Mindestlohn
Wie hoch sollte faire Bezahlung sein?

Ein Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 gilt in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD als erreichbar. Die CDU besteht auf eine Entscheidung durch die Mindestlohnkommission. Im Sommer soll das Gremium über die nächste Anpassung entscheiden.

    Erntehelfer steht in einer Apfelplantage und verschneiden mit einer Heckenschere die Apfelbäume. Die Bäume sind in Reihen aufgestellt.
    Dort, wo die Tarifbindung gering und die Löhne niedrig sind, wird oft nur der Mindestlohn bezahlt * (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD spielt die Zukunft des Mindestlohns eine wichtige Rolle. Im Sondierungspapier ist festgehalten, dass eine Anhebung von derzeit 12,82 Euro auf 15 Euro ab 2026 „erreichbar“ sei – ein Ziel, für das die SPD besonders geworben hatte. Die Union pocht allerdings darauf, dass die Entscheidung ausschließlich bei der unabhängigen Mindestlohnkommission liegt.
    Politische Eingriffe - wie unter der Ampelkoalition, als der Mindestlohn per Gesetz auf 12 Euro angehoben wurde - lehnt die CDU strikt ab. Das Gremium aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern soll im Sommer über die nächste Anpassung beraten.

    Inhalt

    Wer legt den Mindestlohn fest?

    Das ist Aufgabe eines unabhängigen Gremiums – der Mindestlohnkommission. Sie wurde 2015 gegründet, als der Mindestlohn in Deutschland eingeführt wurde. Er lag damals bei 8,50 Euro brutto.
    Die Mindestlohnkommission wird von der Bundesregierung alle fünf Jahre neu berufen und legt alle zwei Jahre eine Empfehlung zur Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns vor. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern und ist paritätisch besetzt: Drei Vertreter der Arbeitgeber und drei der Gewerkschaften sind ebenso Teil der Kommission wie zwei unabhängige Wirtschaftswissenschaftler. Den Vorsitz übernimmt eine neutrale Person, derzeit die Arbeitsmarktexpertin Christiane Schönefeld, die zuvor lange für die Bundesagentur für Arbeit tätig war.
    Die Aufgabe der Kommission ist es, unabhängig von der Politik über die Entwicklung des Mindestlohns zu entscheiden. Dabei orientiert sie sich an der allgemeinen Lohnentwicklung und beschließt in der Regel zwei Anhebungsschritte für die kommenden zwei Jahre.
    Die Mindestlohnkommission stand in der vergangenen Entscheidungsrunde vor einer besonderen Situation: Der aktuelle Mindestlohn von 12,82 Euro wurde allein durch die Stimmen der Arbeitgebervertreter und der unabhängigen Vorsitzenden festgelegt. Dies geschah, obwohl die Preissteigerungen bereits eine stärkere Erhöhung nahegelegt hätten.
    Um künftig einseitige Entscheidungen zu vermeiden, hat die Kommission für dieses Jahr eine neue Geschäftsordnung erarbeitet. Diese soll verhindern, dass eine Seite einfach überstimmt wird. Ein zentrales Element der Reform ist eine stärkere Orientierung an tariflichen und wirtschaftlichen Referenzwerten.
    Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und Vertreter der Arbeitnehmerseite in der Kommission, erklärte dazu: "Wir haben uns zunächst erst mal darauf geeinigt, dass wir sozialpartnerschaftlich an dieses Thema herangehen wollen – so wie wir es aus Tarifverhandlungen und anderen schwierigen Inhalten kennen, die wir gemeinsam mit den Arbeitgebern diskutieren."
    Da sei unter anderem festgelegt, dass die Orientierung am Tarifindex vorgenommen wird, aber auch an dem Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns eines Vollzeitbeschäftigten. "Das war uns wichtig, und ich glaube, das ist ein zentraler Punkt, um zukünftig auch zu einer gemeinsamen Einigung zu kommen", so Körzell.
    Während der Tarifindex bereits zuvor als Orientierung diente, stellt die explizite Bezugnahme auf den Medianwert – also zwei Drittel des durchschnittlichen Bruttoverdienstes in Deutschland entsprechend der EU-Mindestlohnrichtlinie – eine Neuerung dar.

