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Millionenfach geklickte CDU-Kritik
Aufrütteln gegen die Wählermacht der "Alten"

In seinem Video "Die Zerstörung der CDU" wettert der YouTuber Rezo gegen die Regierungsparteien - und sammelt in nur drei Tagen über drei Millionen Aufrufe. Ob hinter der aufwendigen Recherche noch weitere Interessen stehen, ist unklar.

Von Kai Rüsberg |
Der YouTuber Rezo in einem seiner Videos
In einem knapp einstündigen Video kritisiert der YouTuber Rezo die Politik der Regierungsparteien (Screenshot/YouTube)
"Heute sehen wir uns die CDU an, auch ein bisschen SPD und bisschen AfD, aber primär sehen wir uns die CDU an."
Vor der Kamera sitzt Rezo, ein 26-Jähriger mit einer neonblau gefärbten Haarsträhne, die unter seinem Baseballcap herauslugt. Er trägt dazu einen knallorangen Kapuzenpulli und sitzt am Arbeitstisch seines Studios, umgeben von Musikinstrumenten und Tastaturen. Schon nach drei Tagen ist es mit mehr als drei Millionen Abrufen sein erfolgreichstes Video.
"Wie sind die da so drauf? Und ich muss ehrlich sagen: Fuck, ist das heftig. Ich hab nicht gewußt, wie heftig das ist."
Rezo erhebt schwere Vorwürfe gegen CDU-Politiker
Rezo verrät weder seinen echten Namen noch andere Details seiner Vita. Bekannt ist nur: Er stammt aus Wuppertal, hat Informatik studiert und wohnt nun in Aachen.
"Ich werde in diesem Video zeigen, wie CDU-Leute lügen, wie ihnen grundsätzliche Kompetenzen für ihren Job fehlen, wie sie gegen deutliche Expertenmeinung Politik machen, wie sie sich augenscheinlich an verschiedenen Kriegsverbrechen beteiligen, wie sie Propaganda und Unwahrheiten gegen die junge Generation einsetzen, wie bei ihrer Politik die letzten Jahrzehnte die Reichen immer mehr gewinnen und alle anderen immer mehr ablosen, und ich zeige, dass nach der Expertenmeinung von zigtausenden deutschen Wissenschaftlern die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört."
JU-Vorstand: "Er recherchiert teils unsauber"
Knapp eine Stunde lang erzählt er mit hohem Sprechtempo. Er moderiert souverän und strukturiert, streift dabei wesentliche Eckpunkte der deutschen Politik, mit einem besonderen Blick auf den Klimaschutz. Dazu werden insgesamt 100 Belege mit Fußnoten eingeblendet, die man dann im Internet nachlesen kann.
Das alles sei aber nur scheinbar wissenschaftlich fundiert und abgewogen, hält Marian Bracht dagegen. Er ist Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union:
"Er recherchiert teils unsauber. Er nimmt nur die einseitigen Quellen. Er suggeriert, dass zigtausende Experten seiner Meinung wären. Dabei lässt er selbst keine anderen Meinungen zu. Also er sagt zum Beispiel, es geht hier nicht um verschiedene legitime politische Meinungen, sondern es gibt nur eine legitime Einstellung."
Kommunikationswissenschaftler: "Ein politisches Talent"
Trotzdem ist Kommunikationswissenschaftler Hektor Haarkötter beeindruckt von dem Video:
"Wow, ein politisches Talent, weil in der Art und Weise, ich glaube knapp 55 Minuten, eine politische Philippika vom Stapel zulassen, das habe ich in der Form und auch auf dem Niveau und auch mit der argumentativen Verve doch selten erlebt, und auf YouTube, glaube ich, noch gar nicht."
Für Haarkötter, Lehrstuhlinhaber für politische Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, zeigt das Video, dass sich Blogger auf YouTube zu einem ernsthaften Faktor im politischen Diskurs entwickeln:
"Das halte ich schon für einen ganz enormen, auch politischen, Erfolg, und zeigt, dass die sogenannte Jugend von heute alles andere als depolitisiert ist."
Medienrechtler: "Steckt da vielleicht noch jemand anders dahinter?"
Rezo selbst war zu einem Interview nicht bereit, äußerte sich aber zu vorab schriftlich eingereichten Fragen, unter anderem dazu, wie er das Video vorbereitet hat:
"In den gesamten Prozess sind natürlich Hunderte Stunden meiner Freizeit und, auch durch die Unterstützung meiner Mitarbeiter, viel von meinem Geld geflossen, aber durch das positive Feedback finde ich, hat es sich einfach für mich gelohnt."
Für den Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann ergeben sich aus dem Video zahlreiche Nachfragen, die unbeantwortet bleiben:
"Was man sieht, ist, dass da ein junger Mann eine Meinung verbreitet und Richtung Zerstörung der CDU argumentiert, dafür viele Beispiele bringt, aber man nicht weiß: Ist er das alleine, steckt da vielleicht noch jemand anders dahinter? Ströer steht im Impressum. Die managen ihn auch: Ist das ein inhaltliches Management oder was ist das?"
Kein Statement der im Impressum genannten Firma
Die im Impressum als Redaktion genannte Tube One GmbH des Werbekonzerns Ströer stand auf Anfrage zu einer Stellungnahme nicht bereit. Daher bleibt offen, mit welchen finanziellen oder anderen Mitteln die Produktion unterstützt wurde. Rezo sagt, er habe von keiner Partei oder Organisation Geld erhalten. Rolf Schwartmann von der TH Köln beurteilt aber auch aus anderen Gründen die Ausgewogenheit des Videos bei YouTube als ungenügend:
"Es hat allerdings nicht die Kontrolle, die journalistische Tätigkeit normalerweise hat. Es ist ja nicht einer Weise auf Meinungsfreiheit, Ausgewogenheit, Tendenzfreiheit verpflichtet, wie das etwa ARD, ZDF, Radio Köln, der Deutschlandfunk und RTL und ProSiebenSat1 vor der Wahl sind."
Der Medienrechtler warnt, die Vielfalt an Informationen könne von nicht erkennbaren Drittinteressen beeinflusst werden. Schwartmann, Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung, fordert daher auch für Plattformen wie YouTube einen Ordnungsrahmen, um die Meinungs- und Informationsfreiheit zu schützen.