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Millionen für den Fußball
Wie gerecht ist Sportförderung?

Der Sport in Deutschland steht vor einer ungewissen Zukunft. Zwar klopfen sich Politiker gern für ihre Unterstützung auf die Schultern, aber Sportler und Funktionäre klagen über zu wenig Hilfe. Und Wissenschaftler stellen das gesamte System infrage. Nur einer Sparte geht es uneingeschränkt gut.

Von Holger Gerska und Moritz Cassalette |
    Brasilien. Selten war eine Fußball-Weltmeisterschaft so spektakulär wie diese. Viele Tore, packende Spiele und prominente Besucher. Die deutschen Fußballer bekommen während eines großen Turniers regelmäßig die volle mediale Aufmerksamkeit. Selbst von Bundeskanzlerin Angela Merkel:
    "Dass ich die Daumen für die deutsche Mannschaft drücke, das wird mir die brasilianische Präsidentin zugestehen."
    Viel Anerkennung, viel Ehre und: viel Geld. Die deutschen Fußball-Nationalspieler bei der WM verdienen im Schnitt rund 370.000 Euro pro Monat - plus Werbegelder und Prämien. Andere deutsche Spitzensportler wie Ruderer, Leichtathleten, Skilangläufer oder eben auch Hockey-Spieler bekommen auch sehr viel Geld. Zumindest im Glauben der Öffentlichkeit ...
    "Ich weiß nicht, zehntausend Euro im Schnitt?" - "Im Monat? Zehntausend Euro!" - "Naja gut, es werden zwei, drei Handvoll sein, zehn, zwanzigtausend Euro." - "Fünfzigtausend im Schnitt!" - "Ich würde jetzt mal sagen so zwischen fünfzig- und siebzigtausend eventuell." - "Fünfhunderttausend? Keine Ahnung." - "Ich selbst spiele Hockey und kann mir vorstellen, was die Hockey-Spieler verdienen - und die verdienen nicht viel. Also, mit zweitausend Euro im Monat wäre man mehr als gut bedient teilweise. Brutto."
    Genau so ist es. Eine Umfrage unter deutschen Spitzensportlern, also auch unter jenen, die unser Land bei Olympischen Spielen vertreten, hat ergeben, dass sie durchschnittlich knapp 2.000 Euro im Monat verdienen. Brutto. Die Fußball-Nationalspieler verdienen ungefähr das 200-fache:
    "Oh, wow! Krass!" - "Also die müssen noch arbeiten nebenbei." - "Ein Student hat ja auch nicht mehr!" - "Wie?" - "Ein Student hat ja auch nicht mehr zum Leben!" "Bafög oder was?" "Ja!" - "Ja, das sind aber Spitzensportler, die den ganzen Tag einen bestimmten Trainingsplan haben, den sie auch noch veröffentlichen müssen, damit sie wegen Dopings ständig auf dem Klo auch aufgesucht werden können. Da finde ich das ein bisschen zu wenig. Das dürfte ruhig ein bisschen mehr sein. Für die Leute, die sich so zwecken und zwacken, um Deutschland die Fahne hochzuhalten bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Finde ich schon!" - "Wenn man bedenkt, was diese HSV-Nichtkönner da verdienen, kommen einem schon die Tränen." - Traurig! Da sollte man den Fußballern ein bisschen weniger geben. Die werden viel zu hoch bezahlt, denke ich mal."
    450 Euro Förderung pro Monat
    Hamburg: Im Hafen liegt ein riesiges Kreuzfahrtschiff. Oben, vom sonnigen Deck aus, sieht man die halbe Stadt: den Michel, die Elbphilharmonie, unten das Wasser der Elbe, und am anderen Ufer unzählige Container. Ein schöner Ort, um das Team Hamburg zu präsentieren.
    "Also, Team Hamburg, da verbergen sich unsere Spitzensportler dieser Stadt der olympischen Sportarten und paralympischen Sportarten, die die Möglichkeit haben, sich bei den Olympischen Spielen in Brasilien zu beweisen, 2016."
