Dem Verleger und Spanisch-Übersetzer Heinrich von Berenberg verdanken deutsche Leser manche erstaunliche Entdeckung aus den Randzonen weltliterarischer Wahrnehmung. So hat er zum Beispiel das Genie Roberto Bolanos für uns entdeckt; und weil er fünf von Bolanos Büchern übersetzt hatte, war er letztes Jahr nach Mexiko zu einem Bolano-Kongress eingeladen. Auf dem Rückflug las er ein Buch, das sich ausnimmt wie ein später Seitentrieb, der aus dem "Teil von den Verbrechen” in Bolanos Roman "2666” hervorging. Nun legt Berenberg, in der Übersetzung von Carsten Regling, im Frühjahrsprogramm seines Verlags diesen schmalen Roman "Fiesta in der Räuberhöhle” vor.
Sein Autor Juan Pablo Villalobos wurde zwar 1973 in Mexiko geboren, lebt aber heute in Barcelona, wo er eine Firma für elektronische Geräte leitet. Das literarische Debüt des 37-jährigen Mexikaners ist sprachlich originell, aber erzählerisch noch unfertig. Von den drei Teilen eines Monologs ist nur der erste restlos überzeugend. Villalobos spricht mit der Stimme und dem eingeschränkten geistigen Horizont des zwölfjährigen Tochtli, dem Sohn eines paranoiden Drogenbarons. Der Junge mit dem Tick eines Hut-Sammlers lebt mit dem Vater isoliert in einem protzig-überdimensionierten Palast, der in einem ummauerten Garten liegt, und er wird von dem linkspatriotischen Hauslehrer Mazatzin unterrichtet. Für den geistlos-brutalen Erzeuger ist der mutterlos aufwachsende Sohn, von dem manche behaupten, er wäre frühreif, "ein Genie", das sich aus dem Wörterbuch auffüttert mit "schwierigen Wörtern” wie "erbärmlich, tragisch, tadellos, pathetisch und fulminant”. Davon macht Tochtli reichlich und meist unpassend, also komisch Gebrauch.
Allerdings verwundert einen, dass der Zwölfjährige offensichtlich sogar die Prostata kennt, ihm jedoch schleierhaft bleibt, was sein Vater mit einer schweigsamen Besucherin aus der "verdammten Nuttenranch" immer wieder "Geheimnisvolles” treibt. Will sagen: Ganz schlüssig geht Villalobos´ erzählerische Idee nicht auf.
Der Autor, der, wie es heißt, einst sowohl Marktforschung als auch Literatur studiert haben soll - eine bizarre Mischung -, nimmt mit einer gehörigen Portion von Schwarzem Humor und satirischer Verve einen Grundzug der männlichen Mentalität seiner lateinamerikanischen Heimat ins Visier. Und zwar von Kind auf: den Machismo, die Gewaltverherrlichung und den Größenwahn.
Der monologisierende mexikanische Oskar Matzerath (denn die geniale Erzähl-Perspektive des Grass´schen Blechtrommlers stand bei Tochtlis monologischen Erzählung Pate), wird von seinem Vater ermahnt: "Reiß dich zusammen, (...), wie ein richtiger Macho.” Und um zu sehen, ob der Sohn der väterlichen Ermahnung folgt, lässt der Vater ihm "einen Herrn mit blutverschmiertem Gesicht” vorführen. "Ich bin ganz ruhig geblieben, während die Wächter in unserem Palast ihm eine fulminante Tracht Prügel verabreicht haben. Wie sich herausstellte, war der Herr eine Schwuchtel, denn er fing an zu heulen und schrie: Lasst mich am Leben! Lasst mich am Leben!". Er hat sich sogar in die Hose gepinkelt. Das Gute war, dass wenigstens ich mich als Macho erweisen habe und ich gehen durfte, bevor sie die Schwuchtel in eine Leiche verwandelt haben”.
Die Frage, mit wie vielen Schüssen in welchen menschlichen Körperteil der Tod eintritt, ist Gegenstand eines Ratespiels von Vater und Sohn. Weil sein Lehrer das japanische Kaiserreich so toll findet wie sein Zögling die Samurai-Filme, erweitert das Tochtlis Horizont der Tötungsarten um das Schwert und im Geschichtsunterricht erfährt er von der französischen Guillotine.
Es sind aber nicht nur Kopfbedeckungen vom Sombrero bis zum Dreispitz und Mordwerkzeuge aller Arten, die den kleinen Macho manisch beschäftigen. Sein verrückter Wunsch, der Privatmenagerie von Löwen und Tigern, Adlern und Wellensittichen auch noch ein Zwergnilpferd-Pärchen beizugesellen, führt ihn mit seiner väterlichen Bande bis ins afrikanische Liberia - ohne dass der Ausflug ins Ausland sowohl für die Privatjäger als auch für den Roman von Erfolg gekrönt wäre. Erst mit der Rückkehr ins heimische Mexiko bekommt der "fulminante” Mini-Roman wieder satirische Bodenberührung mit einer mörderischen Realität, von deren tödlich getroffenen, hingerichteten oder verschwundenen Opfern wir nicht nur bei Bolano gelesen haben, sondern nahezu täglich Neues aus dem derzeitigen Mexiko in unserer Presse lesen können. Juan Pablo Villalobos´ "Fiesta in der Räuberhöhle” macht sich einen flamboyanten Reim darauf.
