Ein kühler Herbstmorgen in Stralsund. Fast alle Segler haben ihre Boote längst aus dem Wasser geholt. Die Stege des Stadthafens sind verwaist. Nur am allerersten schaukelt noch ein kleines Boot im leichten Ostwind vor sich hin. Es ist das Gewinnerboot der letzten Mini-Transat, einer besonders anspruchsvollen Regatta von der französischen Atlantikküste über die Kanaren in die Karibik. Jetzt heißt das Boot "Vorpommern" und gehört Lennart Burke. Mit der "Vorpommern" geht der gebürtige Stralsunder im kommenden Jahr bei der Mini-Transat an den Start: "Ich hab mich jetzt in diesem Jahr schon qualifiziert. Ich hab mich sogar nicht nur qualifiziert, sondern bin zweimal auch aufs Podium gefahren, und das hätte ich mir nicht in meinem ersten Jahr vorstellen können."
Der jüngste von 90 Teilnehmern
Viele Segelexperten auch nicht. Lennart Burke ist mit 22 Jahren einer der jüngsten der insgesamt 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Und jetzt sogar einer der Favoriten bei dieser ungewöhnlichen Regatta: "Wir sagen auch gern immer, das Boot steht für Minimalismus pur. Es geht komplett back to the basics, also wir navigieren nur mit Papierseekarten und GPS-Gerät. Kommunikation ist auch nicht erlaubt. Wir dürfen uns nicht beraten lassen vom Festland oder so während der Regatta. Das heißt, Boot und Mensch sind gefragt und stehen alleine da. Man darf ja auch nicht vergessen, was für Umstände das mit sich bringt, wenn man so schnell auf so kleinen Booten ist. Viele Geräusche und harte Schläge, und etwas kann sehr schnell zu Bruch gehen, wenn man so eine hohe Last und Geschwindigkeit hat."
Für den Hobbysegler ist eine Atlantiküberfahrt an sich schon abenteuerlich. Dem Profi geht es um noch viel mehr. Die Mini-Transat ist schließlich eine Wettfahrt! Der Schnellste hat es beim letzten Mal in nur drei Wochen geschafft. "Im Rennmodus geht man noch mal weiter an die Grenzen des Technischen und reizt noch mal ein bisschen mehr diese Boote aus. Das finde ich halt super interessant zu sehen, was kann man aus so einem Boot noch rausholen, wie kann ich die Segel am besten trimmen, um noch mal einen halben Knoten rauszuholen, welche Segel fahr ich, um richtig schnell bei bestimmten Bedingungen zu sein. Man beschäftigt sich einfach noch viel mehr mit dieser Materie."
Segelboot speziell präpariert
In der Spitze kommt er auf 20 Knoten, das sind knapp 40 km/h. Um die zu schaffen, ist an Deck alles auf optimale Bedienbarkeit ausgelegt. Lennart Burke hat sein Segelboot speziell präpariert. Auf dem Schiffskörper sind neben den zahlreichen bunten Leinen für die Segel Zahlen und Striche gemalt. Damit kann er auf einen Blick erkennen, wie weit er die Leine jeweils angezogen hat. "Hilfestellungen sollte man sich so viele wie möglich setzen und so viel Markierungen wie möglich setzen, verschiedene Farben bei den Leinen auch nutzen, weil, man darf nie vergessen, man ist da draußen ja auch alleine und unterliegt sehr hohen Belastungen und Schlafmangel und dann kann man auch nicht mehr so gut denken. Je einfacher du das Boot hältst, desto besser hilft dir das dann auch, wenn du nicht mehr ganz klar im Kopf bist."
Damit die Seglerinnen und Segler während der Regatta wenigstens ab und zu ein wenig schlafen können, gibt es einen Autopiloten. Er hält das Boot auf Kurs und ist eines der wenigen technischen Hilfsmittel, die an Bord erlaubt sind. "Aber man sollte es nicht länger als 20 Minuten machen. Denn du kannst nicht weiter vorausschauen als 20 Minuten. Du schaust dich einmal um, gehst 20 Minuten schlafen, kommst raus und dann kann schon wieder eine Meile weiter ein Fischer oder so sein, den du vorher nicht gesehen hast. Und der Wind kann sich auch wieder ändern. Maximal 20 Minuten und dann ändert sich schon wieder was von den Bedingungen, sei es das Wetter oder der Verkehr oder sonstiges."
Sonstiges – wie zum Beispiel die Konkurrenz. Wenn er die in Sichtweite hat, ist an Schlaf nicht zu denken, sagt Lennart Burke. Dann muss er dranbleiben, Tempo machen, nicht abfallen. Da kann es schon mal vorkommen, dass er zwei Tage lang überhaupt nicht schläft.
Wenn er schläft, dann unter Deck. Lennart öffnet eine Luke und gibt den Blick frei auf einen Raum, nicht viel größer als ein Kleiderschrank. "Wenn man reinguckt, erkennt man fast nur Segel. Das ist wirklich der Hauptbestandteil des Bootes. Wir haben viele verschiedene Segel, ein paar Sicherheitssachen. Dann würde jetzt nur noch Wasser und Essen an Bord kommen. Mehr haben wir wirklich nicht. Ich habe keinen Schlafsack, ich hab keine Matratze, keine Küche, gar nichts. Gegessen wird gefriergetrocknetes Essen, wie man das von Astronauten kennt oder von Bergsteigern. Und das essen wir dann auch direkt aus der Tüte und brauchen daher auch keine Schalen oder so. Ich hab nur zwei Löffel an Bord."
Kaffee als einziger Luxus
Einziger Luxus: Kaffee. Der muss einfach sein. Dafür wird Lennart Burke einen kleinen Gaskocher mitnehmen. Die Körperpflege erfolgt durchs "Kübeln". Also einen Eimer Atlantikwasser schöpfen und über den Kopf gießen.
Ende September nächsten Jahres startet die Mini-Transat. Dann beginnt das bislang größte Abenteuer im Leben des 22-jährigen Lennart Burke. Hofft er zumindest. Denn trotz lokaler Sponsoren und finanzieller Unterstützung seitens der Hansestadt Stralsund hat er immer noch nicht genügend Geld beisammen, um seinen Traum verwirklichen zu können.