    Ingrid Unkelbach ist als Chefin des Olympiastützpunktes Hamburg-Schleswig-Holstein auch Vorsitzende des Teams Hamburg. 61 Sportler gehören zu diesem Projekt.
    "Also, es sind unterschiedliche Sportarten und Disziplinen. Aber eines haben sie gemeinsam, dass sie eine bestmögliche Unterstützung brauchen, um ihren Sport auch bestmöglich auszuüben. Dazu gehört natürlich so was wie Trainingsstätten und Trainer und so weiter und sofort. Aber für sie selber halt auch eine finanzielle Unterstützung, damit sie den Kopf frei haben und sich auch bestmöglich dann drauf vorbereiten können. Insofern ist es in erster Linie eine finanzielle Unterstützung, mit den 450 Euro im Monat, die wir da jetzt monatlich aufrufen können und sie damit unterstützen."
    Der deutsche Schwimmer Steffen Deibler schwimmt Schmetterling bei den Europameisterschaften 2010 in Budapest.
    Der deutsche Schwimmer Steffen Deibler bei der Arbeit. (AFP / Francois Xavier MArit)
    Ohne diese Hilfe könnten viele Athleten ihren Sport nicht professionell ausüben. Der Hamburger Schwimmer Steffen Deibler steht auf dem Deck des Kreuzfahrtschiffes. Seine Sonnenbrille hat er lässig in sein blondes Haar geschoben, auf seinem schwarzen T-Shirt ist der rote Schriftzug einer Bank zu lesen. Deibler will sich in zwei Jahren den Traum von einer olympischen Medaille erfüllen. Mithilfe des Team Hamburgs:
    "Das leistet einen wichtigen Beitrag auf jeden Fall zur Finanzierung. Dass ich meine sportlichen Ziele auch so verfolgen kann, wie ich will. Und auch so, wie ich es machen muss, um eine Chance zu haben 2016. Und für mich hat es schon auch einen großen Mehrwert, dadurch dass wir uns auch untereinander in Hamburg die Spitzensportler gut kennenlernen. Sportübergreifend, was sonst nicht möglich ist. Das bietet echt eine super Plattform, und ich freue mich über die neue Kampagne und bin gespannt, wie sehr wir die Stadt da begeistern können."
    450 Euro bekommen die Hamburger Olympiahoffnungen monatlich bis zum Beginn der Spiele in Rio zusätzlich. Ingrid Unkelbach vom Olympiastützpunkt weiß, dass dies nicht viel ist.
    "Spitzensport ist teuer. Man muss dann, wenn man es macht, auch richtig machen, und mit voller Kraft, und insofern wäre es schon schön, wenn man da die eine oder andere Unterstützung mehr hätte."
    Staat steuerte 190 Millionen Euro bei
    Für die staatliche Förderung ist das Bundesministerium für Inneres und Sport zuständig. Im vergangenen Jahr steuerte es rund 190 Millionen Euro bei. Für Bundesminister Thomas de Maizière bedeuten erfolgreiche deutsche Athleten auch Prestige:
    "Der Spitzensport - trotz aller Globalisierung und trotz aller Marketingverträge und trotz allem - ist auch ein Stück Patriotismus. Und den kann und darf ein Staat, auch ein demokratischer Staat, fördern. Natürlich hat das Grenzen."
    Und diese Grenzen sind eng gezogen. Der Deutsche Olympische Sportbund hat im Herbst einen Mehrbedarf von jährlich 38 Millionen Euro errechnet. Nun muss Generaldirektor Michael Vesper mit fünf Millionen Euro zusätzlich zufrieden sein.
