Wer von 30 Milliarden Euro Schulden runterkommen will, kennt beim Verkauf einer Beteiligung wohl nur ein Kriterium: den Preis. So wird es RWE ergangen sein, als der Konzern bekanntgab, die Öl- und Gastochter RWE / DEA nach Russland verkaufen zu wollen. Konkret: An den in Luxemburg ansässigen Investmentfonds LetterOne, an dem der russische Milliardär Michail Fridman maßgeblich beteiligt ist. LetterOne habe wohl am meisten geboten, schätzt Sven Diermeier, RWE-Analyst bei Independent Research:
"Zunächst muss man ganz klar konstatieren, dass RWE sich offenbar für das attraktivste Angebot entschieden hat, also im Prinzip den höchsten Verkaufspreis."
DEA hält Anteile an rund 190 Öl- und Gaslizenzen in Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika. Rund 1.400 Menschen sind dort beschäftigt, der größte Teil in Deutschland. LetterOne will DEA nach Angaben von RWE als Plattform für die künftigen Öl- und Gasaktivitäten der Gruppe ausbauen. In diesen Tagen einen russischen Käufer zu präsentieren, findet Jürgen Meyer von SEB Asset Management nicht ungewöhnlich. Ein Risiko sieht er darin für RWE nicht:
"Schlimmstenfalls würde dieser Kauf nicht zustande kommen können. Dann gäbe es genug andere Interessenten für DEA. Aber ein sogenanntes Transaktionsrisiko sehe ich überhaupt nicht. Und schlimmstenfalls, wenn der Kaufpreis nicht fließen würde oder könnte, dann würde es einfach bei RWE bleiben."
An der Börse hat sich niemand über den Verkauf aufgeregt - im Gegenteil. Die RWE-Aktie gehörte heute zu den Papieren, die den Aktienmarkt stützten. Und auch Organisationen wie der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft anerkannten heute abermals den Primat der Politik. Der untersage solche Geschäfte aber bisher nicht, sagte Rainer Lindner, der Geschäftsführer des Ostausschusses:
"Wir müssen schauen: Gibt es Sanktionen, die solche Geschäfte verbieten? Die gibt es zum heutigen Zeitpunkt nicht. Und ich glaube, wir sollten zunächst mal schauen, welche Projekte sollten wir auch gerade im Energiebereich und gerade auch angesichts einer Energiewende, die ja die deutschen Industrie- und Energieunternehmen sehr stark belastet, wie können wir hier auch in eine Situation kommen, dass wir mit ausländischen Investoren Projekte dieser Art durchziehen können."
Lindner meinte gar, verstärkte Wirtschaftsbeziehungen könnten einen Weg aus der Krise bereitstellen:
"Insofern kann natürlich auch gerade in einer Phase der politischen Auseinandersetzung, wie wir sie derzeit erleben, natürlich auch die Wirtschaft ein Instrument sein, um hier auch Brücken zu bauen, beziehungsweise auch, wenn man es etwas weiter sieht, auch Gesprächskanäle ermöglichen, wo wir sie vielleicht noch brauchen werden."
Die Bundesregierung wird RWE nicht am Verkauf von DEA hindern. "Wir befürchten keinerlei Einschränkungen der Versorgungssicherheit für Deutschland", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich zu dem geplanten Verkauf nicht äußern, wie zu anderen Unternehmensentscheidungen auch nicht. Die deutsche Wirtschaft sei schließlich keine Staatswirtschaft, sagte Seibert. Gegen Fusionen oder den Handel mit Unternehmensteilen kann die Bundesregierung nur vorgehen, wenn öffentliche Ordnung und Sicherheit in Deutschland bedroht sind. RWE / DEA wird aber derzeit nicht unter diesem Aspekt geprüft.