Vieranerkannte nationale Minderheiten gibt es in Deutschland: Die Dänen in Schleswig-Holstein, die Friesen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Sinti und Roma in der Bundesrepublik verstreut sowie die Sorben, eine slawische Minderheit in Sachsen und im südlichen Brandenburg. Für sie sieht die brandenburgische Verfassung sogar eine eigene Passage vor, im Artikel 25 steht:
Das Recht des sorbischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebietes wird gewährleistet.
Sorbengebräuche sollen Weltkulturerbe werden
Nach 10 Jahren wird das Sorben/Wenden-Gesetz in Brandenburg nun überarbeitet. Damit soll die Minderheit unter anderem Mit- und Selbstbestimmungsrechte in den Bereichen Bildung und Kultur bekommen. Ende des Monats soll das Gesetz verabschiedet werden. Und sorbische Bräuche sollen sogar Weltkulturerbe werden.
"Folkloregeklingel oder die allgemeine Meinung besteht ja auch, wenn ich das betätige, dann hat es ja auch einen musealen Charakter. Museale Charaktere entstehen immer da, wo die Aktivität nicht da ist. Wenn ich mir das sorbische Brauchtum anschaue, vor allen Dingen auch den Anteil der Jugendlichen, die daran teilnehmen, muss ich sagen, die Gefahr des Musealesierens sehe ich hier überhaupt nicht."
... sagt David Statnik, Vorsitzender der Domowina, dem Bund Lausitzer Sorben.
Die Minderheit nutzt auch der Mehrheitsgesellschaft.
Sehr aktives Brauchtum, Trachten, Tänze, Gesang und Kultur in der Öffentlichkeit beflügeln den Tourismus.
"Das wäre natürlich das, was ich mir wünsche, dass nicht nur wir davon partizipieren, sondern auch die Region, die am Ende sagen kann: Ja, wir sind UNESCO-Weltkulturerbe im immateriellen Sinne, hier gibt es die Sorben/Wenden. Und dann müssen wir uns um die Zukunft unserer Existenz, dieser Minderheit weniger Sorgen machen."
Streitpunkt ist das Siedlungsgebiet der Sorben
Nachgewiesen seit dem 6. Jahrhundert machten die Sorben das Land in der Lausitz urbar; lange vor der Zeit, als deutsche Siedler sich dort niederließen.
Doch wollen das heute nicht alle gleichermaßen wahrhaben. Es gibt Streit um das Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden. Diese Erfahrung muss auch Mêto Nowak immer wieder machen:
"Das sind zum Teil Vorurteile von vor 150 Jahren. Das ist alter deutschnationaler Diskurs, der da läuft, man kann es nicht anders sagen. Da ist man sich auch dieses Reichtums der eigenen kulturellen Herkunft überhaupt nicht bewusst."
Redeverbot für Sorbenratvertreter
Nowak ist Vertreter des Sorbenrates und Vorsitzender des Domowina-Dachverbandes Niederlausitz, der zentralen Interessenvertretung der Sorben.Eine dieser Situationen, von denen Nowak spricht, war eine Stadtverordnetenversammlung in Senftenberg im vergangenen Sommer. Es ging um die Frage, ob die Kommune wieder dem sorbischen Siedlungsgebiet zugeordnet wird. Nowak wurde dabei das Rederecht verweigert. Und die Landtagsabgeordnete der SPD, Martina Gregor-Ness, argumentierte, dass die Erweiterung des Siedlungsgebietes der Sorben und Wenden von "oben" verordnet sei. Die Bevölkerungsmehrheit solle darüber entscheiden, schlug sie vor. Das hätte klar gegen den europäischen Minderheitenschutz verstoßen.
Ihr Parteigenosse Werner Siegwart Schippel sagte später bei der Sitzung des Sorbenrates im Landtag Brandenburg:
"Ich will es dann ehrlich sagen, auch an dieser Stelle, schäme ich mich für meine SPD-Genossen in Senftenberg. Jeder Abordnung von einem Flüchtlingsrat hätte man - Gott sei Dank, so weit sind wir ja - mit Abstimmung das Rederecht dort gegeben; der eigenen nationalen Minderheit gibt man es nicht."
Es fehlt eine flächendeckende Bildungsstruktur
Dabei sind die drei Hauptargumente gegen die Benennung einer Kommune als sorbisches Siedlungsgebiet längst entkräftet:
Eine zweisprachige Beschilderung muss nicht sofort eingeführt werden.
