Der Text sitzt noch nicht perfekt, die Choreographie - holprig und unkoordiniert; es ist kalt und muffig auf der Bühne. Doch die Stimmung bei den Proben ist ausgelassen. Ein Gespräch zwischen Slobodan Milošević und seinem Sohn Marko: Es geht um die richtige Wassertemperatur im Swimmingpool. Der Vater macht sich Sorgen um den Jüngling. Auf den ersten Blick banal, ungewöhnlich normal, menschlich.
"Das sind Protokolle aus tatsächlichen Gesprächen, die zwischen 1995 und 1998 aufgezeichnet wurden. Diese Szene beschäftigt sich mit der privaten Seite der Familie Milošević, die ein extrem autokratisch, autistisches Eigenleben führte - weit entfernt von der Realität, in der wir damals als Gesellschaft lebten."
Kein Wort zu Tod, Elend, Vertreibung
Sagt die Belgrader Autorin Jelena Bogavac, die 1973 geboren ist und den Aufstieg und Fall Slobodan Miloševićs miterlebt hat. Auf der einen Seite also das prunkvolle Leben der Miloševićs, auf der anderen das Überleben der Menschen in Zeiten von Mangel und UN-Sanktionen. Aber so kritisch sein Privatleben inszeniert wird, so oberflächlich wird sein Handeln als Politiker angerissen: kein Wort zu den Kriegen in Kroatien und Bosnien, für die er mitverantwortlich war, kein Wort zu Tod, Elend und Vertreibung in den Nachbarländern.
"Es ist schwer, Slobodan Milošević ein positives Attribut zuzuschreiben. Aber betrachtet man ihn in der globalen Gesamtschau, so verringert das seine Verantwortung. Er ist nicht der einzige Kriegsverbrecher und Schöpfer einer neuen Weltordnung, sondern das globale Geschehen macht aus ihm ein kleines, politisches Püppchen eines kleinen Staates auf dem Balkan, das in die historischen Gegebenheiten damals reingezogen wurde. Also ist Slobodan Milošević eher eine tragische Figur."
Slobodan Milošević - ein "Opfer der Zeit"?
Ein Tyrann im Inneren, eine tragische Figur nach Außen, gar Opfer der Zeit – es ist ein schizophrenes Bild, in dem die Schuld des Westens schwerer wiegt, als die Schuld des einstigen Machthabers. Jovan Zdravković, auf der Bühne der Sohn Marko Milošević, wurde 1994 geboren. "Milošević-Babies" nennt die Autorin diese Generation, die mit den Folgen des Milošević-Regimes aufgewachsen ist - mit der Isolierung Serbiens und den Erzählungen ihrer Eltern.
"Aus meiner Perspektive ist dieses Theaterstück nichts Außergewöhnliches; es ist ein Stück wie Richard III. oder Macbeth. Ich habe keine Beziehung zu Slobodan Milošević. Ich weiß nicht, ob er gut oder schlecht war, ob ich ihn hasse oder liebe, ob er für uns ein Problem war oder nicht, ob er der Schlächter des Balkans war. Ich persönlich kann ihn nicht anklagen; ich bin kein Richter und kein Tribunal", sagt Jovan Zdravković.
Ein Singspiel taugt nicht zur Vergangenheitsbewältigung
Distanz wahren, neutral bleiben. Die sogenannten "Milošević-Babies" wollen die Last der Vergangenheit nicht tragen. Aber auch die alte Generation, die Generation Milošević, weigere sich, diese Zeit aufzuarbeiten, sagt die Autorin Jelena Bogavac.
"Wir wollen zeigen, dass sich seit den Neunzigern wenig verändert hat. Die Neunziger haben einen tiefen Einschnitt hinterlassen; sie haben uns eingefroren, konserviert. Deswegen leben wir hier immer noch in einer Post-Konfliktsituation."
Fragen nach dem Leben und Handeln von Slobodan Milošević, nach der Interpretation seiner politischen Rolle: Fragen, die die serbische Gesellschaft auch 18 Jahre nach dem Sturz Slobodan Miloševićs noch nicht für sich beantwortet hat - und zu deren Beantwortung auch das umstrittene Theaterstück wenig beitragen wird.