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Milliardenfache Verschränkung

Physik. - Die Quantencomputern, die nicht nur die beiden Alternativen 0 und 1 zum Rechnen haben, sondern alle Werte zwischen 0 und 1, sind das Ziel der Computervisionäre. Einen zentralen Baustein solch eines künftigen Quantenprozessors präsentieren Forscher heute im Fachmagazin "Nature".

Von Ralf Krauter |
    Verschränkung – mit diesem Begriff bezeichnen Physiker eine Lebensabschnittspartnerschaft in der Quantenwelt: Zwei Atome, Elektronen oder Lichtteilchen, die in Kontakt waren, schließen einen befristeten Bund, der ihre Schicksale aneinander kettet. Egal was dem einen passiert: Der Partner spürt es sofort – selbst wenn er Hunderte Kilometer entfernt ist. Albert Einstein war diese "spukhafte Fernwirkung" suspekt, doch Experimente belegen: Die Natur verhält sich tatsächlich so verrückt, erklärt Dr. John Morton von der Universität Oxford.

    "Verschränkung ist eines jener merkwürdigen Ergebnisse der Quantenmechanik, das den Pionieren dieses Feldes jahrzehntelang Kopfzerbrechen bereitete. Mittlerweile wissen wir aber: Verschränkung ist nicht nur ein Rätsel, sie ist auch sehr hilfreich bei der Entwicklung neuartiger Quanten-Technologien. Denn sowohl künftige Supercomputer als auch Sensoren werden die Macht der Verschränkung ausnutzen."

    Wie das im Fall eines Quantencomputers aussehen könnte, beschreibt der Physiker heute im Fachmagazin "Nature". Gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Kanada und Japan ist John Morton nämlich gelungen, was vorher noch keiner geschafft hat: Er hat Milliarden quantenmechanische Informationseinheiten, also Qubits, auf einem Chip untergebracht und auf Kommando paarweise verkuppelt.

    "This is really one of the key elements that you need in order to build a quantum computer."

    Die massenhafte Verschränkung von Quantenbits, sagt John Morton, sei eines der Schlüsselelemente eines Quantencomputers. Andere Experten sehen das genauso und liefern sich seit Jahren einen Wettlauf, wer am meisten Qubits mittels spukhafter Fernwirkung koppeln kann. Einige hundert bräuchte man wohl, um heutige Superrechner alt aussehen zu lassen, doch mehr als ein Dutzend war bislang nicht drin. Dass der Brite nun in ganz andere Dimensionen vorstößt, verdankt er einer hochreinen Form des Halbleiters Silizium, den er mit Milliarden Phosphoratomen gespickt hat.

    "Wenn man dieses dotierte Silizium auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt kühlt und einem kräftigen Magnetfeld aussetzt, werden einzelne Elektronen, die sich vorher frei bewegen konnten, an die Phosphoratome gebunden. Die eingefangenen Elektronen verhalten sich wie winzige Magnetnadeln. Deshalb können wir sie als Qubits verwenden und Information in ihnen speichern - genau wie in den magnetischen Kernen der Phosphoratome. Was wir nun geschafft haben: Mit elektromagnetischen Impulsen konnten wir die Magnetnadeln der Phosphorkerne mit denen ihrer Elektronen verschränken."

    John Morton und Kollegen haben auf Knopfdruck rund zehn Milliarden Qubits zu verschränkten Pärchen verkuppelt. Für den Bau eines Quantencomputers braucht es jetzt eigentlich nur noch zwei Dinge. Erstens: Ein Verfahren, um die Information aller Quanten-Duos im Siliziumkristall separat auslesen zu können. Wie das geht, haben australische Forschern kürzlich gezeigt. Und zweitens: Eine Methode, um die verschränkten Qubit-Paare aus ihrer Isolation zu befreien und zu vernetzen. Ideen dazu gibt es bereits. Prinzipielle Probleme sieht der Qubit-Dompteur aus Oxford deshalb keine - und schätzt, dass in fünf bis zehn Jahren der erste Quantenprozessor auf Siliziumbasis laufen könnte.

    "Prognosen sind immer gefährlich. Aber wir sind jetzt in der Position, dass die Schlüsselbausteine dieser Technologie für sich genommen funktionieren. Jetzt müssen wir nur noch versuchen, die Komponenten so zusammenzufügen, dass sie auf einem einzigen Bauteil laufen."