Die Behörden müssen nicht über Mitarbeiter verfügen, die der sorbischen Sprache mächtig sind; es reicht, wenn die Bürger Anträge in ihrer Sprache stellen dürfen.
Und der Sorbischunterricht in Schulen stellt keinen zusätzlichen Kostenfaktor dar; das Geld stellt das Land, die Lehrbücher die Stiftung für das sorbische Volk.
David Statnik:
"Im Falle Bildung sehen wir, dass wir gerade in Brandenburg noch sehr viel Arbeit vor uns haben. Wir haben hier nach wie vor nicht wirklich eine flächendeckende Bildungsstruktur. Hier ist natürlich der Fall, dass man versuchen kann auch in der Novellierung, dieses ‚Witaj’, dieses Konzept mit dem wir versuchen im Sinne der Immersion, auch für diese Sprache zu bilden; auch wirklich hier gesetzlich in einen gewissen Rahmen zu gießen."
Nerven der Sorben liegen blank
Allerdings, die Liste im Anhang der Gesetzesnovelle, die weitere Kommunen benennt, die zum Siedlungsgebiet der Sorben gehören, bleibt strittig.
Martin Gorholt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, versucht die Wogen zu glätten:
"Es ist und war in allen Fragen seit 1990 eine kontroverse Diskussion, die Frage: Was entscheidet das Land, was entscheidet die Kommune. Und wenn es dann einen Gesetzesentwurf gibt, wo es eine Anlage gibt, wo neue Kommunen dazu mit zählen zum sorbischen Siedlungsgebiet, dass es dann daraus eine strittige Diskussion gibt, ist nicht eine Frage, die vom Inhalt bestimmt ist, sondern die ist auch von der Form her bestimmt. Und in jeder Frage gibt es da eine riesige Debatte."
Aber die Nerven der Sorben liegen blank; das hat auch historische Gründe. Zur Nazizeit war die Minderheit in Deutschland Germanisierungen und Schikanen ausgesetzt, zur DDR-Zeit wurde das Schrumpfen des Volkes in Kauf genommen.
Mêto Nowak:
"Ich glaube nicht, dass es gezielt war. Das wurde einfach billigend in Kauf genommen. Die Prioritäten in der Politik waren andere, damals war es vor allem der Braunkohlebergbau. Etliche Gemeinden wurden abgebaggert. Und nach den Umsiedlungen, so wie sie damals praktiziert wurden, brachen die sozialen Netze der Dörfer oftmals zusammen; und damit auch die Weitergabe von Sprache und Kultur. Also das war keine spezifisch Anti-Sorbische-Politik."
Für die Pflege von Kultur und Sprache der jetzigen sorbischen Minderheit in Sachsen und Brandenburg fehlt 2014 eine Million Euro.
Von knapp 18 Millionen im vergangenen Jahr sank der Etat der Stiftung für das sorbische Volk auf knapp 17 Millionen.
Der Stiftungsrat hofft noch darauf, dass der Bund seine Zuwendung erhöht und sich Sachsen und Brandenburg dem anschließen.
Wenn es um nationale Minderheiten geht, könnte Schleswig-Holstein ein vorbildliches Bundesland sein. Ein Land mit DREI anerkannten Minderheiten und - neben dem Hochdeutschen - gleich VIER anerkannten Sprachen: Plattdeutsch, Friesisch, Dänisch und Romanes. Die Rechte der Minderheiten sind in der Landesverfassung festgehalten und mit dem SSW, dem Südschleswigschen Wählerverband, ist die dänische Minderheit sogar in der Landesregierung.
Friesische Sprache gehört zum Alltag
Wenn Lars Harms auf dem Markt in Husum einkauft – dann spricht er friesisch. Ganz automatisch. Das geht gar nicht anders, strahlt der 49-Jährige. Und auch beim Föhrer Stammtisch in Husum versteht man als Auswärtiger nur Bahnhof.
