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MINT-Sommeruniversität
"Ich bin wohl schon der offizielle Klassennerd"

Die bunte Welt der Atome, Neurobiologie oder der Klimawandel sind einige der Themen, mit denen sich Schülerinnen und Schüler bei der Sommeruniversität der FU Berlin befassen. Ab Klasse zehn darf man mitmachen und eine Woche Ferien im Hörsaal verbringen.

Von Anja Nehls |
    Laborgefäße, wie Glaskolben und Messzylinder, mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten
    Mit der MINT-Sommeruni sollen Schüler für Naturwissenschaften und Mathematik begeistert werden (dpa / Michael Rosenfeld)
    In einem kleinen Hörsaal der Freien Universität Berlin projiziert Professor Rainer Haag die Darstellung eines komplizierten und vielfach verästelten Moleküls an die Wand. Es geht um "Multivalente Nanosysteme zur Blockade von Pathogenen". Alles klar? Eigentlich ganz einfach, meint Haag und zieht ein paar Kletten aus der Hosentasche:
    "Die Häkchen, die an den Kletten sitzen, das sind die Häkchen, die wir brauchen, um an andere Moleküle oder an die Virusoberfläche anzudocken."
    Gut 50 Schüler, überwiegend Mädchen, aus Berliner und Brandenburger Gymnasien hören aufmerksam zu. Während einer Woche Sommeruni beschäftigen sie sich mit seltenen Erden, Neurobiologie, App-Programmierung, theoretischer Physik, künstlicher Intelligenz und eben Molekülen, die an Viren andocken. Warum? Weil es Spaß macht:
    "Bei mir in der Klasse ist so, dass ich eben schon eine Ausnahme bin, weil ich eben Mathe und Physik offen mag. - Ich mag Chemie und Biologie sehr und ich will ja auch irgendwas damit machen. - Ich bin halt extrem chemie-begeistert, also ich habe zum Beispiel meine MSA-Prüfung in Chemie gemacht. - Also ich interessiere mich persönlich sehr für Krankheiten und wir hatten auch viel im Biologie-Unterricht an der Schule über Viren und Bakterien."
    Mal so richtig Bio lernen
    Und deshalb ist es hier auch für niemanden ein Problem zu folgen, als der Professor so richtig loslegt:
    "Und das hier ist einfach der natürliche Ligand, den die Natur entwickelt hat um so eine Wechselwirkung zu machen. Sialyl-Lewis X heißt das, das sind vier Zuckermoleküle. Jeder Ring ist ein Zuckermolekül und jeder von den vier Zuckern hat natürlich eine bestimmte Funktion bei der Wechselwirkung."
    Es geht um Polymere, Leukozyten, Antikörper, Zellen, Rezeptoren und Moleküle, die Krankheitserreger ausschalten. Die 16-jährige Franziska Hömke erklärt, woran der Professor gerade forscht:
    "Wenn man zum Beispiel durch einen Virus krank wird, dann liegt das daran, dass ein Virus sich wie eine Klette an eine Zelle geheftet hat und dann in die Zelle aufgenommen wird, und davon wird man dann krank. Das muss jetzt verhindert werden. Dafür haben die etwas entwickelt, was diesen Virus, das kann man auch bei Bakterien machen, was das wie Einwickelpapier einwickelt. Und dann kann dieses eingewickelte Virus nicht mehr in die Zelle aufgenommen werden, und wenn es nicht mehr in die Zelle aufgenommen wird, dann wird man auch nicht mehr davon krank."
    Nerd - und stolz darauf
    Der Professor nickt, die anderen Schüler auch. Niemand hier scheint mit der Thematik überfordert zu sein:
    "Ich habe einen Chemielehrer, der sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass man gerade die Polymere und all diese Geschichten versteht. - Es erscheint mir einfach logisch mit meinem schon vorhandenen Wissen."
    Dass fast alle hier in den naturwissenschaftlichen Fächern eins oder im schlechtesten Fall zwei stehen, erscheint dann ebenfalls logisch. Dass sie auch an ihren Schulen etwas Besonderes sind, auch. Aber das ist hier für niemanden ein Problem:
    "Und insofern bin ich wohl schon der offizielle Klassennerd. Also bei uns in der Klasse ist das kein Schimpfwort. Also bei uns in der Schule hat sich zumindest in meiner Klasse eher so die 'Nerd und stolz darauf'-Bewegung durchgesetzt, dass man eben sagt: Ja, ich bin gut in der Schule, ja, ich mag MINT-Fächer, na und?"