Bettina Klein: Der Minister-Marathon im Deutschen Bundestag – Fortsetzung folgt heute. Nach der Regierungserklärung der Kanzlerin gestern und der Rede des Außenministers kommen heute nun der Reihe nach die nächsten Kabinettsmitglieder dran, um ihre Pläne für die kommende Legislaturperiode vorzustellen. Allen voran Sigmar Gabriel, der seine Energiewende noch einmal erklären will, bevor er dann die Landesminister zu sich bittet.
Am Telefon ist Torsten Albig, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein von der SPD, ein Bundesland, das sich der Windenergie durchaus verschrieben hat. Ich grüße Sie, Herr Albig.
Torsten Albig: Guten Morgen aus Kiel!
Klein: Herr Albig, Sie geben dem Deutschlandfunk ein Interview heute Morgen. Wir freuen uns darüber, fragen uns aber und jetzt auch Sie: Ist das Signal an den Minister Gabriel jetzt Kompromissbereitschaft, oder wir bestehen darauf, dass die Pläne geändert werden?
"Es muss eine Reform des EEG geben, da gibt es gar keinen Zweifel"
Albig: Na ja, erst mal ist es Reaktion auf Ihre Bitte, mit mir eins zu führen ...
Klein: Unbedingt!
Albig: ... und die Gelegenheit zu nutzen, noch mal zu erklären, worum es geht. Es geht darum, dass wir das Ziel der Bundesregierung ja alle gemeinsam zum Erfolg führen wollen. Es muss eine Reform des EEG geben, da gibt es gar keinen Zweifel. Das EEG war ein sehr erfolgreiches Instrument bei der Einführung, bei der Implementierung erneuerbarer Energien in Deutschland. Aber jetzt muss es angepasst werden. Wir haben Überförderung im System, wir haben eine zu hohe Kostendynamik für die Verbraucher und für die Unternehmen im System. Das müssen wir ändern und ich glaube, wir können das auch ändern. Aber wir werden es erfolgreich nur hinbekommen, wenn das, was der Koalitionsvertrag auch verspricht, wir es gemeinsam, Bund und Länder gemeinsam machen und nicht der Bund glaubt, dass er uns das vorlegt und wir nicken einfach nur.
Klein: Herr Albig, geben Sie uns ein Beispiel. Was muss aus Ihrer Sicht in jedem Falle an den Plänen geändert werden?
Albig: Wenn wir es wirklich wollen, dass die Kostenlast aus dem EEG für die Verbraucher und für die Unternehmer niedriger wird, dann müssen wir uns die Struktur angucken und sagen, wer trägt heute zur Kostenerhöhung bei, wer trägt zur Kostensenkung bei. Und dann stellen wir fest, dass in dem Moment, wo wir eine Struktur hätten von erneuerbaren Energien, wie mein Land sie hat, also insbesondere Windenergie, die an Land produziert wird, dann hätten wir gar keine Debatte über das EEG, weil dann wären die Kosten ungefähr drei Cent niedriger. Dann hätten wir das Telefon heute gar nicht, weil keiner würde sich aufregen. Das liegt daran, dass wir Onshore-Wind heute schon zu Kosten produzieren können, die unter denen konventioneller, also Kohle- und Gaskraftwerke herstellen können. Wenn ich also erfolgreich sein will, darf es keinen Impuls geben, der genau diesen Kostensenker beschränkt – nicht nur, weil das für mein Land blöd wäre oder für die, die Windenergie erzeugen; natürlich ärgern die sich, wenn sie weniger Geld bekommen, aber das kann in der Tat, da hat die Bundeskanzlerin ja völlig recht, nicht die Triebfeder sein -, sondern weil es schlecht wäre für das, was Sigmar Gabriel und die Bundesregierung möchte, nämlich die Kosten senken. Das wollen wir auch.
Albig will "System über veränderte Vergütungswerte steuern"
Klein: Aber, Herr Albig, im Klartext heißt das: Sie wollen, dass die Kürzung bei den Förderungen der Windenergie zurückgenommen wird? Bringen wir es doch mal auf den Nenner.
