneumokokken-Impfstoff zum Beispiel ist wirksam aber teuer. GAVI kann ihn für rund 60 sehr arme Länder zur Verfügung stellen. Aber wenn Ärzte ohne Grenzen in denselben Ländern arbeitet, oft mit besonders schwer zugänglichen Bevölkerungsgruppen, dann muss die Organisation viel höhere Preise bezahlen. Auch Länder mit mittlerer Wirtschaftskraft erhalten keine Nachlässe, so dass dort dieser wichtige Impfstoff oft nicht verfügbar ist. Ärzte ohne Grenzen sieht die Gefahr, dass sich dieses Problem bei einem COVID-Impfstoff wiederholen könnte, wenn GAVI die globale Verteilung organisiert.

Wie könnte die gerechte Verteilung eines Impfstoffes organisiert werden?

Wie am Ende die Verteilung eines Impfstoffs organisiert wird, bleibt offen. Aktuell ist die Weltgesundheitsorganisation dabei, Kriterien zu entwickeln. Darin wird wohl stehen, dass zuerst das medizinische Personal geimpft werden sollte und danach Menschen, die besonders gefährdet sind, zum Beispiel Alte oder Menschen mit Vorerkrankungen. Ob aber Länder den Impfstoff im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl erhalten sollen, oder er erst dahin geht, wo die Epidemie besonders aktiv ist, ist noch unklar.
In vielen Ländern gibt es derzeit einen Impfnationalismus: Die USA zum Beispiel haben 1,2 Milliarden in einen Impfstoff investiert, den die Universität Oxford zusammen mit AstraZeneca entwickelt. Dafür haben sie sich 300 Millionen Dosen für die eigene Bevölkerung gesichert. Als erstes kommt allerdings das vereinigte Königreich zum Zug, es hat Zusagen für die ersten 100 Millionen Dosen. Dieser Impfstoff soll allerdings weder in den USA noch in England hergestellt werden, sondern im Serum Institut of India, dem weltweit größten Impfstoffproduzenten. Die haben wiederum gesagt, dass als erstes die indische Bevölkerung versorgt werden soll. Diese Aussage wurde jedoch später zurückgezogen.

Welche positiven Entwicklungen gibt es aktuell beim Thema Impfstoff?

Pharmafirmen zum Beispiel kooperieren beim Thema COVID-19 in ungewohnter Weise. Am Ende wird man mehr als einen Impfstoff und eine Produktionsstätte brauchen. Es sieht so aus, als ob Unternehmen ihre Kapazitäten anderen Herstellern zur Verfügung stellen würden, wenn ihr eigenes Projekt nicht funktioniert. Auch GAVI ist in den ärmsten Ländern vor Ort und wird ganz sicher eine wichtige Rolle spielen. Das Geld ist deshalb dort auch gut investiert. Die möglichen Probleme liegen jetzt auf dem Tisch und müssen gelöst werden. Aber fest steht: Impfstoffe sind die kosteneffektivste Gesundheitsmaßnahme, das gilt für Masern und viele andere Krankheiten und das gilt ganz sicher auch für COVID-19.