    "Wir sind sehr froh darüber. Man muss die Haushaltslage insgesamt sehen. Man muss sehen, dass praktisch alle Bereiche entweder stagniert haben oder auch sogar zurückgeschraubt worden sind, sodass das für den Sport eine positive Nachricht ist. Und jetzt kommt es darauf an, dieses Geld sinnvoll einzusetzen. Und wir stehen in der Pflicht, und das werden wir in den nächsten Monaten auch tun, gemeinsam mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach Strukturveränderungen zu fahnden, mit denen man die Förderung noch weiter verbessern kann und die vorhandenen Mittel effizienter einsetzen kann."
    Diskussion über Fördersystem
    Aber: Ist das Fördersystem überhaupt das richtige? Auch so, wie es jetzt läuft, ist Deutschland eine erfolgreiche Sportnation. Alle zwei Jahre werden bei Olympischen Sommer- oder Winterspielen neue Helden geboren:
    Reporter: "Der Deutschland-Achter ist vorne. Noch zwei, drei Schläge. Oh ja, oh ja! Der Deutschland-Achter hat die Goldmedaille gewonnen!" - "Felix Loch auf dem Weg hier ins Ziel von Sotschi. Und er fährt ins Ziel in Bestzeit! Das ist der Olympiasieg!" - "Die Schläger fliegen! Weg damit! Her mit der Goldmedaille! Die deutschen Hockey-Herren sind erneut Olympiasieger!"
    Vor zwei Jahren gewann Markus Weise als Bundestrainer mit den Hockey-Herren Gold in London. Es war sein insgesamt dritter Olympiasieg. Er fordert Milliarden-Ausgaben für den deutschen Sport:
    "Ja, wie steht es um die Sportförderung? Gut und schlecht in einem, würde ich sagen. Auf der einen Seite muss man sagen natürlich gut, weil bestimmte Sportarten könnte man auf Weltklasseniveau gar nicht ausüben ohne die Sportförderung. Und schlecht, dass ich glaube - das ist natürlich nur eine persönliche Meinung - dass wir nicht viel genug machen und dass es auch, wenn man über Sportförderung in Deutschland redet, nicht nur um Leistungssport gehen kann, sondern um die gesamte Pyramide. Also auch Breitensport, Vereinssport et cetera. Und könnten wir, glaube ich, deutlich mehr machen.
    Dann darf man halt nicht 150 Millionen in die Hand nehmen, dann reden wir halt von einem Milliardenprogramm. Das ist halt immer so leicht daher gesagt, aber wenn man es konsequent und systemisch aufstellt, dann kommt man da nicht drum rum."
    Markus Weise ist davon überzeugt, dass Deutschland, wenn es mehr in den Sport investieren würde, nicht nur mehr Erfolge bei Olympia bekäme, sondern auch eine bessere Gesellschaft:
    Hockey-Bundestrainer Markus Weise
    Hockey-Bundestrainer Markus Weise: "Es kann nicht nur um Medaillen gehen, um Gottes willen." (picture alliance / dpa)
    "Es kann nicht nur um Medaillen gehen, um Gottes willen! Als wären wir nur ein Prestigeobjekt. Ich glaube, dass wir momentan in der Politik nicht das Bewusstsein dafür haben, dass man Sport sehr effektiv als Hebel nutzen könnte für die anderen Bereiche. Wenn ich mir unsere Spitzenpolitiker angucke, weiß ich nicht, wie viele ehemalige Topsportler dabei sind. Ich glaube, dass diese Denke einfach nicht in den Köpfen ist.
    Wenn ich andererseits dann aber die Anzeigen lese von deutschen Unternehmen, die händeringend gute Leute suchen, da steht immer Teamfähigkeit, da stehen immer ganz bestimmte Dinge, die du als Leistungssportler mitbringen musst. Das steht immer eins zu eins in diesen Annoncen. Also, Leistung scheint ja in Deutschland doch noch irgendwie wichtig zu sein. Und da könnte man Sport ganz anders einsetzen."
    Bringt deutsches System nichts?