Für die Menschen an Schleswig-Holsteins Westküste gehört die friesische Sprache zum Alltag. Und, was Touristen gelegentlich irritiert: Sogar die Straßenschilder sind – zum Beispiel auf Sylt, Föhr, Amrum und Helgoland - zweisprachig: hochdeutsch und friesisch. Die bilinguale Beschilderung ist Teil des Friesisch-Gesetzes, als dessen Initiator Lars Harms gilt. Als SSW-Landtagsabgeordneter hat der gebürtige Husumer vor 10 Jahren das "Friisk Gesäts" vor dem Landtag durchsetzen können. Ein erster Schritt sagt er:
"Naja, es kann immer besser sein – das ist typisch nordfriesisch so eine Antwort. Natürlich werden wir wahrgenommen und wir merken auch, seit die Nordfriesen in die Landesverfassung aufgenommen wurden 1990, seit es 2004 das Friesisch-Gesetz gibt, das uns eben auch besondere Rechte gibt, seitdem merken wir, da geht’s schon bergauf, aber nach oben ist natürlich immer Luft. Das sagt jeder in der Politik und das sagen natürlich auch die Friesen."
Friesisch als zweite Amtssprache erlaubt
Das "Gesetz zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum", wie es offiziell heißt, erlaubt ausdrücklich auch Friesisch als zweite Amtssprache. Auf politischer Ebene ist es der SSW, der Südschleswigsche Wählerverband, der als Partei der Dänischen Minderheit im Grenzgebiet auch die Interessen der Nordfriesen vertritt. Seit 1955 ist der SSW als Partei einer nationalen Minderheit per Landesgesetz von der 5-Prozent-Hürde befreit. Das allerdings sorgt immer wieder für Aufsehen.
Zuletzt im Vorfeld der Landtagswahl 2012, als die Partei unter Vorsitz von Anke Spoorendonk beschloss, für einen Regierungswechsel zur Verfügung zu stehen. Besonders die Junge Union im Land kritisierte den Sonderstatus der "Königsmacher", stellte die Rolle des SSW als "Partei der dänischen und friesischen Minderheit" infrage und bezweifelte öffentlich, dass es verfassungsgemäß sei, die Partei von der 5-Prozent-Hürde auszunehmen. Ein Grundsatzurteil fällte das Landesverfassungsgericht am 13. September vergangenen Jahres. Die Sonderregel bleibt bestehen. Lars Harms:
"Das ist ganz entscheidend, dass auch die Mandate vollgültig sind. Ich bin hier im Landtag nicht nur als Vertreter der Dänen und Friesen, sondern ich bin Vertreter des ganzen Volkes. Entsprechend hat der SSW auch eine Verantwortung und muss sie dann auch gegebenenfalls wahrnehmen, indem er in eine Regierung eintritt."
Die so genannte "Dänenampel" aus SPD, Grünen und eben dem SSW ist einzigartig im ganzen Bundesgebiet und ein deutliches Zeichen für den Integrationswillen der Landesregierung. Bei den Oppositionsparteien "akzeptiere man das Urteil des Landesverfassungsgerichtes" – so Christopher Vogt, Fraktionsvize der FDP:
"Ja, wir respektieren das Urteil, hatten eine andere Rechtsauffassung und haben die auch weiterhin und drei der Richter sind ja auch unserer Auffassung gefolgt. Vier haben das anders gesehen und damit müssen wir jetzt leben."
"Haus der Minderheiten" in Flensburg geplant
Es sind die sogenannten "Südschleswiger", etwa 50 Tausend Dänen, die in Schleswig-Holstein leben. Mit ähnlichen Rechten und vergleichbarem Schutz, den auch die knapp 20 Tausend Nordschleswiger genießen; also die deutsche Minderheit in Dänemark. Mit Schulen, Kirchen, Büchereien, Sportvereinen und anderen Einrichtungen, die mit Unterstützung des Landes dafür sorgen, die jeweilige Kultur aufrechtzuerhalten. Und genau hier – in dem Gebiet, in dem viele Menschen gefühlt zusammengehören, getrennt nur durch die mittlerweile durchweg grüne, deutsch-dänische Grenze, soll in ein paar Jahren das europäische Herz der Minderheiten schlagen, erläutert Jan Diedrichsen vom federführenden FUEV (sprich Fuu:eff), dem Dachverband der nationalen Minderheiten Europas, die Pläne für ein "Haus der Minderheiten". Im ältesten Kaufmannsladen Flensburgs, einem historischen Gebäude aus Fachwerk und dem für die Gegend so typischen, roten Backstein:
"Und das soll so unser Schaufenster nach außen sein für das Haus der Minderheiten und damit fangen wir jetzt an zu renovieren. Das ist ein etwas längeres Projekt und da soll das Haus der Minderheiten dann letztendlich einziehen."
