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Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma
"Lettlands Merkel" ist zurückgetreten

Laimdota Straujuma war die erste Frau an der Regierungsspitze der Ostsee-Republik Lettland. Gestern hat sie das Handtuch geworfen und ist zurückgetreten. Und die lettischen Regeln wollen es so: Mit ihr muss nun auch die gesamte Regierung des baltischen EU- und Nato-Landes gehen. Kritik an ihrer Amtsführung war immer häufiger zu hören.

Von Björn Dake | 08.12.2015
    Die zurückgetretene Ministerpräsidentin Lettlands Laimdota Straujuma.
    In Lettland wurde schon länger über einen Rücktritt spekuliert - vor allem in ihrer eigenen Partei "Die Einheit". Straujuma beklagte sich öffentlich über eine Kampagne. (dpa / picture-alliance / Stephanie Lecocq)
    "Sehr geehrte Anwesende, hoch geehrter Herr Präsident. Ich informiere sie hiermit, dass die Regierung zurücktritt."
    Laimdota Straujuma ringt um Fassung. Ihre Stimme stockt, in ihrer kurzen Ansprache verhaspelt sie sich immer wieder. Ihre Mundwinkel hängen herab. Dunkle Augenringe sind zu sehen. Sie wirkt müde.
    Atemlos zählt die 64-Jährige im Präsidentenpalast in Riga die Verdienste ihrer Regierung auf. Verweist auf die erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft in den ersten sechs Monaten des Jahres und die bessere Wirtschaftslage.
    "Der Staat ist in einer guten Lage. Ich bin der Meinung, dass jetzt neue Ideen nötig sein. Ein neuer Beitrag, neue Energie, mit der die angefangene Arbeit fortgesetzt werden kann."
    In Lettland wurde schon länger über einen Rücktritt spekuliert - vor allem in ihrer eigenen Partei "Die Einheit". Straujuma beklagte sich öffentlich über eine Kampagne. Bei einem Parteikongress am Wochenende war dann aber kein Wort mehr zu hören von einem Rücktritt. Zumindest nicht offiziell. Doch Journalisten in Riga waren sich einig: Mit diesem Rücktritt ist es wie mit dem Winter in diesem Jahr: Wir wissen nicht wann er kommt, aber ganz plötzlich ist er da.
    Die konservative Politikerin ist die erste Regierungschefin ihres Landes. Vor knapp zwei Jahren rückte sie aus dem Landwirtschaftsministerium an die Spitze der Regierung auf. Mit einem anti-russischen Wahlkampf gewann sie die Wahlen vor gut einem Jahr.
    Straujuma gilt als bodenständig, analytisch denkend, auf den Kompromiss bedacht. Die Medien in ihrer Heimat nennen sie die Angela Merkel Lettlands. Mit einem großen Unterschied: Straujuma fehlt die internationale Erfahrung.
    Kapitalspritze für den Staat
    Für Unverständnis sorgte zuletzt die Entlassung des Transportministers. Straujuma warf ihm vor, die staatliche Fluglinie Air Baltic nicht richtig beaufsichtigt zu haben. Nach langen Diskussionen machte das lettische Parlament in der vergangenen Woche den Weg frei für eine Kapitalspritze des Staates und den Einstieg des deutschen Investor Montag-Girmes.
    Dazu kommen Probleme bei der Umsetzung des Haushaltsplans. Und auch ein Streik der Lehrer hatte den Druck erhöht.
    Staatspräsident Vejonis sieht politische Machtspiele als Grund für den Rücktritt.
    "In der letzten Parlamentswahl haben die Wähler der Koalition und dem Parlament die Gelegenheit gegeben zugunsten des Landes zu arbeiten. Es muss leider gesagt werden, dass diese Gelegenheit nicht genutzt wurde - aufgrund der innenpolitischen Streitigkeiten."
    Die drei Parteien der alten Mitte-Rechts-Regierung
    Wie es jetzt in Lettland weiter geht, ist noch nicht klar: Bildet sich eine neue Regierung? Kommt es zu Neuwahlen? Staatspräsident Vejonis kündigte an, in den nächsten zwei Tagen mit allen sechs im Parlament vertretenen Parteien das Gespräch zu suchen.
    "Ich rufe sie auf das sehr durchdacht aber auch zielstrebig zu tun. Es ist nicht die Zeit, lange zu warten. Die Innenpolitik hat uns in diese Krise gebracht, aber wir müssen auch die Außenpolitik beachten: Die Sicherheitslage in Europa, die Flüchtlingsfrage und alles andere. Wir brauchen deshalb eine funktionstüchtige Regierung."
    Ende der Woche sollen die Parteien nacheinander ihre Vorschläge für eine neue Regierung präsentieren. Als Erstes kommt die Partei "Harmonie" an die Reihe, die vor allem von der russischen Minderheit in Lettland unterstützt wird.
    Es spricht aber viel dafür, dass die drei Parteien der alten Mitte-Rechts-Regierung auch die Neue stellen werden. Als möglicher neuer Regierungschef wird der bisherige Innenminister Kozlovskis gehandelt. Straujuma nennt ihn als ihren Favoriten als Nachfolger. Er sei jemand, der die Dinge in den Griff bekomme.