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Missbrauch im Sport
"Müssen von einer großen Dimension ausgehen"

Der sexuelle Missbrauch im Umfeld des Sports könnte ähnliche Dimensionen haben wie in der Kirche, sagte Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch, im Dlf: "Das Verweisen darauf, es handele sich um Einzelfälle, ist der Versuch, es auszublenden."

Sabine Andresen im Gespräch mit Matthias Friebe |
Von links nach rechts: Peer Briken und Brigitte Tilmann aus der Aufarbeitungskommssion, Hjördis E. Wirth vom Betroffenenrat und die Kommissionsvorsitzende Sabine Andresen. Andresen hält ein Exemplar des Berichts in die Kamera.
Die Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Sabine Andresen (hier rechts im Bild) (dpa/Jörg Carstensen)
Triggerwarnung:
Im folgenden Interview werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für die Betroffene geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Der sexuelle Missbrauch im Umfeld des Sports könnte ähnliche Dimensionen haben wie in der Kirche. Davon geht Sabine Andresen aus. Die Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch sagte im Deutschlandfunk: "Ich denke, wir müssen von einer großen Dimension ausgehen und wir müssen deswegen auch auf das System gucken. Das Verweisen darauf, es handele sich immer nur um Einzelfälle, ist der Versuch, auszublenden und das nenne ich ein verantwortungsloses Verhalten."
Ab Montag ruft die Kommission Betroffene aus dem Sport auf, sich zu melden und in vertraulichen Anhörungen ihre Geschichte zu erzählen. Der Sport biete vielfältige Gelegenheiten für sexuelle Übergriffe vor allem durch körperliche Nähe etwa bei Hilfestellungen, die es Täterinnen und Tätern möglich machten, ihre Strategien anzuwenden, erläuterte Andresen den Grund für den Aufruf an Betroffene aus diesem Umfeld. "Wir haben Forschungsergebnisse wie aus 'Safe Sport', in der deutlich geworden ist, dass etwa jeder dritte Athletin und Athlet Erfahrung gemacht hat mit sexueller Gewalt."
Aufruf der Aufarbeitungskommission an Opfer, die sexuellen Missbrauch im Sport erfahren haben. 
Aufruf der Aufarbeitungskommission an Opfer, die sexuellen Missbrauch im Sport erfahren haben. (Aufarbeitungskommission)
Sport steht für gesamte Gesellschaft
Menschen, die etwa im Verein Gewalt erfahren hätten, erlebten, dass ihnen nicht zugehört und keine Verantwortung übernommen werde. Und damit stehe der Sport für die gesamte Gesellschaft. Die Arbeit der Aufarbeitungskommission biete Betroffenen die Perspektive: "Wir werden gesehen, wir werden gehört, und das, was wir zu berichten haben, wird anerkannt und wertgeschätzt und hoffentlich werden daraus auch in der Politik auch Schlussfolgerungen gezogen."
Der Sport dürfe sich nicht hinter Prävention verstecken, sagte die Erziehungswissenschaftlerin. "Eine gute Prävention ist darauf angewiesen, Aufarbeitung zu machen. Es gehe darum sich klarzumachen: "Welche Folgen hat sexueller Kindesmissbrauch für die gesamte Biografie des betroffenen Menschen?" Eine verpflichtende Absichtserklärung zur Aufarbeitung bezeichnete die Vorsitzende der Aufarbeitungskommission als "deutliches Bekenntnis, dass man gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und dass zu dieser Verantwortung auch eine unabhängige Aufarbeitung gehört."
1.700 Berichte in drei Jahren
Der organisierte Sport dürfe sich nicht auf die Autonomie der verschiedenen Verbände innerhalb seiner Strukturen zurückziehen, sondern müsse nach Möglichkeiten suchen, dass Aufarbeitung innerhalb dieser Strukturen möglich werde.
In den vergangenen drei Jahren hat die Aufarbeitungskommission bereits 1.700 Berichte von Betroffenen erhalten. Dabei sei es in vielen Erfahrungsberichten darum gegangen, dass das Erlittene eine gesellschaftliche Dimension bekomme. Die Möglichkeit, mit Menschen zu sprechen, die ihnen glauben, sei für Betroffene ganz zentral, schildert Sabine Andresen ihre Eindrücke der Anhörungen. Die Betroffenen meldeten sich auch, um heute Kinder und Jugendliche besser zu schützen, das sei immer wieder ein Motiv, das genannt werde. Bisher hat die Kommission den sexuellen Missbrauch im familiären Umfeld, in der Kirche und in der DDR untersucht.