Vor der Fakultät für Mathematik an der TU München steht eine junge Frau mit schwarzer Lederjacke.
"Hallo, ich bin Corinna aus Garching, 16 Jahre alt."
Corinna, Schülerin des Werner-Heisenberg-Gymnasiums, hat heute ihren Universitäts-Tag.
"Also es ist schon ein großer Aufwand, man ist halt blockiert. Aber ich finde, das ist es wert. Ich freue mich, hier zu sein."
Die Elftklässlerin ist eine von 27 Teilnehmern des TUM-Kollegs 2019. Vor dem Mathematik-Hörsaal erwartet ein Uni-Mitarbeiter die Schüler.
"Guten Morgen zusammen. Ich begrüße Sie in der Mathe-Fakultät. Mein Name ist Frank Himstedt. Ich werde Sie heute durch den Tag begleiten. Los geht es mit einer Vorlesung des Vorkurses von 9.30 bis 11 Uhr."
Förderung für begabte Schülerinnen und Schüler
Das Programm ist anspruchsvoll, aber die Schülerinnen und Schüler - wie der 16 Jahre alte Alexi – fühlen sich nicht überfordert.
"Nein, eigentlich nicht. Es ist einfach gehalten. Klar, man muss sich dafür interessieren. Mit harter Arbeit kann man das schaffen. Bis jetzt ist es relativ einfach."
Das TUM-Kolleg ist ein Förder-Programm für Schülerinnen und Schüler, die besonders begabt in Naturwissenschaften und Technikfächern sind, erklärt Jutta Möhringer, Studien-Dekanin an der "TUM School of Education". Sie hat das TUM-Kolleg vor zehn Jahren miterfunden.
"Es ist ein Kooperations-Projekt zwischen der TU München und zwei Gymnasien im Münchner Umland. Das Ziel ist, Schülerinnen und Schüler im MINT-Bereich zu fördern. Es gibt ein Auswahl-Verfahren. Die Schüler bewerben sich mit Lebenslauf, persönlichem Motivationsschreiben und Zeugnissen. Vor allem müssen sie uns in einem Gespräch begründen, warum sie die Richtigen sind. Weshalb sie für MINT-Fragen brennen. Warum sie Lust haben, sich mit aller Anstrengungsbereitschaft in so ein Programm zu begeben."
Alle dürfen ein eigenes Forschungsprojekt durchführen
Das TUM-Kolleg erstreckt sich über zwei Jahre und besteht aus mehreren Phasen. Zuerst gehen die Schüler einmal pro Woche an verschiedene Uni-Fakultäten und lernen dort Lehrbetrieb und Forschungsmethoden kennen. Außerdem besuchen sie Firmen und machen Exkursionen – auch ins Ausland.
"Und dann, im zweiten Teil – ein Jahr lang – dürfen sie sich in einem Fach vertiefen, je nach Interesse. Jede wird einem Lehrstuhl zugewiesen. Und dort dürfen sie ein Forschungsprojekt durchführen."
So wie Gymnasiast Elias Hanser, 18 Jahre alt. Sein Forschungsvorhaben könnte fast als Master-Arbeit durchgehen.
"Im Grunde genommen geht es hier um den Nachweis von dunkler Materie. Ich versuche ein Dunkle-Materie-Teilchen nachzuweisen. Falls es denn existiert."
Um das herauszufinden, baut Elias im Tieftemperatur-Labor des Physik-Lehrstuhls ein aufwändiges Experiment.
"Hier hat man natürlich Forschungsgelder, mit denen man diesen Aufbau finanzieren kann. Der Lehrstuhl hat wahrscheinlich schon 3.000 Euro für mich ausgegeben. An der Schule wäre so eine direkte Förderung nicht möglich."
Elias weiß schon ziemlich genau, was er nach dem Abitur studieren will.
"Auf jeden Fall Physik. Wahrscheinlich auch noch Mathe. Nebenbei."
Mathe nebenbei. Das sagt Elias ganz ohne Arroganz. Mit seiner Höflichkeit und Zielstrebigkeit hat er am Physik-Lehrstuhl bereits viele Professoren begeistert. Und auch Markus Stöckle, den TUM-Kolleg-Betreuungslehrer am Otto-von-Tauber-Gymnasium Gauting.
"Es sind außergewöhnliche Kinder, voller Wissensdurst. Die konnten bisher nicht ausreichend gefördert werden, die konnten nicht den Anspruch leben, den sie an sich selbst haben. Und dafür ist das ein wunderbares Projekt."
"Wir wollen im MINT-Bereich ein Zeichen setzen"
170 TUM-Kolleg-Absolventen gibt es bisher. Einige haben Preise bei "Jugend forscht" gewonnen und sogar Patente angemeldet. Für die 16-Jährige Corinna ist das Wichtigste aber, frühzeitig Uni-Luft zu schnuppern.
"Ich möchte mir alle Unis anschauen, auch für mein späteres Studium. Damit ich mich dann entscheiden kann. Das ist ein Vorteil."
Corinnas Eltern sind Informatiker. Sie unterstützen das MINT-Interesse ihrer Tochter.
"Ja, auf jeden Fall. Die haben mir auch geraten, das Programm zu machen."
Informatikerin will Corinna allerdings nicht werden. Ihr schwebt eher eine Ingenieurs-Karriere vor.
"Maschinenbau. Das wird in der Zukunft immer wichtiger, da ist es auch am sichersten, einen Job zu bekommen. Und dann auch Entwicklungen mitzugestalten."
Für Jutta Möhringer, die TUM-Kolleg-Dekanin, ist es nicht wichtig, dass die Schüler später an der TU München studieren. Aber:
"Wir wünschen uns, dass sie alle im MINT-Bereich bleiben. Das ist ein hoher Anspruch, den wir auch mit über 80 Prozent bei den Alumni erreichen. Darüber sind wir sehr glücklich. Wir wollen im MINT-Bereich ein Zeichen setzen."