Ian Ackley: Ich denke, es war wahrscheinlich ein vernünftiges Urteil. Es gibt zwei Möglichkeiten, es zu betrachten. Die Gesamtzahl der Jahre, die er bekommen hatte, betrug 454 Jahre. Jetzt muss er für 31 Jahre ins Gefängnis und man könnte sagen, das ist unverhältnismäßig niedrig. Ich denke, die 454 Jahre signalisieren die Bedeutung einer Größenordnung, der Bennell beschuldigt wird. Aber ich denke auch, dass 31 Jahre ein strategisches, taktisches Urteil sind, das hoffentlich sicherstellt, dass er nie wieder aus dem Gefängnis kommt und das Licht der normalen Welt erblickt. Aber auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass das für einen Präzedenzfall sorgt. Niemand, der solchen Anschuldigungen ausgesetzt war, hat jemals eine so hohe Strafe bekommen und das könnte ihm die Möglichkeit geben, wegen Unverhältnismäßigkeit in Berufung zu gehen. Das Urteil soll wohl sicherstellen, dass Bennell nie mehr aus dem Gefängnis herauskommt, aber gleichzeitig keine Berufung einlegen kann. Also meine persönliche Meinung ist, dass ein Urteil für sich stehen sollte. Seht zu, dass er nie wieder das Licht des Tages erblickt. Das ist für mich das Wichtigste.
Klaas Reese: Was bedeutet das Urteil für Sie und andere Überlebende, wenn Sie wissen, dass er nie wieder aus dem Gefängnis zurückkehren wird?
Ian Ackley: Ich denke, es ist eine Erleichterung für alle. Es fiel eine Last von Jedermanns Schultern. Und es wird auch Auswirkungen auf diejenigen Betroffenen haben, die noch nicht bei Gericht waren, kein Zweifel. Das verstehe ich. Ich denke, dass die Leute im Allgemeinen froh sind, dass es ein gutes Ergebnis war, alle Anklagen erfolgreich durchzubekommen. Es ist fantastisch. Gleichzeitig hat es für mich einen bitteren Beigeschmack. Ich freue mich sehr für die Jungs und kann mich über das Urteil nicht beklagen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, gleichzeitig erinnert es mich an die große Ungerechtigkeit, die in den neunziger Jahren begangen wurde, als ich die Untersuchung begann und ich die erste Aussage machte. Ich habe die kleine Anklage, die gegen Bennell erhoben wurde, nicht gewonnen und der Rest wurde ad acta gelegt. Ich freue mich über das Ergebnis, aber für mich ist es eine schwierige Zeit, weil es gerade gezeigt hat, wie schlecht der ursprüngliche Fall behandelt wurde.
Klaas Reese: Der Prozess bedeutet eine harte Zeit für Sie. Wie stehen Sie das durch?
Ian Ackley: Ehrlich gesagt, ich habe mich die ganze vergangene Woche in mein Haus zurückgezogen und war einfach nirgendwo und habe nichts getan. Ich habe versucht, zu Hause zu bleiben und bei meiner Familie zu sein, was vielleicht den gegenteiligen Eindruck erweckt, den ich der Öffentlichkeit vermittelt habe. Es gibt viele Medien, in denen ich aufgetaucht bin. Zeitungen und Fernsehen, aber all diese Dinge wurden vor vielen Monaten aufgezeichnet, nichts davon war aktuell. Es hat mir den Raum und die Zeit gegeben, mich um mich selbst kümmern zu können. Und ich denke, dass das für alle Überlebenden das Wichtigste ist, ungeachtet der Aufmerksamkeit, die die Medien diesem Fall bringen: Dass die Leute sich um sich selbst kümmern und sicherstellen müssen, dass es ihnen gut geht. Denn, wenn du das nicht tust, dann kannst du natürlich dem Rest des Lebens keinen Sinn geben, so dass ich die letzten Wochen damit verbracht habe, die Dinge leicht zu nehmen.
"Die Überlebenden wollen eine Entschuldigung"
Klaas Reese: Die Medien berichten über Schadensersatzforderungen. Ist das ein Punkt für Sie und andere Überlebende - könnte Ihnen Geld dabei helfen, das durchzustehen?
Ian Ackley: In mehreren Fällen wird von Entschädigung gesprochen. Ich denke, wenn Sie die Mehrheit der Überlebenden fragen, was sie möchten, werden Sie hören: Sie wollen eine Entschuldigung. Es hat sich noch niemand wirklich für die Taten entschuldigt, dafür, dass sie von Organisationen, die schützen sollten, enttäuscht wurden. Aber sie haben keine Verantwortung getragen und ihre Arme von sich gestreckt und sich nicht entschuldigt und für mich wäre das sicherlich das Wichtigste. Nicht die Entschädigung. Ich denke, die Entschuldigung von ihnen zu haben und sie zu hören, könnte helfen, damit abzuschließen. Vor allem für diejenigen, die nicht die Tage vor Gericht verbracht und ihre Gerechtigkeit erfahren haben. Wenn wir über Entschädigung sprechen, hat der Begriff bei Fällen wie diesem oft einen faden Beigeschmack. Und ich persönlich sehe nicht ein, warum. Wenn Sie zum Beispiel einen Arbeitsunfall gehabt hätten, würden Sie auch finanzielle Entschädigung für Ihre Verluste fordern. Ich sehe nicht, warum es bei einem Missbrauchsfall, einem Vergewaltigungsfall ein Stigma geben sollte, wenn man finanziellen Ausgleich fordert. Ich denke, es ist eine weitere Belastung für die Opfer und Überlebenden, mit der sie zurechtkommen müssen. Ich meine, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie ein Bedürfnis nach finanzieller Entschädigung oder Entschuldigung haben, dann denke ich, dass es das Richtige für sie ist, und sie sollten sich nicht schuldig fühlen, wenn sie den Anspruch geltend machen.
