8,50 Euro, weniger soll vom ersten Januar 2015 an niemand mehr in Deutschland verdienen. Ein Meilenstein, jubelt Arbeitsministerin Andrea Nahles:
"Fleißig, billig, schutzlos, das ist doch bisher die Realität für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland, und damit ist jetzt Schluss."
3,7 Millionen Beschäftigte werden von der neuen Lohnuntergrenze profitieren, hat das Arbeitsministerium berechnet. Eine gute Nachricht, findet auch Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit:
"Also ich glaube, dass es wichtig ist für die Leute, zu sehen, dass es eine Untergrenze des Lohnes gibt, von der man auch leben kann."
Die Lohnuntergrenze gilt für alle Branchen, in Ost wie in West, beteuert Nahles. Aber es gibt Ausnahmen. Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung haben keinen Anspruch auf den Mindestlohn, auch für dreimonatige Praktika gilt die Regelung nicht. Hinzu kommt: Bis Ende 2016 können Unternehmen niedrigere Löhne zahlen, wenn sie das mit den Gewerkschaften in allgemein verbindlichen Tarifverträgen fixiert haben. Das Friseurgewerbe und die Fleischwirtschaft zum Beispiel haben diese Möglichkeit genutzt. Sonderregelungen gibt es auch für Erntehelfer und Zeitungsausträger. Die Bundesregierung ist vor der Arbeitgeberlobby eingeknickt, kritisierte Klaus Ernst von der Linkspartei.
"Sie sind meilenweit von dem entfernt, was sie versprochen haben. Was sie hier vorlegen, ist kein flächendeckender Mindestlohn, sondern ein Flickenteppich. Da kann ich nur sagen: Versprechen gegeben, Versprechen gebrochen."
Gewerkschaften und Sozialverbänden gehen die Zugeständnisse ebenfalls zu weit. Auch Brigitte Pothmer von den Grünen ist enttäuscht von dem Mindestlohn, der nun in Kraft tritt.
"Die Verlierer lassen sich genau benennen. Es sind die Langzeitarbeitslosen, es sind die Jugendlichen, es sind die Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller und es sind die Saisonarbeiter. Die haben heute keinen Grund zu jubeln."
IG BAU fordert scharfe Mindestlohn-Kontrollen für Unternehmen
Die Wirtschaftsverbände machen eine ganz andere Rechnung auf. Viele Unternehmen werden sich den neuen Mindestlohn nicht leisten können. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, warnt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.
"Höhere Löhne bedeutet immer auch, dass die Dienstleistung oder das Produkt, das damit erwirtschaftet wird, teurer werden wird. Das heißt, aus unserer Sicht wird esRegionen und Branchen geben, in denen dann auch die Arbeitslosigkeit zunehmen wird."
Dass der Mindestlohn Arbeitsplätze gefährden kann, will auch Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit nicht vollständig ausschließen. Vor allem in Ostdeutschland, wo das Lohnniveau niedriger ist, könnte es Probleme geben. Mit einem Jobverlust in großem Umfang rechnet er aber nicht. Er verweist auf die Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Die Unternehmen haben genug Zeit, sich auf die neue Lohnuntergrenze vorzubereiten, sagt Alt.
"Also massenhafter Jobverlust mit Sicherheit nicht. Das in dem ein oder anderen Fall ein Arbeitgeber nicht in der Lage ist, den Mindestlohn zu zahlen, das mag sein. Aber ich glaube, dass das, was sich 26 andere europäische Länder leisten, kann sich auch die Bundesrepublik Deutschland leisten."
Gut möglich, dass die Preise fürs Taxi oder den Blumenstrauß im neuen Jahr etwas ansteigen, das aber sei verkraftbar, sagt auch Robert Feiger, der Chef der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar Umwelt. Ihm macht etwas ganz anderes Sorgen: Viele Unternehmen könnten den Mindestlohn unterlaufen, wenn die Umsetzung nicht kontrolliert wird. Dafür aber fehlt das Personal. 3.000 zusätzliche Kontrolleure beim Zoll müssten eingestellt werden, um die Einhaltung des neuen Gesetzes zu überwachen, fordert Feiger:
"Wichtig ist gerade zu Beginn der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes, Wildwuchs gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir haben da als IG BAU große Erfahrung. Sie müssen wirklich zu Beginn dafür sorgen, dass flächendeckend kontrolliert werden kann."