    Mit seiner Kritik am deutschen System ist der Hockey-Bundestrainer bei Weitem nicht allein. Professor Doktor Arne Güllich hat zwölf Jahren lang für den Deutschen Olympischen Sportbund gearbeitet. Jetzt ist er Direktor im Institut für Angewandte Sportwissenschaft an der Technischen Universität Kaiserslautern. Güllich hält die Förderung in Deutschland schlicht für ineffizient:
    "Also, wir haben ja das Fördersystem untersucht, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, haben hunderte und tausende von Kaderathleten untersucht, ihre Biografien uns angeguckt. Auch, ob sie gefördert worden sind, wie sie gefördert worden sind, und welche Effekte ihre Förderung zutage förderte. Und da ist es so, dass diejenigen, die gefördert sind, eine bessere Erfolgsentwicklung hätten, als die, die nicht in der Förderung sind, sich nicht nachweisen lässt."
    Diese These stellt das gesamte System infrage. Und Güllich geht noch weiter. Seit dem Ende des Kalten Krieges fehlten dem Bund überhaupt die Argumente, viel Geld für den Leistungssport auszugeben:
    "Bis vor 20 Jahren war es klar: Da war es der Wettbewerb der Systeme. Wo man durch Leistungsport- oder Spitzensporterfolge bei internationalen Meisterschaften, bei Olympischen Spielen die Leistungsfähigkeit des eigenen Systems und auch die Überlegenheit des eigenen Systems versucht hat zu demonstrieren. Das ist seit 20 Jahren weggefallen, und es ist erkennbar, dass der deutsche Sport nach wie vor in einem Findungsprozess oder auch Suchprozess ist, was jetzt an dessen Stelle rückt als Legitimationsgrundlage für die öffentliche Sportförderung."
    "Ein Stück Patriotismus"
    Das Bundesministerium für Inneres und Sport aber wird an der Förderung festhalten.
    "Der Spitzensport ist auch ein Stück Patriotismus."
    Auf eines ist de Maizière besonders stolz: auf die Spitzensportförderung bei Polizei, Zoll und Bundeswehr. Knapp 1.000 deutsche Athleten sind beim Bund angestellt und haben so ein geregeltes, sicheres Einkommen.
    Eine Sportlerin, die davon profitiert, bei der Polizei angestellt zu sein, ist Miriam Welte. Die Bahnradsportlerin wurde vor zwei Jahren mit ihrem Gefühlsausbruch in London weltberühmt:
    Reporter: "Das ist eine irre Goldmedaille! Hier fließen Freudentränen, dabei haben sie doch gerade das Finale verloren, Miriam Welte und Kristina Vogel. Aber die Chinesinnen haben sich einen Vorteil verschafft, weil der Wechsel nicht funktioniert hat. Kristina Vogel und Miriam Welte sind Olympiasiegerinnen."
    Miriam Welte: "Ich glaube, dass es bei uns wirklich Jammern auf hohem Niveau ist, weil wir wirklich schon ein gutes Sportsystem haben, so wie es ist. Und ich denke, dass man unterscheiden muss zwischen den einzelnen Sportarten. Also es ist so, dass sich bei mir seit Olympia schon einiges getan hat und ich auf jeden Fall sehr gut davon leben kann. Ich hab´ die Polizei als quasi Hauptsponsor, werde voll bezahlt, bin aber sehr wenig arbeiten.
    Wenn man aber nicht in dem System ist - Bundeswehr oder Polizei - ist es mit Sicherheit für einige schwieriger, weil die Normalstudierenden das Studium in der Regelzeit nicht schaffen können. Und ich kann mir schon vorstellen, dass es dann für Athleten, die normal studieren, nicht ganz so einfach ist."
    "Arbeiten, trainieren und studieren, keine Chance"
    Wie aber geht es Sportlern, die diese staatliche Hilfe nicht haben? Wie geht es diesen, "normal studierenden" Spitzenathleten in Deutschland.
    Der Deutschland-Achter 2014 fährt am 22.05.2014 in Dortmund.
