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Mißfelder: Strenge Sanktionen haben Iran zu Verhandlungen bewegt

Irans Außenminister Ali Akbar Salehi hat Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm angeboten. Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, bleibt aber skeptisch: Der Iran habe seit geraumer Zeit immer wieder die Taktik angewandt, Gespräche anzudeuten, um dadurch Zeit zu gewinnen.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Schon seit mehr als zehn Jahren beschäftigt das Thema die internationale Gemeinschaft. Seit 2002 ringt der Westen mit dem Iran um sein Atomprogramm. Damals wurde die Existenz von bis dahin unbekannten Atomanlagen in dem Land bekannt. Seitdem betont der Iran, beabsichtigt sei ausschließlich eine friedliche Nutzung. Seitdem vermutet der Westen, Teheran wolle eine Atombombe bauen. Und vor allem in Israel ist der Geduldsfaden schon um einiges dünner als auf iranischer Seite. Gerade gestern auf der Münchener Sicherheitskonferenz betonte der iranische Außenminister Salehi, zehn Jahre seien nun wirklich keine lange Zeit, angesichts der mehr als tausendjährigen Geschichte seines Landes. Trotzdem: es hat Bewegung gegeben, und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Philipp Mißfelder, den außenpolitischen Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, gerade aus München zurückgekehrt. Guten Morgen.

    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Frau Schulz.

    Schulz: Herr Mißfelder, die USA bieten Gespräche an, der Iran stellt Bedingungen, signalisiert seinerseits aber auch Verhandlungsbereitschaft. Ist das eine Ausgangslage, die jetzt neue Hoffnungen macht auf eine Lösung des Atomkonflikts?

    Mißfelder: Ich nehme die Gesprächsbereitschaft sehr, sehr ernst und ich glaube auch, dass das eine Ausgangssituation jetzt sein kann, in der wir noch einmal einen diplomatischen Hoffnungsschimmer sehen, die Gespräche dann auch zu nutzen. Und es gibt auch keinen Grund, jetzt zu sagen, man wolle diese Gespräche nicht führen. Man muss nur immer im Hinterkopf haben, dass der Iran schon seit geraumer Zeit eine Taktik angewandt hat, einerseits Gespräche zu führen, um dann wieder zu verzögern, nicht zu liefern, und gleichzeitig dann auch wieder damit Zeit zu gewinnen, und das wäre im negativsten Falle, eben auch bei einem Scheitern dieser diplomatischen Initiative, eine Wirkung, dass man dem Iran Zeit schenkt, in der er weiter an seinem Nuklearprogramm arbeiten könnte.

    Schulz: Die Bedingungen, die Salehi stellt, die zielen ja auf die Sanktionen ab gegen den Iran. Das passe nicht zusammen, sagt er, Druck zu machen auf der einen Seite über Sanktionen und auf der anderen Seite die Hand zu Verhandlungen auszustrecken. Ist da nicht tatsächlich ein Widerspruch?

    Mißfelder: Ich glaube, das Angebot der Iraner wäre nicht gekommen, wenn wir die Sanktionen nicht so konsequent auch durchgesetzt hätten. Ich bin schon seit langer Zeit der Meinung gewesen, man hätte diese sogenannten Crippling Sanctions, also auch die Sanktionen, die größere Teile der Volkswirtschaft Irans treffen und damit natürlich auch Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben, dass man die schon längst hätte anwenden müssen, und ich glaube, wir hätten diese diskursive Ernsthaftigkeit der Gespräche schon eher haben können, wenn wir die Sanktionen früher durchgesetzt hätten. Denn der Iran ist wirtschaftlich dermaßen unter Druck, weil die Sanktionen Wirkung zeigen, und das ist ja ein gutes Zeichen.

    Schulz: Wie werden die Verhandlungen jetzt konkret laufen?

    Mißfelder: Das kann man jetzt noch gar nicht so sagen, weil die Formate, die dafür geeignet sind, sind bislang nicht besonders Erfolg versprechend gewesen. Ich schlage jetzt hier kein neues Format dafür vor, aber ich bin dann doch gespannt, ob die permanenten Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats plus eben Deutschland, wie die sich in dieser Frage dann verhalten werden. Wir sind als Deutsche ja in einer besonders wichtigen Situation, weil wir mit Israel sehr gute Beziehungen haben und eben auch traditionell mit vielen Menschen im Iran gute Beziehungen haben, und das ist eben eine Frage. Deshalb wird sich in den nächsten Tagen schon herausstellen, glaube ich, wie ernst das Angebot ist, weil man nach den Worten, die jetzt gekommen sind, auch sicherlich noch weitere Signale abwarten muss.

    Schulz: Jetzt ist die Frage natürlich auch inhaltlich nach Lösungsmöglichkeiten. Die Internationale Atomenergiebehörde, die hat ja schon vor Jahren eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten gefordert. Warum verfolgt der Westen das nicht als Lösungsansatz?

