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Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln
Inszenierung und kommunikatives Desaster

Ein neues Gutachten soll die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln voranbringen. Doch die Verantwortlichen in der Katholischen Kirche müssten mehr leisten, meinen Kritiker. Deutschlandfunk-Redakteurin Christiane Florin spricht von einer Inszenierung.

Christiane Florin im Gespräch mit Sebastian Wellendorf / Text: Sören Brinkmann |
Gläubige sitzen während eines Gottesdienstes in den Sitzreihen im Kölner.
Im Erzbistum Köln wird seit Jahren über die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen gestritten (dpa/ Oliver Berg)
Lange Zeit wurde um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln gerungen – und die Kritik an der Katholischen Kirche hält weiter an. Doch mit einem Gutachten, das der Strafrechtler Björn Gercke erstellt hat, soll jetzt mehr Transparenz geschaffen werden.
Bei der Vorstellung seien die Medien allerdings Teil einer Inszenierung geworden, sagte Christiane Florin aus der Deutschlandfunk-Redaktion "Religion und Gesellschaft". Es sei vor allem darum gegangen, Kardinal Woelki zu entlasten.
"So wie das jetzt hier in Köln gelaufen ist, habe ich das selten erlebt. Das Gutachten selbst kam erst mit etwas Verspätung, so dass wir das bei der PK noch nicht vorliegen hatten."

Schwierige Arbeit für die Medien

Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sei sehr begrenzt gewesen. Und auch im Vorfeld sei es schwierig gewesen, zu recherchieren, so Florin: "Ich habe mich mit einigen Fällen sehr intensiv beschäftigt – und Nachfragen zu solchen Fällen wurden dann nicht beantwortet."
Das komplette Gutachten ist auf der Internetseite des Erzbistums Köln abrufbar
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sieht die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln als kommunikatives Desaster.
"Ich hoffe, dass es gelingen wird, hier wieder Vertrauen bei den eigenen Gläubigen zurückzugewinnen", sagte Sternberg bei Phoenix.

Pflichtverletzungen an höchster Stelle

Bei den Untersuchungen der Gutachter wurde festgestellt, dass der 2017 verstorbene Kardinal Joachim Meisner für einen Großteil der Pflichtverletzungen verantwortlich sei. Auf Meisners Konto gehe ein Drittel aller festgestellten Pflichtverletzungen, nämlich 24, sagten Gercke und seine Kollegin Kerstin Stirner.
Nordrhein-Westfalen, Köln: Kardinal Rainer Maria Woelki (r), Erzbischof von Köln, kommt zu einer Pressekonferenz, um einen lang erwarteten Gutachten zu Missbrauch im Bistum Köln vorzustellen.
Sexualisierte Gewalt im Erzbistum Köln - Zwei Gutachten und viele Vorwürfe
Das veröffentliche Gutachten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln findet Hinweise auf 202 Beschuldigte und 314 Betroffene sowie Pflichtverletzungen durch den ehemaligen Erzbischof Meisner. Bei Kardinal Woelki habe man keine Pflichtverletzungen feststellen können. Ein Überblick.
Weitere Pflichtverletzungen wurden demnach bei Meisners Vorgänger Kardinal Joseph Höffner und bei ehemaligen Generalvikaren festgestellt. Den amtierenden Kölner Erzbischof Woelki treffen laut der Untersuchung keine Vorwürfe.
Unmittelbar nach der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens hat Woelki den Weihbischof Dominikus Schwaderlapp sowie den Offizial Günter Assenmacher von ihren Aufgaben entbunden.