    Der Lübecker Maximilian Munski ist Student - und Vizeweltmeister mit dem Deutschland-Achter. (picture-alliance / dpa / Bernd Thissen)
    "Ich glaube, das ist so ein gesellschaftliches Problem, dass es wenig angesehen wird einfach. Also, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wo gute Leistung abgerufen werden muss, wird es verlangt. Und wenn zum Beispiel eine Mannschaft Weltmeister wird, wird auch ordentlich gefeiert. Aber wenn es mal nicht so gut läuft, dann sagen sie: Ja, müsst ihr mehr trainieren oder: Ihr kriegt ja schon so viel Geld. Und es wird sich halt wenig informiert."
    Fehlende Anerkennung, fehlende Wertschätzung der erbrachten Leistungen - wer in Deutschland nicht erfolgreich Fußball oder Tennis spielt oder in schnellen Autos seine Runden dreht, verdient nicht nur deutlich weniger Geld, sondern er hat es auch sonst schwerer. Der Hamburger Schwimmer Steffen Deibler hat einen Tagesablauf, der deutlich macht, was Spitzensportler tatsächlich leisten:
    "Gestern zum Beispiel, fang ich um 7.15 Uhr an. Ich komme um 10 wieder nach Hause ungefähr vom Training. Um 11.30 Uhr bis 12.30 Uhr habe ich die nächste Einheit. Dann habe ich mich hingelegt und geschlafen und hab dann was für meine Bachelor-Arbeit gemacht. Um 17.45 Uhr bis 20 Uhr war die nächste Einheit, und dann hatte ich noch Physio bis 21 Uhr. Dann war ich um viertel nach neun daheim, und dann bin ich ... weiß ich nicht, sechs, sieben, acht Stunden am Tag unterwegs. Es gibt ja auch noch Pressetermine, so wie heute. Das gehört ja auch zu meinem Beruf sozusagen als Sportler dazu. Das läppert sich schon."
    Sein Sport lässt keine anderen Tätigkeiten zu. Deibler studiert, an eine zusätzliche Arbeit ist überhaupt nicht zu denken:
    "Keine Chance. Es geht schon mit dem Studieren so. Also, ich habe auch mein Studium. Ich habe jetzt länger gebraucht, deutlich länger. Ich mache wahrscheinlich zwölf Semester statt sieben Semester Regelstudienzeit. Aber die Tage, wo ich dann studiert hab und geschwommen, da war dann wirklich kaum mehr eine Minute Zeit. Und auch selbst jetzt ist es so, also jetzt schreibe ich ja die Bachelor-Arbeit, aber selbst in Phasen, wo ich dann gar nicht studiert habe und mich nur auf den Sport konzentriert hab, da ist es dann ja auch der Sinn von zwei, drei Stunden Mittagspause, dass ich mich ausruhe und vielleicht schlaf, weil ich morgens um sechs aufstehe und dadurch regenerier. Und wenn ich dann arbeiten müsste... also das machen meine Konkurrenten nicht, und das wär auch dem Sport abträglich. Deswegen freu ich mich auch drauf, wenn ich mich wirklich ganz auf den Sport konzentrieren kann. Also arbeiten, trainieren UND studieren, keine Chance."
    Sagt einer, der im Schwimmen zur Weltspitze gehört. Vor zwei Jahren verfehlte er im olympischen Finale über 100 Meter Schmetterling nur knapp eine Medaille.
    (Reporter) "Wir gucken auf Steffen Deibler, noch acht, neun Meter. Der Oberkörper wird rausgerückt. Er guckt an die Kante, er guckt ans Ziel, und er schlägt an, und er wird am Ende Vierter! Beim Sieg von Michael Phelps! Und Steffen Deibler schwimmt wahrscheinlich das beste Rennen seines Lebens.
    "Es gibt wenig Schwimmer in Deutschland, die das Glück haben, ihren Lebensunterhalt allein mit dem Schwimmen bestreiten zu können. Also, wenn man nicht in so einer Institution ist wie dem Bund oder Sportsoldat oder Sportpolizist, geht es nicht ohne Sponsoren. Also, das Team Hamburg hilft, aber es reicht natürlich nicht. Von 450 Euro im Monat kann man nicht leben. Und es kommen ja dann schon ein paar Ausgaben hinzu, wenn man ein Trainingslager macht oder sonst irgendwie sich auf den Sport konzentrieren will, wirklich vernünftig, und ja ..."