2017 soll das Kommunikations-, das Informations- und Dokumentationszentrum fertig sein. 3,5 Millionen Euro sind eingeplant. Finanziert werden soll das unter anderem mit Europäischen Fördermitteln. Das ruft Kritiker auf den Plan:
"Ja, die sagen: "Schon wieder so ein Haus? Schon wieder so ein Institut? Sollt ihr nicht das Geld für was Sinnvolles brauchen?" Jetzt zitiere ich die Kritiker, wo ich natürlich antworte: "Nein, nein, nein, es gibt massig Institute in Europa, aber es fehlt immer diese Letzte – wie es so schön auf Deutsch heißt: ‚Verlinkung zum Endverbraucher". Und ich denke, da ist so ein Haus absolut angebracht. Auch mit Blick auf, dass es politisches Lobbying braucht, dass es Entwicklung von Konzepten braucht, und da würden wir was Neues machen."
Interkulturelle Wochen 2012 zeigten Erfolg
Praktische Hilfe beim Kampf um Anerkennung, Akzeptanz und Integration – das geplante Projekt könnte (bei konsequenter Umsetzung) praktische Hilfe leisten. Entsprechend positiv ist die Resonanz. Besonders bei den Minderheiten in Schleswig-Holstein. Sogar die Sinti und Roma, die in der Vergangenheit - oft aus Angst - lieber für sich blieben, trauen sich offensiv aufzutreten, sagt Hauke Bruhns vom Landesvorstand und erinnert an die Interkulturellen Wochen 2012:
"Es war das erste Mal seit ganz vielen Jahren, dass sich 30 Sinti in der Öffentlichkeit mit Plakaten gegen Rassismus auf die Straße gewagt haben. Also auf der einen Seite wollen wir uns öffnen, wollen der Gesellschaft vermitteln ‚Hallo wir sind ein Teil von Euch‘. Und auf der anderen Seite ist es natürlich auch für uns wichtig, dass die Gesellschaft lernt, uns zu akzeptieren. Und auch als Bereicherung versteht."
22 Jahre hat der Landesvorstand gekämpft, 6 Anträge waren nötig, bis vor rund anderthalb Jahren die Sinti und Roma als zu schützende Minderheit in die Landesverfassung aufgenommen wurden:
"Was man eben auch nicht vergessen darf: Schleswig-Holstein ist letztendlich ein Land der Minderheiten. Wir sind sozusagen jetzt als Sinti und Roma in der Landesverfassung eine weitere Minderheit, die dazu gekommen ist. Die Minderheiten sind wesentlich enger zusammengerückt seitdem. Also die Zusammenarbeit gab es schon immer, aber es ist wesentlich intensiver der Austausch. Also bis jetzt glaube ich hat es noch keiner bereut, dass die Landesverfassung geändert worden ist."
Auch in Baden-Württemberg soll sich die Situation für die Sinti und Roma nun verbessern - durch einen Staatsvertrag. Anfang November war Joachim Gauck zu Besuch in Mannheim. Thema war die Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien und damit auch die Integration von Sinti und Roma, sowohl der ansässigen als auch der zugewanderten. Der Bundespräsident sprach im RomnoKher, dem Kulturzentrum des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg:
"Bestehen wir anlässlich von problematischen Zuständen in einigen Kommunen, bestehen wir darauf, dass wir eine offene Zivilgesellschaft sind und eine Gesellschaft, die integrationsbereit ist."
Die Armutsmigration ist die eine, die problematische Seite, wenn es in Baden-Württemberg um Sinti und Roma geht.
Die andere Seite ist, dass sie seit 600 Jahren in Baden-Württemberg leben, derzeit sind es etwa 12 000, und dass fast zeitgleich mit dem Besuch des Bundespräsidenten in Mannheim im Staatsministerium in Stuttgart die letzten Verhandlungen für einen Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Sinti und Roma geführt wurden. Eine Vereinbarung, die das Verhältnis zwischen dem Land und der anerkannten Minderheit der Sinti und Roma klar und mit einer neuen Verbindlichkeit regelt. Der Vertrag wurde wenig später am 28. November feierlich unterzeichnet und er ist für Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein historisches Ereignis:
"Wir wollten damit deutlich machen, dass es uns wirklich am Herzen liegt, nicht nur die jahrhundertelangen Vorurteile, sondern auch die Verbrechen, die gegen die Sinti und Roma begangenen wurden in der Nazizeit - auch deutlich zu machen: So was darf hier nie wieder passieren."