Klaas Reese: Die Polizei spricht heute von fast 300 weiteren Verdächtigen und über 300 betroffenen Vereinen im englischen Fußball. Die Vereine, die Bennell beschäftigt hatten, und der Fußballverband selbst - sollten sie eine gewisse Verantwortung dafür tragen, Fußball als Tarnung für den Missbrauch von Kindern genutzt zu haben?
Ian Ackley: Ich bin absolut der Meinung, dass sie eine gewisse Verantwortung übernehmen sollten. Am Ende des Tages ist die FA (Abk. für The Football Association, Anm. d. Red.) die übergeordnete Organisation, die sicherstellen sollte, dass eine Kontrolle stattfindet und dass diese Organisationen reguliert werden. Das haben sie offensichtlich versäumt und diesem Mann ist es viele, viele Jahre lang erlaubt gewesen, seine raubtierhaften Eigenschaften zur eigenen sexuellen Befriedigung auszuleben. Fast versteckt von der Öffentlichkeit, könnte man sagen. Sicherlich haben sie ihre eigene Agenda wie sie ihre Angelegenheiten steuern, ansehen und eine gewisse Verantwortung für diese Mängel übernehmen. Am Ende des Tages waren wir Kinder. Erwachsene haben die Verantwortung, nicht nur eine moralische oder soziale Verantwortung für das Wohlergehen der Kinder - das ist von größter Wichtigkeit. Meiner Meinung nach haben sie das in der Vergangenheit versäumt.
"Wir haben keine Kontrolle darüber, was an der Basis vor sich geht"
Klaas Reese: Die Urteile sagen nicht, dass er ihre Kindheit und die Unschuld gestohlen habe. Jetzt ermittelt die FA, es gibt einen Untersuchungsbericht über Missbrauchsfälle durch die FA. Es heißt aber auch, dass die unabhängige Untersuchungskommission den Bericht nur auszugsweise veröffentlichen will. Ist das eine Art Zensur für Sie?
Ian Ackley: Auf jeden Fall. Ich kann nicht ergründen, warum oder wie die FA sagen könnte, dass es eine unabhängige Untersuchung gibt, obwohl sie sie finanziert haben - und dann scheinen sie die vollständige Kontrolle darüber zu haben, was tatsächlich an die allgemeine Bevölkerung weitergegeben wird. Ich meine, das wirft die Frage auf: Was ist es, was sie zurückhalten und warum? Der Sinn einer Untersuchung besteht doch darin, dass sie transparent ist und dass wir Lehren aus der Vergangenheit ziehen, um die Zukunft zu verbessern. Ich glaube nicht, dass das das öffentliche Bild der FA verbessert. Ich möchte eigentlich gerne von ihnen hören, was die eigentliche Begründung dafür ist, einen Teil des Berichts zurückzuhalten. Soweit ich das verstehe, haben sie nur gesagt, dass sie es nicht im Ganzen veröffentlichen werden, sondern nur teilweise, aber sie geben keinen Grund dafür an - also wäre das meine Frage an sie.
Klaas Reese: Die FA arbeitet auch an Maßnahmen, um die Überwachung der Jugendarbeit zu verbessern. Reicht es aus, was die FA tut?
Ian Ackley: Ich glaube nicht, dass man jemals genug tun kann. Um ehrlich zu sein, wenn wir uns den Breitensport ansehen, das untere Ende des Fußballs - die Kinder in einem Park mit einem Trainer, ein paar Leibchen und ein paar Hütchen. Diese Aktivitäten sind völlig unreguliert. Solange ein Team nicht in einer Liga registriert ist, ist es nicht einmal eine reglementierte Aktivität, so dass es derzeit keine Kontrolle gibt. Gleichermaßen haben wir nicht wirklich Kontrolle darüber, was da draußen an der Basis vor sich geht. Die FA sagt, dass es sich dabei um Tausende von Clubs handelt und dies eine sehr schwierige Aufgabe sei. Ich würde sagen, dass dort viel investiert werden muss, auf den unteren Ebenen des Fußballs - oben bei der Elite sind die Mechanismen nach dem, was ich gesehen habe, wirklich gut. Nicht perfekt, aber robust. Aber offensichtlich muss sich jemand von diesen Ebenen wegbewegen und in die unteren Ebenen hinuntergehen, um herauszufinden, wo die Lücken sind, wo sie nicht sorgfältig überwacht werden. Deshalb schlage ich vor, dass die, die Verantwortung haben, in diesem Sektor einen Schwerpunkt auf die Finanzierung und die Ressourcen legen, um eines sicherzustellen: Dass wir es so schwer wie möglich machen, dass übergriffige Erwachsene mit Kindern in Kontakt kommen und sie ausnutzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.