    Deibler hat ausreichend Sponsoren, um vom Schwimmen leben zu können. Viel Geld beiseitelegen für das Leben nach der Karriere kann er aber nicht. Ruderer Maximilian Munski - vergangenes Jahr immerhin Vizeweltmeister mit dem Deutschland-Achter - studiert auch und kommt gerade so über die Runden:
    "Im Moment habe ich 1.200 Euro im Monat. Also, von denen ich tatsächlich ja auch lebe. Also davon muss ich sozusagen meine Wohnung bezahlen, mein Essen finanzieren und was ich sonst noch zum Leben brauch. Ich bekomme von der Sporthilfe jetzt als Eliteförderung, also das ist schon sozusagen mit die höchste Förderung, es gibt noch eine Stufe höher, bekommen wir 900 Euro monatlich. Das ist halt quasi das, was wir von der Sporthilfe kriegen, das wird ja über Spenden finanziert, auch vom BMI. Das ist sozusagen das, was ich fest einplanen kann. Und der Rest, der läuft einfach nur über meinen Verein, zum Beispiel der Landesruderverband Schleswig-Holstein, der mich fördert. Ja, also, das sind halt so Sachen, wo ich mich selbst drum kümmern muss, das ist nicht selbstverständlich."
    "Wenn der Fußball kommt, dann haben es alle anderen Sportarten schwer"
    Der Handball ist die Mannschaftssportart Nummer zwei in Deutschland. Die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt. Die Hallen sind voll, die Titelentscheidung war in dieser Saison so spannend wie noch nie. Und die Gesichter des Handballs sind gern gesehen in den Fernsehshows.
    "Meine Damen und Herren, der eine ist eine Handballlegende, und wir freuen uns auf Stefan ‚Kretsche' Kretzschmar."
    Kretzschmar erzählt von Leipzig, wo er seit viereinhalb Jahren ehrenamtlich im Aufsichtsrat eines Zweitligisten sitzt. Doch der Schatten, den der von einem Getränkehersteller gepushte Fußball-Klub RB Leipzig wirft, wird immer größer:
    "Da kommt natürlich jetzt Red Bull. Und Red Bull geht jetzt in die Zweite Liga im Fußball mit einem Etat, der alles andere platt macht und wo Geld keine Rolle spielt, und man sieht, dass die Zuschauer das auf einmal gut finden. Jetzt geht es in die Zweite Liga nächstes Jahr. Sie haben jetzt in der dritten Liga 40.000 Zuschauer gehabt bei den entscheidenden Spielen. Also, wenn der Fußball kommt, dann haben es alle anderen Sportarten schwer."
    Gruppenbild der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit Manuel Neuer, Per Mertesacker, Mats Hummels, Toni Kroos, Lukas Podolski, Jerome Boateng, Philipp Lahm, Thomas Müller, Benedikt Höwedes, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil
    Fußballspieler der Nationalmannschaft brauchen sich um ihr Einkommen keine Sorgen machen - anders als andere deutsche Spitzensportler. (dpa / Thomas Eisenhuth)
    Handball-Vereine wie der HSV Hamburg oder der VFL Gummersbach stehen am finanziellen Abgrund. Die Etats der Vereine schrumpfen, Sponsoren sind immerseltener bereit, viel Geld zu investieren:
    "Ja, weil auch die öffentliche Wahrnehmung uns nicht gerade in die Karten spielt. Also, gerade die Öffentlich-Rechtlichen nutzen da auch ihren Bildungsauftrag nicht, sag ich mal so. Und berichten auch halt kaum noch über die olympischen Sportarten, sozusagen. Oder es wird sehr stiefmütterlich behandelt, ja. Egal, welche Sportart außer Fußball es ist. Wenn man sieht, für wie viel Geld man im ZDF die Champions-League-Rechte dann auch kauft im Fußball, weiß ich nicht, ob es nötig ist, erst recht nicht für einen öffentlich-rechtlichen Sender.