    Wie entwickelt sich der Mindestlohn?

    Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland liegt seit dem 1. Januar 2025 bei 12,82 Euro brutto pro Stunde. Darauf hatte sich die Mindestlohnkommission geeinigt, wenn auch erstmals nicht einstimmig, weil den Vertretern der Arbeitnehmer die Anhebung nicht ausreichte.
    Der DGB hatte angesichts von Inflation und steigenden Energiepreisen einen Mindestlohn von 13,50 Euro gefordert. Sozialverbände forderten sogar eine Steigerung auf 14 Euro. Letztlich konnten sich die Arbeitnehmervertreter aber in der Mindestlohnkommission nicht durchsetzen und wurden überstimmt.
    Und nach der neuen Orientierung am Medianwert des Bruttoverdienstes gemäß der EU-Mindestlohnrichtlinie müsste der Mindestlohn nach Gewerkschaftsangaben bereits bei 13,90 Euro liegen.
    Ab 1. März wurde der Branchenmindestlohn für Leiharbeit erhöht. Er beträgt nun 14,53 Euro pro Stunde und liegt damit 1,71 Euro über dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro.

    Wer profitiert vom höheren Mindestlohn?

    Von der Steigerung profitieren nach Angaben des statistischen Bundesamtes etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland – das sind ungefähr 15 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. Vor allem Frauen und Menschen in Ostdeutschland bekommen mehr Geld, weil sie häufiger im Niedriglohnsektor arbeiten.
    Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung werden vor allem in Minijobs Mindestlöhne gezahlt: Fast drei Millionen Menschen profitieren hier von den höheren Sätzen. Am häufigsten wird in der Gebäudebetreuung, der Gastronomie und im Einzelhandel nach Mindestlohn bezahlt.

    Wie arbeitet die Mindestlohnkommission?

    Über die Höhe des Mindestlohns abstimmen dürfen erst einmal nur die sechs Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die beiden Wissenschaftler haben keine Stimme. Kommt nach den Beratungen keine Mehrheit zustande, muss die Vorsitzende einen Vermittlungsvorschlag machen. Wenn auch der keinen Durchbruch bringt, hat die Vorsitzende die entscheidende Stimme.
    Allerdings wurde das Einigungsverfahren im Ablauf reformiert: Während es bisher möglich war, dass die Vorsitzende bereits in einer frühen Phase mit ihrer Stimme eine Entscheidung herbeiführt, kann sie dies nun erst im dritten Anlauf tun. Erst wenn keine Einigung zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern erzielt werden kann, darf die Vorsitzende mit ihrer Stimme für eine Mehrheit sorgen.
    Bei der Höhe des Mindestlohns muss die Kommission verschiedene Faktoren berücksichtigen: Zum einen geht es um einen angemessenen Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ein Kriterium ist dabei, wie sich die Tariflöhne entwickeln. Zum anderen soll die Kommission aber auch darauf achten, dass der Mindestlohn die Beschäftigung nicht gefährdet, weil er zu hoch angesetzt wird.

    Wer entscheidet letztlich über die Höhe des Mindestlohns?

    Die Empfehlung der Mindestlohnkommission muss per Verordnung umgesetzt werden – zuständig dafür ist der Bundesarbeitsminister. Dass die Politik direkt in die Höhe des Mindestlohns eingreift, ist eigentlich nicht vorgesehen – zuletzt aber ist es passiert. Die Ampelkoalition hatte den Mindestlohn im Oktober 2022 auf 12 Euro festgelegt, was über dem damaligen Vorschlag der Mindestlohnkommission lag.
    Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), sieht die Kommission in der Verantwortung:
    "Ich glaube, die Mindestlohnkommission muss jetzt die Kraft haben, selbst zu einem Ergebnis zu kommen, sodass es nicht nötig ist, dass die Politik im Anschluss eingreift. Wenn das nicht gelingt, dann ist es an der Politik, erneut zu handeln. Das wollen wir nicht. Wir setzen auf gemeinsame Verhandlungen."

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    *Die Bebilderung des Beitrags wurde geändert, weil die dort zuvor gezeigte Tätigkeit nicht unter das Mindestlohngesetz fällt.
    Liane von Billerbeck, dpa, Martin Mair, leg, dh