"Nachdem er die Probe so gut bestanden hat, bleibt das Ringelspiel stehen, der Schwindel lässt nach, und alles bleibt beim alten." Die gespielte Einfallslosigkeit des Autors fordert den Leser, will er das Buch nicht sofort weglegen, zum Weiterdichten und Weiterdenken heraus. Beiträge zur geselligen Unterhaltung sind Örkenys Novellen gerade deshalb, weil sie zu keinem Ende kommen. Im Grunde ist Örkeny ein poetischer Herrnhuter, dessen Glaubensbekenntnis es zulässt, dass jeder Priester, dass jeder Dichter ist - jeder seiner Freunde soll mitdichten.
Ganz so generös, wie es scheint, ist freilich Örkeny seinen Hörern gegenüber dann doch nicht. Immer wieder blockiert er das Nachdenken, mit dem sie gerade beginnen wollen, indem er, ein intellektueller Harlekin, seine Geschichte ins Absurde treibt. Die Alltagsszenen, die erfolglosen Wechselreden der kleinen Leute, die sich begegnen wie die Wagen beim Autoskooter: sie stupsen sich an und kommen sich doch nicht näher - diese scheinbaren Beiläufigkeiten sind ein Spiegel der Geschichte, die in der Generation des Autors durch so manches Schreckszenarium führte. Als Jude diente Örkeny in einem Arbeitsbataillon an der russischen Front und geriet in Kriegsgefangenschaft. 1956 erhielt er noch einmal Schreibverbot. Die Anthologie seiner Minutennovellen gliedert sich in Kapitel, die den Etappen dieses wechselvollen Lebens folgen: in Krieg, Judenverfolgung, Auferstehung des Ostens im Sozialismus, in den Budapester Alltag.
Klage, Mitleid und Moral, die bei diesen politischen Themen so nahe lägen, braucht Örkeny nur, um sie zu übergehen. Der Polsterer F. N. etwa, der so leidenschaftlich gern Geisterbahn fährt, könnte sehr wohl in den dunklen Schächten die Erinnerung an die Schrecken der Internierung und Folterung suchen, die er als Jude hatte erdulden müssen, nur weil ein Sofa mit einem Überzug bespannt hatte, der etwas der amerikanischen Flagge glich. Allerlei Vermutungen über seine perverse Lust gibt denn auch zunächst der Autor hin, bis er sich endlich an den Polsterer selbst wendet: "Wenn wir ihn selber fragen, stellt sich heraus, daß er sich nicht gruselt und auch nicht lächelt. Er setzt sich ganz einfach deswegen immer wieder in die Geisterbahn, weil hier eine Reihe alter Geschichten aus seiner Erinnerung auftaucht, über die er nachdenkt. Es fallen ihm Wünsche und Hoffnungen ein, vergangene Lieben, die verflogene Jugend und warum er nur jenen gestreiften Überzug ausgesucht hat, wo doch der mit dem Blumenmuster genauso schön gewesen wäre."
Örkenys Zynismus besteht nicht aus einer ausdrücklichen Zurückweisung der Moral; seine Reserve gegen die Normalität, mit der moralisch reagiert wird entspringt vielmehr einer Erfahrung mit dem menschlichen Kopf. Diese gerinnt ihm zur Psychologie der Vergesslichkeit. Sich nicht zu erinnern, ist Glück, sich nicht auf Handlungen und Worte anderer einzulassen, heißt leEentoie Minutennovellen erzählen von den Minuten, in denen die Menschen aneinander und an der Wirklichkeit vorbeisehen und gehören deshalb, bei aller oberflächlichen Harmlosigkeit des Sujets, wie alle guten Novellen in die Sparte des schwarzen Humors.