    Na klar ist man auch dort Einschaltenquoten-gedrängt und muss demzufolge auch erfolgreich arbeiten. Aber gerade die Öffentlich-Rechtlichen müssten eigentlich dort mehr machen, was andere Sportarten betrifft. Ich würde mir es zumindest wünschen. Und in Deutschland haben sich drei, vier Sportarten herauskristallisiert: Formel 1, Boxen, Fußball, und dann war es das eigentlich auch schon. Und wenn es keine deutschen Helden gibt in diesen Sportarten, dann werden auch diese Sportarten - außer dem Fußball jetzt mal - irgendwann untergehen. Davon hängt halt auch die ganze wirtschaftliche Kraft ab, wie du dargestellt wirst und wie du wahrgenommen wirst."
    Eine ungewisse Zukunft
    Der Handball hat in Deutschland noch das Glück, dass Bundesliga und Champions League von kommerziellen Sportsendern übertragen werden. Auch die Hockey-Weltmeisterschaften in Den Haag zuletzt waren in einem Spartenkanal zu sehen. Herren-Bundestrainer Markus Weise sieht noch ein ganz anderes Problem:
    "Unser Hauptproblem da ist, dass wir natürlich immer eine Präsenz bei Olympia haben. Aber bei Olympia dürfen wir keine Werbung machen. Also sind wir da auch gekniffen. Das heißt, wenn wir alle vier Jahre mal aus der medialen Mottenkiste rausgeholt werden, hast du auch da nicht die Chance, selbst als Medaillenkandidat oder selbst wenn du was gewinnst, bist du halt vorne blank. Und das ist keine große Hilfe für die kleineren Sportarten."
    Der Sport in Deutschland steht vor einer ungewissen Zukunft. Politiker klopfen sich gern für ihre Unterstützung auf die Schultern, Sportler und Funktionäre beklagen sich über zu wenig Hilfe. Und Wissenschaftler stellen das gesamte System infrage. Nur dem Fußball geht es uneingeschränkt gut.
    Die Weltmeisterschaft in Brasilien ist für die Deutschen das größte Sportereignis in diesem Jahr. Auch wenn die Spiele zum Teil spät abends deutscher Zeit stattfinden, sitzen Millionen Fans vor den Fernseher- und Radiogeräten.
    Die Kicker verdienen Millionen, werden von Deutschland verehrt und gehen scheinbar sorgenfrei durchs Leben. Neidisch sind die Athleten aus anderen Sportarten trotzdem nur selten:
    "Ganz ehrlich: Nee (lacht)! Also, sicherlich, der Komfort und der Luxus, den die genießen, ist schon was Tolles und eben auch einmalig." - "Also die Fußballer verdienen natürlich ein Schweinegeld. Letztendlich macht Geld alleine auch nicht glücklich. Und die beneide die auch überhaupt nicht darum, dass die nicht mehr alleine einkaufen gehen können. Und ich will gerne erfolgreich sein, auch die nächsten Jahre noch, gerne auch sehr erfolgreich. Aber so eine allumfassende Bekanntheit, dass man nirgendswo mehr alleine hingehen kann, das ist nichts, was sich heute meiner Meinung nach erstrebenswert ist." - "Man darf auch nicht vergessen, wie sehr die halt immer im Fokus stehen, in den Medien, mit tausend Geschichten. Man muss immer gucken, wie man sich präsentiert. Überall sind Kameras und manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr Medienpräsenz, aber so wie die Fußballer möchte ich es persönlich dann doch nicht haben." - "Es geht um den Sport an sich. Also wir wollen damit in erster Linie kein Geld verdienen, sondern halt zur Sportgeschichte in Deutschland beitragen."