Juan Pablo Villalobos: "Fiesta in der Räuberhöhle”. Roman. Aus dem Spanischen von Carsten Regling. Berenberg. Berlin 2011. Halbleinen. Fadenheftung. 76 Seiten, 19 Euro
Sein Autor Juan Pablo Villalobos wurde zwar 1973 in Mexiko geboren, lebt aber heute in Barcelona, wo er eine Firma für elektronische Geräte leitet. Das literarische Debüt des 37-jährigen Mexikaners ist sprachlich originell, aber erzählerisch noch unfertig. Von den drei Teilen eines Monologs ist nur der erste restlos überzeugend. Villalobos spricht mit der Stimme und dem eingeschränkten geistigen Horizont des zwölfjährigen Tochtli, dem Sohn eines paranoiden Drogenbarons. Der Junge mit dem Tick eines Hut-Sammlers lebt mit dem Vater isoliert in einem protzig-überdimensionierten Palast, der in einem ummauerten Garten liegt, und er wird von dem linkspatriotischen Hauslehrer Mazatzin unterrichtet. Für den geistlos-brutalen Erzeuger ist der mutterlos aufwachsende Sohn, von dem manche behaupten, er wäre frühreif, "ein Genie", das sich aus dem Wörterbuch auffüttert mit "schwierigen Wörtern” wie "erbärmlich, tragisch, tadellos, pathetisch und fulminant”. Davon macht Tochtli reichlich und meist unpassend, also komisch Gebrauch.
Allerdings verwundert einen, dass der Zwölfjährige offensichtlich sogar die Prostata kennt, ihm jedoch schleierhaft bleibt, was sein Vater mit einer schweigsamen Besucherin aus der "verdammten Nuttenranch" immer wieder "Geheimnisvolles” treibt. Will sagen: Ganz schlüssig geht Villalobos´ erzählerische Idee nicht auf.
Der Autor, der, wie es heißt, einst sowohl Marktforschung als auch Literatur studiert haben soll - eine bizarre Mischung -, nimmt mit einer gehörigen Portion von Schwarzem Humor und satirischer Verve einen Grundzug der männlichen Mentalität seiner lateinamerikanischen Heimat ins Visier. Und zwar von Kind auf: den Machismo, die Gewaltverherrlichung und den Größenwahn.
Der monologisierende mexikanische Oskar Matzerath (denn die geniale Erzähl-Perspektive des Grass´schen Blechtrommlers stand bei Tochtlis monologischen Erzählung Pate), wird von seinem Vater ermahnt: "Reiß dich zusammen, (...), wie ein richtiger Macho.” Und um zu sehen, ob der Sohn der väterlichen Ermahnung folgt, lässt der Vater ihm "einen Herrn mit blutverschmiertem Gesicht” vorführen. "Ich bin ganz ruhig geblieben, während die Wächter in unserem Palast ihm eine fulminante Tracht Prügel verabreicht haben. Wie sich herausstellte, war der Herr eine Schwuchtel, denn er fing an zu heulen und schrie: Lasst mich am Leben! Lasst mich am Leben!". Er hat sich sogar in die Hose gepinkelt. Das Gute war, dass wenigstens ich mich als Macho erweisen habe und ich gehen durfte, bevor sie die Schwuchtel in eine Leiche verwandelt haben”.
Die Frage, mit wie vielen Schüssen in welchen menschlichen Körperteil der Tod eintritt, ist Gegenstand eines Ratespiels von Vater und Sohn. Weil sein Lehrer das japanische Kaiserreich so toll findet wie sein Zögling die Samurai-Filme, erweitert das Tochtlis Horizont der Tötungsarten um das Schwert und im Geschichtsunterricht erfährt er von der französischen Guillotine.
Es sind aber nicht nur Kopfbedeckungen vom Sombrero bis zum Dreispitz und Mordwerkzeuge aller Arten, die den kleinen Macho manisch beschäftigen. Sein verrückter Wunsch, der Privatmenagerie von Löwen und Tigern, Adlern und Wellensittichen auch noch ein Zwergnilpferd-Pärchen beizugesellen, führt ihn mit seiner väterlichen Bande bis ins afrikanische Liberia - ohne dass der Ausflug ins Ausland sowohl für die Privatjäger als auch für den Roman von Erfolg gekrönt wäre. Erst mit der Rückkehr ins heimische Mexiko bekommt der "fulminante” Mini-Roman wieder satirische Bodenberührung mit einer mörderischen Realität, von deren tödlich getroffenen, hingerichteten oder verschwundenen Opfern wir nicht nur bei Bolano gelesen haben, sondern nahezu täglich Neues aus dem derzeitigen Mexiko in unserer Presse lesen können. Juan Pablo Villalobos´ "Fiesta in der Räuberhöhle” macht sich einen flamboyanten Reim darauf.
Juan Pablo Villalobos: "Fiesta in der Räuberhöhle”. Roman. Aus dem Spanischen von Carsten Regling. Berenberg. Berlin 2011. Halbleinen. Fadenheftung. 76 Seiten, 19 Euro