    Mißfelder: Ja, ich habe am Wochenende in München auch die große Ehrung verfolgt für den früheren amerikanischen Senator Sam Nunn, der auch diese "Global Zero"-Initiative mit angetrieben hat, und es gibt sicherlich viele Menschen, die sich wünschten, dass insgesamt die Nuklearwaffen weniger eine Rolle spielen. Aber es gibt halt ganz wenige Beispiele in den letzten Jahrzehnten, wo es gelungen ist, Staaten dazu zu bringen, freiwillig auf Atomwaffen zu verzichten, weil sie eben dann doch für den negativsten Fall des Falles eine wahnsinnige politische Kraft auch bedeuten und auch zum eigenen Schutz sehr, sehr wichtig sind – zum Beispiel auch für Israel. Auf Anhieb fällt mir eigentlich nur ein Land ein, was freiwillig seine Atomwaffen abgegeben hat in den letzten Jahren, und das war Kasachstan nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Deshalb bin ich von dieser grundsätzlich guten Idee nicht nachhaltig überzeugt, weil ich die Realisierungschancen für relativ gering halte.

    Schulz: Da sind wir ja gerade bei dem Widerspruch, auf den natürlich auch der Iran immer wieder hinweist. Israel ist faktisch Atommacht, Israel hat den Atomwaffen-Sperrvertrag nicht unterzeichnet. Auch in Israel hat die Internationale Atomenergiebehörde keinen Zutritt zu den Atomanlagen. Mit welchem Argument wollen Sie denn den Einwand des Iran zurückweisen, es werde da mit zweierlei Maß gemessen?

    Mißfelder: Es gibt schon einen ganz großen Unterschied, nämlich erstens ist Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten und wirklich als Fackel der Freiheit, die dort glüht, muss man sehen, dass Israel das einzig westliche demokratische Land ist, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind, in dem Mädchen und Jungs zur Schule gehen können, in dem jeder einen Hochschulabschluss erreichen kann. Es ist ein Land, was überhaupt nicht vergleichbar ist mit den umherliegenden Ländern, und der wichtigste Unterschied ist: Israel droht keinem seiner Nachbarn mit der Vernichtung aus ideologischen Gründen und macht daraus ein politisches Programm. Das ist beim Iran anders. Der Iran verkündet nahezu wöchentlich – jetzt nicht mehr so heftig, wie das in den vergangenen Wochen der Fall war, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war -, aber trotzdem gibt es immer noch Meldungen, wo iranische Politiker sagen, diese Vernichtung des Zionismus ist unser Hauptziel. Wir haben letzte Woche im Bundestag Herrn Mursi getroffen, den Präsidenten von Ägypten. Auch er hat in einer Art und Weise über Juden und über Israel gesprochen in der Vergangenheit, was absolut inakzeptabel ist, und deshalb kann ich die Angst vieler Israelis verstehen.

    Schulz: Wird Israel den Iran denn militärisch angreifen, um die Entwicklung einer Atombombe zu stoppen?

    Mißfelder: Das ist eine Frage, die ja immer im Raum steht: die militärische Option. Ich würde die militärische Option nicht ausschließen, weil es andererseits unsere Verhandlungsposition, also jetzt unsere gemeinsame Verhandlungsposition als Westen an der Seite Israels, schwächen würde, wenn wir von Anfang an zeigen, dass wir dazu nicht bereit wären und nicht entschlossen genug Israel zu verteidigen, auch um den Preis einer Militärintervention. Ich glaube aber, dass wir doch sehen müssen, dass dieses diplomatische Angebot jetzt am Wochenende vom Iran hoffentlich am Ende sich dann auch als so ernsthaft herausstellt, dass man davon absehen soll, weil unser politisches Ziel ist es natürlich, einen Militäreinsatz zu verhindern. Wir wollen eine friedliche Lösung und an der muss man ernsthaft arbeiten. Ich glaube aber, wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Zeit verloren, weil wir viel, viel zu schwach aufgetreten sind als Westen und weil wir auch uneins waren, was die Sanktionen angeht. Von Deutschland aus ist das ja auch mit durchgesetzt worden, sind die Sanktionen verschärft worden. Das war auf jeden Fall der richtige Schritt.

    Schulz: Und Sie glauben, Israel hat da auch weiterhin Geduld?

    Mißfelder: Wir sprechen ja nahezu täglich mit israelischen Vertretern. Wir wollen eine friedliche Lösung. In Israel wird die Debatte, was ja auch Israels Demokratie auszeichnet, sehr, sehr offensiv geführt, auch in der Presse. Es gibt viele Meinungen dazu in der Politik, es gibt auch sehr viele Meinungen von früheren Militärs dazu, die auch die Chancen und die Risiken eines Militäreinsatzes abwägen. Für den Fall, dass es zu einem Militäreinsatz käme, wäre es sowieso eine sehr, sehr schwierige Mission, weil der Iran ja offensichtlich die einzelnen Bestandteile für dieses Nuklearprogramm sehr tief unter der Erde zum Teil verborgen hat, aber auch natürlich sehr dezentral angelegt hat die Struktur, sodass ein solches Militärunterfangen immer schwieriger geworden ist. Man kann es nicht vergleichen mit anderen Interventionen im Irak oder anderswo.

    Schulz: Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder heute in den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank Ihnen!

    Mißfelder: Herzlichen Dank.

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