Diskriminierung von Sinti und Roma entgegenwirken
Der Staatsvertrag in Baden-Württemberg geht deutlich über Rahmenvereinbarungen hinaus, wie sie in Rheinland-Pfalz oder Bremen geschlossen wurden. In der Präambel des Vertrages sind die Ziele festgeschrieben: Jeglicher Form der Diskriminierung von Sinti und Roma entgegenzuwirken und das gesellschaftliche Miteinander kontinuierlich zu verbessern.
Im Vertragstext selbst verpflichtet sich zunächst das Land, beispielsweise zu dafür zu sorgen, dass - Zitat - in den Schulen des Landes die Geschichte der Sinti und Roma so gelehrt wird, dass möglichen Vorurteilen entgegengetreten wird. Zitatende. Die Vertretung der Sinti und Roma verspricht im Gegenzug, sich um die Integration von nichtdeutschen Sinti und Roma mit Bleiberecht - sprich um Armutsflüchtlinge zu kümmern. Es soll ein Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg gegründet werden. Und last, but not least geht es auch ums Geld. Das Land Baden-Württemberg verdoppelt die Zuschüsse für die Minderheit ab sofort auf 500 000 Euro pro Jahr.
Inzwischen hat der Landtag von Baden-Württemberg den Vertrag gebilligt, und zwar einstimmig. Und besonders darüber war die Freude auch bei den Vertretern der Minderheit groß. Jakob Lehmann, Vorstand beim Landesverband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg:
"Besonders bemerkenswert finde ich, dass alle Abgeordneten einhellig der Meinung sind, wie wichtig der Vertrag ist und wie wichtig der Umgang mit Sinti und Roma ist."
Trotz der großen Einigkeit, am Ende war der Staatsvertrag insgesamt eine schwierige Geburt. Erste Verhandlungen darüber gab es vor 18 Jahren, die Angelegenheit kam jedoch mehrfach ins Stocken, bis die grün-rote Landesregierung sie vor zwei Jahren mit neuem Schwung anging und am Ende nach immer noch schwierigen Verhandlungen den Durchbruch schaffte.
Einige der im Vertrag verabredeten Ziele verfolgen die Sinti und Roma in ihrem Kulturzentrum in Mannheim bereits seit Jahren. Hier wird über die Geschichte der Minderheit informiert und der kulturelle Austausch gefördert, und hier wird über die Teilhabe der Minderheit an der Mehrheitsgesellschaft geforscht. Sabrina Guttenberger vom Landesverband:
"Wir haben eine Begegnungsstätte. Das Kulturhaus RomnoKher in Mannheim. Das dient auch als Begegnungsstätte nicht nur für Sinti und Roma, sondern auch für Interessierte, wir haben zum Beispiel sechs Schulklassen hier gehabt in diesem Jahr, wir haben eine Ausstellung, Zigeuner - Mythos und Wirklichkeit. Aber das ist immer wieder diese Außenwirkung. Deshalb ist es uns jetzt auch wichtig, wie wir nach innen wirken können."
Geschichtsaufarbeitung als Ziel
Mit den neuen, vom Land zur Verfügung gestellten Mitteln will der Landesverband nun also einen neuen Schwerpunkt setzen. Die Rückbesinnung auf die eigene Kultur. Die Aufarbeitung einer 600-jährigen Geschichte und Kultur der Sinti und Roma in Baden-Württemberg, die die Nationalsozialisten vergessen machen wollten.
Ziel sei ein neues Selbstbewusstsein für Sinti und Roma in Baden-Württemberg.
"Dass es nicht mehr Sinti und Roma gibt, die sich verleugnen, weil sie Angst vor Nachteilen haben. Sondern dass man durch diesen Staatsvertrag auch selbstbewusst dastehen kann. Und sagen: Ich gehe jetzt auf die Realschule oder aufs Gymnasium und mache dort meinen Abschluss. Aber ich stehe auch zu meiner zweiten Kultur."