Es gehe darum "die erforderliche digitale Transformation des Verlagswesens" zu unterstützen, erklärt das Wirtschaftsministerium in seinem vierseitigen Papier. Ziel sei aber nicht "die Abkehr von Printmedien", sondern "den Verlagen ein zweites, zukunftsträchtiges Standbein zu verschaffen". Außerdem betont das Schreiben: "Die geplante Innovationsförderung muss sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Redaktionen gänzlich unberührt bleibt." Auf diesen Punkt hatten in der Diskussion um eine Presseförderung die Beteiligten immer wieder hingewiesen.
Konkret geht es um eine Förderung von Abonnementzeitungen und -zeitschriften und von Anzeigenblättern "mit einem redaktionellen Anteil von mindestens 30 Prozent". Damit alle Verlage "diskriminierungsfrei" gefördert werden, soll ein "objektiver Förderschlüssel" Grundlage dafür sein, wie die 220 Millionen Euro bis 2022 verteilt werden, heißt es weiter. 180 Millionen sollen bereits im kommenden Jahr gezahlt werden, beispielsweise für Investitionen in den Aufbau von Online-Shops, Rubrikenportalen und Apps sowie den Aufbau eigener oder verlagsübergreifender Plattformen zum Vertrieb der Inhalte.
Förderung ist geknüpft an Investitionen
Maßstab sollen die Auflage der Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter " sein. Demnach würden etwa 59 Prozent auf Abonnementzeitungen, elf Prozent auf Abonnementzeitschriften und 30 Prozent der Summe auf Anzeigenblätter entfallen. Das Ministerium bezieht sich dabei auf Branchenangaben.
Geknüpft werden die Zahlungen an Investitionen, sind also eine Art Zuschuss: Die Verlage bekommen 45 Prozent und investieren selbst 55 Prozent in Investitionen. Eine kleine Lokalzeitung wie die "Ostfriesen-Zeitung" in Niedersachsen mit ungefähr 27.000 Abo-Kundinnen und –Kunden würde nach Berechnungen unserer Redaktion etwa 260.000 Euro bekommen, müsste aber selbst etwa 320.000 Euro investieren. Bei der größeren "Süddeutschen Zeitung" wären beiden Zahlen entsprechend mehr als zehnmal so hoch.
Langer Weg zum Konzept
Eine Förderung wurde – vor dem Hintergrund der Krise der der Printbranche – auch schon vor der Corona-Pandemie diskutiert. Die Verlage klagen seit Jahren darüber, dass die Zustellung immer teurer werde. Die Auflagen sinken zugleich insgesamt gesehen.
Die im Juli beschlossenen Hilfen werden aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums (BMWI) finanziert. Seitdem laufen die internen und öffentlichen Verhandlungen über die Ausgestaltung der Pläne.
Verbände mit unterschiedlichen Vorstellungen
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Linken-Abgeordneten Anfang Oktober geht hervor, dass es bis Ende August zehn Gespräche des BMWi mit Interessenvertretern – Verlage, Verbänden und Gewerkschaften – gegeben hat. Öffentlich hatte zuletzt der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) Ende September vorgeschlagen, die staatliche Millionenhilfe für Presseverlage unter anderem, an die Auflagenzahlen zu koppeln – also so, wie es nun geplant ist.
Andere Vorstellungen hatte (und hat) der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Mitte September hatte der Interessenverband die Idee einer Förderung über die Mehrwertsteuer ins Spiel gebracht. Auf dem Kongress des Verbandes hatte BDZV-Präsident und Springer-Chef Mathias Döpfner erklärt, eine geeignete Form von Hilfe, "und vielleicht überhaupt die ordnungspolitisch sauberste, wäre eine dauerhaft geringere oder noch besser gar keine Mehrwertsteuer für Medienprodukte". Zum nun vorgelegten Konzept teilte der BDZV gegenüber dem Deutschlandfunk mit, dieses sei "sehr grob" und es gebe Verständnisfragen.
Medienökonom: Hauptsächlich Mitnahmeeffekte
Dass die Politik nun argumentiert, die Verlage müssten bei der Zustellung von den Print-Ausgaben entlastet werden, um sich richtig ums Digitale kümmern zu können, sieht Frank Lobigs, Medienökonom an der TU Dortmund, kritisch. Er erwarte, dass es "hauptsächlich Mitnahmeeffeekte geben wird", sagte Lobigs dem Deutschlandfunk. "Es werden sich viele Verlage finanzieren lassen, was sie eh gemacht hätten." Das Papier zeige "erschreckend wenige Vorstellungen davon, wie man überhaupt Wirkungen der Förderungen erzielen will".
Kritik kommt auch von den medienpolitischen Specherinnen und Sprechern der Opposition. "Alles andere als zukunftsgerichtet", urteilt Margit Stumpp von den Grünen. Wirtschaftsminister Altmeier halte "de facto an der Zustellförderung nach dem Gießkannenprinzip fest". Davon würden die Verlage, die die meisten gedruckten Exemplare im Abo verkaufen, so Stumpp. "Innovationen lassen sich auch mit viel Geld nicht erzwingen", erklärte Thomas Hacker, FDP. Wichtiger sei es, "richtige Rahmenbedingungen für die Produktion und die Vertriebswege zu schaffen, uns so gerade die kleineren Zeitungsverlage für die Zukunft fit zu machen". Doris Achelwilm von den Linken ergänzt: "Ein Förderkriterium sollte außerdem sein, dass die Mitarbeiter*innen von antragstellenden Verlagen mindestens tariflich bezahlt werden und im Zuge der Transformation kein Personalabbau betrieben wird."
Ob das Konzept auch so umgesetzt werden, wie in dem Papier skizziert, ist nicht sicher. Geld an die Verlage soll zwar schon im nächsten Jahr überwiesen werden. Aber das Wirtschaftsministerium selbst sagt, dass erst einmal noch eine Förderrichtlinie erarbeitet werden soll. Zudem müssen Finanzministerium und der Bundesrechnungshof und vielleicht sogar die EU-Kommission die Pläne noch absegnen.