Selten hat eine Wahl für einen einzelnen Senatssitz so viel Aufmerksamkeit erregt wie diese – zumal in einem so eindeutig tiefroten Südstaat wie Alabama. Doch selten war ein Kandidat der Republikaner so umstritten wie dieser: Roy Moore, 70 Jahre alt, Ex-Richter und Prediger vom harten rechten Rand der Evangelikalen-Bewegung, steht seit Wochen im Feuer von Missbrauchsvorwürfen, die gleich mehrere Frauen gegen ihn erheben.
Moore soll vor knapp 40 Jahren, er bereits in den Dreißigern und im Amt eines Staatsanwalts, minderjährige Mädchen sexuell belästigt und bedrängt haben. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe kategorisch zurück – er hält den betroffenen Frauen entgegen: Kenne ich nicht, nie gesehen, nie berührt.
Parteikollegen gehen auf Distanz zu Moore
In einer Flucht-nach-vorn-Strategie warf er just der eigenen Parteiführung vor, ihn nicht nur im Stich zu lassen, sondern ihn in einer gemeinen Intrige kalt stellen zu wollen. Tatsächlich sahen sich etliche Parteigranden der Republikaner genötigt, auf Distanz zum eigenen Kandidaten zu gehen. Zuletzt war es ausgerechnet der republikanische Senator aus Alabama, Richard Shelby, der Roy Moore als unwählbar bezeichnete – die Republikaner hätten etwas Besseres verdient.
Roy Moore hat also nicht nur für eine beispiellose politische Polarisierung in seinem Bundesstaat Alabama gesorgt – er hat auch einen erbarmungslosen Flügelkampf in der eigenen Partei vom Zaun gebrochen, der diese Wahl zu einem landesweiten Politikum macht. Roy Moore wurde von niemandem anderen als von Steven Bannon ins Rennen der parteiinternen Vorwahlen geschickt - jenem Steven Bannon, der als Vertreter der ultrarechten Alt-Right-Bewegung Trumps erster Chefstratege im Weißen Haus war, bis er seinen Posten räumen musste und sich seither der Aufgabe widmet, die Republikaner auf stramm nationalistischen Kurs zu bringen. Im Fall von Roy Moore ist ihm das schon gelungen. Der stach den republikanischen Amtsinhaber Luther Strange in den Vorwahlen aus – mit derart kruden Thesen von Rechtsaußen, dass selbst nach Ansicht konservativer Parteifreunde die Grenzen des politisch Zulässigen überschritten waren. So verklärte Moore die Zeit der Sklaverei zu jener glücklichen Epoche, als Amerika noch "great" gewesen sei. Erst am Wochenende stilisierte Bannon den Kandidaten Moore zum parteiinternen Vorkämpfer einer konservativen Wende – wenn die republikanische Parteiführung Moore zerstöre, könne sie auch seine rechtgläubigen Wähler zerstören, so Bannon.
Aufruf zur Wahl Moores ist nacktes Macht-Kalkül
Im parteiinternen Flügelkampf schlug sich Donald Trump nach mehreren Volten schließlich auf die Seite Roy Moores. Geht raus und wählt diesen Kandidaten, rief er jetzt dem republikanischen Wahlvolk zu.
Dahinter steckt jedoch auch nacktes Macht-Kalkül: Sollte Roy Moore die Wahl verlieren, hätten die Republikaner im Senat nur noch eine Stimme Mehrheit – und Donald Trump noch größere Probleme, auf gesetzgeberischem Wege noch etwas zu bewegen. Die Demokraten hoffen indes darauf, dass das Kopf-an-Kopf-Rennen zugunsten ihres Kandidaten Doug Jones ausgeht. Jones ist zwar politisch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt und derart blass, dass er eigentlich nur als Zählkandidat galt. In der aufgeheizten Atmosphäre dieser Wahl hat der 63-Jährige jedoch plötzlich ernsthafte Chancen, zum ersten demokratischen Senator Alabamas seit 30 Jahren aufzusteigen. Unterliegt Jones, muss sich Roy Moore bei seinem Einzug in den Senat auf ein ziemlich frostiges Klima gefasst machen: Mehrheitsführer Mitch McConell hat schon angekündigt, dass dem republikanischen Senats-Neuling umgehend eine Untersuchung im Ethik-Ausschuss droht. Wegen seiner einstigen Verfehlungen gegenüber minderjährigen Mädchen.