Albig: Nein, das ist gar nicht richtig. Die Kürzungen, dass wir die Vergütungssätze kürzen, das haben wir selber schon letztes Jahr Herrn Altmaier vorgeschlagen. Das ist ein schwerer Einschnitt natürlich für alle, die fördern. Was wir nicht wollen ist, dass wir einem Markt, der sehr dynamisch funktioniert – ich erwarte, dass allein in diesem Jahr rund 1,4 Gigawatt nur in meinem Land zugebaut werden -, dass wir diesem Markt meinen, über ein staatliches System von Vorgaben Ausbauziele, Mengenziele zu geben - das funktioniert in Staatswirtschaften nicht, das funktioniert schon gar nicht in einer Marktwirtschaft -, sondern dass wir das System in der Tat steuern über veränderte Vergütungswerte. Über die müssen wir miteinander reden, welches sind die richtigen, aber da gibt es keinen Dissens, dass wir das machen müssen. Aber wer glaubt, bei 200 Gigawatt ist Schluss, der wird feststellen, er wird sein Ziel nicht erreichen, gleichzeitig aus der Atomenergie auszusteigen und ein Klimaziel mit weniger CO2 zu erreichen. Der wird scheitern und der wird teuerer werden.
Klein: Noch mal konkret ein Beispiel. Welches Steuerelement muss raus aus den Plänen von Herrn Gabriel und wodurch ersetzt werden?
Albig: Das Steuerelement, das gar keines ist, muss raus, dass man einen sogenannten atmenden Deckel einführt, dass der Staat sagt, wenn mehr als 2,5 Gigawatt zugebaut werden im Bereich Wind Onshore, dann hat das nächste Kraftwerk Pech gehabt, das danach kommt. Das haben wir schon im Sozialismus erlebt, dass so was nicht funktioniert; das funktioniert in einer Marktwirtschaft schon mal gar nicht, sondern wir müssen es ersetzen durch Preissteuerungen und bei den Vergütungen herangehen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ein weiterer Punkt ist, dass man in 2017 komplett eine Ausschreibungslösung will, jeder muss sich bewerben. Das ist für einen Markt, der mittelständisch funktioniert – das ist ja keine große Industrie, die bei uns die Windräder bauen, sondern ganz, ganz viele kleine -, die wären auf einmal im Wettbewerb mit irgendeinem spanischen Hedgefonds. Wollen wir das? Ich will das nicht. Das ist schlecht für unsere deutsche Volkswirtschaft. Darüber müssen wir reden.
"Alles was Wind beschädigt, macht EEG teurer"
Klein: Herr Albig, gerade haben Sie kritisiert, das ist so ein Stück Sozialismus, was eingeführt werden soll. Auf der anderen Seite beklagen Sie jetzt, da wird zu viel Wettbewerb den Unternehmen abverlangt. Was Gabriel ja offenbar nach eigenem Bekunden unbedingt will ist, mehr marktwirtschaftliche Elemente einzuführen. Das heißt, zum Beispiel die Stromanbieter müssen sich selber um ihre Preise bemühen. Weshalb sind Sie dagegen?
Albig: Marktwirtschaft ist sehr richtig und gut. Deswegen muss man über Preise steuern, sodass jeder weiß, was erwartet ihn und geht er zu den Preisen an den Markt. Marktwirtschaft ist es nicht, wenn ich Mengenziele vorgebe. Das ist das Gegenteil von Marktwirtschaft. Da glaubt eine Bürokratie, es besser zu wissen als der Markt. Wenn wir dann in das System gehen und sagen, bewirbst Du Dich um irgendeine Fläche, und nicht, hältst Du das für erfolgreich, betriebswirtschaftlich, was da passiert mit den Fördersätzen, die es gibt, sondern bewirbst Du Dich und Du hast Genossenschaften wie in Schleswig-Holstein und die treffen auf einmal auf große Finanzinvestoren, die europaweit ausschreiben, dann wirkt das so, als wäre es Marktwirtschaft, tatsächlich verdrängt es eine mittelständische Struktur von Markt in Deutschland, wie wir ihn haben. Allein in meinem Bundesland fast 10.000 Arbeitsplätze, die daran hängen. Ein Markt, der muss dann auch so funktionieren, dass unsere Marktakteure da mitmachen können. Wenn das nicht passiert, wird es teurer für das System. Alles was Wind beschädigt, macht EEG teurer und macht damit die Stromrechnung teurer, entweder direkt im EEG, oder weil man umswitchen muss auf teuere Kohle- und Gasenergie.
