Beider Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda wird heute offiziell eine Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche vorgestellt. Die Zahlen daraus waren bereits bekannt geworden: Mehr als 1.600 Täter, mehr als 3.600 Fälle sexuellen Missbrauchs, begangen von katholischen Klerikern in Deutschland zwischen 1946 und 2014.
Was müssen wir über die Zahlen hinaus über die Studie wissen?
Wenn man die Studie liest, fällt auf, welche Schwierigkeiten die Forscher hatten, überhaupt an die Studie heranzukommen. Die Akten wurden nicht sauber geführt, es sind Akten verschwunden, Akten manipuliert worden. Auch die Kooperationsbereitschaft der 27 Bistümer war sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Die überwältigende Zahl der Beschuldigten sind Priester. Es sind eher wenige Diakone. Diakone dürfen ja heiraten und sie sind auch vom Amtsverständnis her nicht mit so viel Macht ausgestattet wie die Priester.
Sehr bedrückend zu lesen ist, dass die Taten eiskalt geplant waren. Die Täter haben sich ihre Opfer gezielt in der Gemeinde gesucht, unter den Messdienern, in Jugendgruppen, auch im Religionsunterricht. Es war sehr oft eine Vertrauensbeziehung.
Wie genau ist das Bild, das die Autoren zeichnen können?
Die Studie ist keine Gefälligkeitsstudie deshalb, weil sie von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben wurde. Der Rahmen der Studie ist begrenzt. Es geht um das Ausmaß. Es geht nicht darum zu sagen, wer war verantwortlich, wer hat vertuscht. Aber innerhalb des Rahmens ist die Studie sehr genau. Innerhalb der Täterschaft werden verschiedene Typen von Beschuldigten unterschieden: Diejenigen, die auf Kinder fixiert sind. Diejenigen, die narzisstisch veranlagt sind, die also stark auf ihre Amtsgewalt abgehoben haben. Und dann gibt es noch diejenigen, die sexuell unreif sind. Das sind die, die ein sogenanntes regressives Muster zeigen.
Auch bei den Betroffenen wird stark unterschieden. Stammen die aus schwierigen Familienverhältnissen? Waren es Heimkinder? Hatten sie Kontakte zu einer Peergroup oder waren sie eher einsam?
Aber was die Studie - leider - nicht leisten sollte, ist, dass Verantwortung benannt wird. Man erfährt nicht von welchen Bistümern überhaupt die Rede ist. Es gibt weder Namen von Personen, noch von Orten. Aber darauf haben die Betroffenen eigentlich einen Anspruch. Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" sagte gegenüber dem Deutschlandfunk: Für uns ist es ganz wichtig, dass jemand persönlich Verantwortung übernimmt und dass das nicht im Diffusen verbleibt. Aber keiner sagt zum Beispiel: Ich habe vertuscht.
Lässt sich schon sagen, was die katholische Kirche aus dieser Studie machen wird?
Gestern sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zwar, es müsse Konsequenzen geben. Es müsse über das Amtsverständnis gesprochen werden, zum Beispiel auch sicher über die Sexualmoral, über das Verständnis von Sexualität und Homosexualität. Aber man sah auch schon die Tendenz, alles auf die Forscher abzuschieben. Zu sagen: Wir warten jetzt mal ab, was die Wissenschaftler sagen und dann werden wir diskutieren. So als sei das, was in der Studie vorkomme, völlig neu. Dabei gab es vor acht Jahren schon eine Debatte um dieselben Themen.
Heute Morgen in einem Gottesdienst sprach Kardinal Marx von Schwäche, Sünde und der dunklen Seite unserer ganzen Kirche, und dass man jetzt wieder beten wolle. Im Moment wirkt es so, als wolle man sehr schnell wieder zum Business as usual übergehen.