Archiv

Missbrauchsvorwürfe gegen UN-Blauhelme
Vom Helfer zum Monster

Ein UNO-Bericht bestätigt, dass Blauhelm-Soldaten in Krisengebieten wie dem Kongo und der Zentralafrikanischen Republik Frauen und Kinder sexuell missbraucht haben. Die Täter müssen kaum Konsequenzen fürchten. Offiziell sind die Fallzahlen zwar rückläufig, doch nach Ansicht von Aktivisten schönen die Vereinten Nationen die Statistik.

Von Georg Schwarte |
    Schattenriss eines UNO-Blauhelmsoldats vor blauem Himmel.
    UNO-Blauhelmsoldat im Kongo. (picture alliance / dpa / Yannick Tylle)
    Bangui, Zentralafrikanische Republik. Ein Ort des Grauens. Nicht der einzige Ort auf der Welt, wo Frauen und Kinder auch von Soldaten und Blauhelmen, die sie eigentlich schützen sollten, vergewaltigt werden. Aber ein offenbar besonders grauenhafter: Ein Neunjähriger, der um Essen bettelt und im Gegenzug zum Oralsex gezwungen wurde.
    Paula Donovan von der Organisation Aids Free World erzählt angewidert, was im Sommer 2014 in Bangui von französischen Soldaten, damals noch nicht Teil der UN-Blauhelmtruppe, Kindern angetan wurde. Oral- und Analsex mit Acht- und Neunjährigen. Wieder und wieder. Sechs lange Interviews haben UN-Mitarbeiter anschließend mit den Opfern geführt. Die Namen der Täter bekannt, Details bis hin zu Tätowierungen der Soldaten. Was ist passiert bis heute?
    "Nichts. Man untersucht. Die Franzosen untersuchen weiter. Keine einzige Verhaftung", sagt Paula Donovan. UN-Mitarbeiter wussten vom Missbrauch, führten Interviews, dokumentierten die Schande und taten danach - nichts. Monatelang. Keine Anzeige der Soldaten bei den Behörden vor Ort, nichts.
    Opfer sind Straßenkinder
    Wann erfuhr Ban Ki Moon von den Vergewaltigungen, die sich im vergangenen Sommer ereigneten? Sein Sprecher Farhan Hak gerät da während einer Pressekonferenz ins Stottern:
    "Ich glaube im März", sagt er zögernd. Neun Monate später. Bangui, nur die Spitze eines Eisbergs. Erst in den vergangenen Tagen wieder neue Vergewaltigungsvorwürfe aus der Zentralafrikanischen Union. Die Opfer wieder Straßenkinder, die mutmaßlichen Täter dieses Mal: Blauhelme.
    "Wir gucken uns die Fälle an, wir helfen den Opfern. Das Truppenstellerland ist informiert." So ist der offizielle Gang der Dinge. Zivile Mitarbeiter, alle Helfer unter UN-Flagge, genießen weltweit Immunität. Sie können vor Ort nur angeklagt werden, wenn die UN diese Immunität aufheben.
    Bei Blauhelmen läuft es anders. Hier ist das truppenstellende Land für die Strafverfolgung verantwortlich. In der Vergangenheit hieß das bei Vergewaltigungsvorwürfen in der Regel: ab nach Hause. Fall erledigt. Kein Verfahren, kein Aufsehen. Gerade erst haben die Vereinten Nationen selbst einen Bericht über Fälle von sexuellen Missbrauch durch UN-Mitarbeiter vorgelegt. Ergebnis: Die Fallzahlen rückläufig - offiziell. 2014 waren demnach 51 Fälle bekannt geworden. Fälle von Kindesmissbrauch, Vergewaltigung von Frauen, Vaterschaftsklagen, Unterhaltsforderungen. Haiti, Südsudan, die Republik Kongo, hier war es am schlimmsten. 51 Fälle insgesamt.
    Aktivisten werfen UN geschönte Zahlen vor
    Die Aktivisten von Aids Free World behaupten dagegen: Alles geschönt. Die Vereinten Nationen malten ein zu rosiges Bild. Strafffreiheit und Schweigen sei die Regel. So wie bisher bei dem Fall der französischen Soldaten in Bangui.
    Ban Ki Moon, der UN-Generalsekretär, ahnt wohl, was es für das Image der Blauhelme heißt, wenn sie, die die Schwächsten schützen sollen, selbst zu Tätern werden. Im Sicherheitsrat gab er gerade erst dieses Versprechen ab:
    "Ich will allen versichern, dass ich alles tun werde, dafür zu sorgen, dass die Vereinten Nationen selbst besser werden, den Missbrauch vor allem von Kindern zu verhindern. Die jüngsten Fälle aus der Zentralafrikanischen Nation machen das notwendiger denn je."