Klein: Herr Albig, im Ergebnis versuchen Sie doch aber, die Windenergie-Branche in Ihrem Bundesland zu schützen. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie sich vehement dem Ausbau der Förderung der Windenergie verschrieben. Wenn sich Politiker vehement für die Interessen einer Wirtschaftsbranche einsetzen, dann nennt man das normalerweise Klientel-Politik. Damit haben Sie aber kein Problem?
Albig: Ausstieg aus der Atomenergie geht nur mit Windenergie
Albig: Nein, weil es ja auch nicht stimmt. Ich kann jetzt nichts daran ändern, dass ich Ministerpräsident von Schleswig-Holstein bin. Aber Sie können nichts daran ändern, dass meine Argumente welche sind, die Herrn Gabriel helfen, der Bundesregierung helfen. Wer die Ziele der Bundesregierung, Ausstieg aus der Atomenergie, Senkung von CO2 und Senkung der Kosten, erreichen will, der wird das nur mit Wind und nicht gegen Wind erreichen, und von daher passt es nun zufälligerweise glücklich zusammen, dass ich mich für meine Windmüller einsetze, diese Windmüller aber der Schlüssel sind für die Tür, durch die die Bundesregierung gehen muss, wenn sie Erfolg haben will.
Klein: Meine Frage zielt so ein bisschen dahin, dass ja Kritik an den Plänen von verschiedenen Bundesländern kommt und jedes Bundesland natürlich eine eigene Branche auch schützen und stärken will und nicht allen geht es dabei um Windenergie. Den Südländern geht es zum Beispiel eher um den Anbau, die Förderung von Biomasse. Wenn man sagt, das Gesetz muss reformiert werden, muss man ja irgendwo anfangen, und im Augenblick klingt das so ein wenig nach Sankt-Florians-Prinzip: Bitte ändert was, aber bitte nicht bei mir.
Albig: Ich sehe, dass ich noch nicht ganz durchgedrungen bin mit meinem Argument. Das Argument ist nicht so sehr, ich stelle mich schützend vor meine Windmüller, weil da darf sich nichts verändern. Wir wissen, dass sich was verändern muss. Das Argument ist: Wenn Du Erfolg haben willst, 100 Terawattstunden Atomstrom zu kompensieren, wenn Du Erfolg haben willst, CO2 bis 2030 dramatisch zu senken, und wenn Du das EEG günstiger machen willst, dann wirst Du nur Erfolg haben, wenn Du auf die günstigste Energie, die wir heute haben – und das ist dann kein Lobby-Argument, sondern ein nachvollziehbares wissenschaftliches Argument -, dann geht das nur, wenn Du das mit Wind Onshore machst. Alles was Du dort tust, um es zu beschränken, wird das Ziel der Bundesregierung gefährden, das möchte ich natürlich nicht, und von daher möchte ich auch keine irrationalen Eingriffe in einen Markt, der gut funktioniert, und darüber werden wir sicherlich fröhlich argumentieren und streiten mit der Bundesregierung, aber auch, damit sie ihr Ziel erreicht, denn das was wir heute an Vorschlägen haben, wird am Ende eine teuere Stromrechnung für die Verbraucher bedeuten, und das wollen wir alle nicht.
Klein: Gut, und wir werden abwarten müssen, wohin diese Verhandlungen darüber gehen, ob tatsächlich ein Vermittlungsausschuss noch eingesetzt werden wird oder ob die Bundesregierung da an ihrem Zeitplan festhalten kann. Ich bedanke mich zunächst mal für das Gespräch. Das war Torsten Albig, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, heute Morgen im Deutschlandfunk.
Albig: Sehr gerne.
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