Kathleen Wagner ist gerade dabei, den Campus der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur zu verlassen. Sie hat es eilig.
"Ja, ich hab mir eigentlich vorgenommen, dass ich jeden Tag nach dem üblichen Unistoff mit meinen Bewerbungen noch ein bisschen vorankomme, deswegen würde ich mich jetzt auch wieder aufmachen, dass ich da zu Hause ein bisschen weiterkomme."
Kathleen Wagner studiert im zweiten Semester Medienmanagement. Um ihr Masterstudium gut zu Ende zu bringen, sucht sie einen Praktikumsplatz in einem Unternehmen, in dem sie im Anschluss ihre Masterarbeit schreiben kann. Sechs Monate will sie deshalb in der Marketing- oder Kommunikationsabteilung eines Unternehmens Jobluft schnuppern. Doch bisher geht ihr Plan nicht auf. Seit Wochen schon schreibt sie Bewerbungen, insgesamt rund 20. Die wenigen Rückmeldungen waren allesamt Absagen. Die 27-Jährige weiß nicht, ob die Einführung des Mindestlohns eine Rolle spielt, doch einen Zusammenhang schließt sie nicht aus.
"Ich habe das Gefühl, dass es was damit zu tun hat. Mir fällt auf, dass wenn ich mich auf Praktikastellen bewerbe, dass in Klammern dahintersteht: Pflichtpraktikanten bevorzugt und dann immer noch von einem Lohn von 500 bis 800 Euro die Rede ist, was natürlich für jemand, der ein freiwilliges Praktikum macht, überhaupt nicht zutrifft. Ich kenne aber auch schon große Firmen, die das sofort umgestellt hatten, aber die suchen sich natürlich die Rosinen raus."
Unternehmen bevorzugen nun Pflichtpraktikanten
Denn das Gesetz unterscheidet so: Für freiwillige Praktika während des Studiums oder der Ausbildung, die nicht explizit durch die Studien- oder Ausbildungsordnung gefordert werden und länger als drei Monate dauern, muss der Mindestlohn gezahlt werden. Lediglich verbindliche und von der Universität gewünschte Praktika dürfen länger als drei Monate dauern – ohne Vergütung. Diese Unterscheidung in Pflichtpraktika und freiwillige Praktika kann bei der Suche nach einem längeren Praktikum, dass der eigenen Berufsorientierung dienen soll, hinderlich sein, sagt Dipl.-Psychologin und Karriereberaterin Martina Beermann von der der Handelshochschule in Leipzig.
"Meine Befürchtung ist, dass es weniger Praktikumsplätze gibt. Das Problem ist, dass gerade Großunternehmen in der Regel sechsmonatige Praktika bevorzugen. Und die Frage ist jetzt: Wird die Anzahl der Praktika reduziert, weil die Budgets in den Unternehmen nicht mitwachsen oder werden die Praktika auf drei Monate heruntergefahren?"
Generation Praktikum adé. Jahrelang wurde die Ausbeutung von Praktikanten als kostengünstige Arbeitskräfte kritisiert, nun gibt es eine gesetzliche Neuordnung und sofort tritt erneut Kritik zutage. Denn: Ein Praktikant, der 40 Stunden die Woche arbeitet, kostet den Arbeitgeber 1.360 Euro pro Monat. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist das eine spürbare Belastung. Die Leipziger Messe zum Beispiel, ein Unternehmen mit 370 Mitarbeitern, zahlte im vergangenen Jahr seinen 109 Praktikanten ein Gehalt von 365 Euro. Eine finanzielle Mehrbelastung durch den Mindestlohn will das Unternehmen vermeiden, sagt Unternehmenssprecher Steffen Jantz.
"Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Praktikanten steigen wird, da wir mehr Praktikanten annehmen können, da wir auf die Praktikanten bis sechs Monate künftig verzichten werden. Wir werden kein Praktikum vergeben, was länger als drei Monate dauert. Es ist davon auszugehen, dass ein kürzeres Praktikum nicht den gleichen Wert hat wie ein sechsmonatiges. Natürlich können Sie mehr Erfahrung sammeln, qualifiziertere Tätigkeiten übernehmen."
Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, glaubt dass auch andere Unternehmen sich ähnlich verhalten werden, um Kostensteigerungen zu vermeiden.
"Wenn die Praktikanten höhere Kosten verursachen, dann wird der Unternehmer genau draufschauen auf die Kosten und wird sehen: Wo kann er dort wieder Kosten einsparen? Und das wird sich sicher auch auf die Praktikumsplätze auswirken. Es wäre schade, weil das ganze Thema Praktikum für Studenten sehr wichtig war dort wirklich mal in den Job reinzukommen."
Aber nicht alle lassen sich von den Kosten abschrecken. Große Unternehmen wie Porsche und BMW zum Beispiel haben angekündigt, Praktikumsplätze nicht zu reduzieren. Dennoch: Die Konkurrenz steigt und die Suche nach einem langen, gut bezahlten Praktikum wird auch in Zukunft an folgende Bedingungen geknüpft sein: Glück und sehr gute Leistungen.