Olschok sagte weiter, es gebe mit 4.000 Unternehmen zu viele private Sicherheitsfirmen in Deutschland. Sein Verband fordere daher höhere Zulassungshürden wie einen Fachkundenachweis. Er betonte, schon vor einem Monat seien dem Städte- und Gemeindebund Vorschläge gemacht worden, welche zusätzlichen Kriterien es für Ausschreibungen geben sollte. Die gingen weit über die gewerberechtlichen Grundlagen hinaus. "Diese Tätigkeit kann ich nicht zum Mindestlohn erfüllen."
Von den rund 4.000 Unternehmen seien 900 im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft Mitglied. Nicht dazu gehöre European Homecare. Die Firma betreibt die Notunterkünfte für Flüchtlinge in Burbach und Essen, in denen es Übergriffe des Sicherheitspersonals gegen Bewohner gegeben haben soll. European Homecare hatte Subunternehmer für den Sicherheitsdienst beauftragt.
Das Interview in voller Länge:
Bettina Klein: Wir bleiben noch in diesem Kontext, denn in dem Zusammenhang schockierten Berichte seit dem Wochenende: durch Videos belegte Misshandlungen von Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen, und zwar durch privates Wachpersonal. Wie kann das eigentlich sein? Weshalb sind denn überhaupt private Sicherheitsfirmen mit diesen Aufgaben befasst, fragten sich gestern viele. Als einer der ersten und mit am deutlichsten äußerte sich dazu gestern Früh die Deutsche Polizeigewerkschaft. Der Vorsitzende Rainer Wendt im ZDF:
Rainer Wendt: "Ja ein bisschen zynisch möchte man fast sagen: Willkommen im schlanken privatisierten Staat. Hier wird eine hoheitliche Aufgabe auf ein gewinnorientiertes Unternehmen übertragen und gleichzeitig wird noch der Kardinalfehler begangen, nämlich die Tätigkeit von Subunternehmen im Vertrag nicht zu verbieten, und damit sind natürlich die Scheunentore weit geöffnet für Kriminelle, im Übrigen auch für Extremisten."
Klein: Soweit Rainer Wendt gestern Früh im ZDF. - Für die Firmen zuständig ist der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, der gestern schon großes Bedauern über die Vorfälle geäußert hat, und am Telefon begrüße ich den Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Harald Olschok. Guten Morgen!
Harald Olschok: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Die Scheunentore weit geöffnet für Kriminelle und Extremisten, sagt die Polizeigewerkschaft. Weshalb verhindern Sie nicht, dass solche Leute - und sei es auch nur in Subunternehmen - eine Chance bekommen?
Olschok: Ja der Herr Wendt überzieht natürlich hier gnadenlos: Scheunentore offen. Wir haben gewerberechtliche Voraussetzungen. Jeder Beschäftigte, der bei uns zum ersten Mal arbeitet, muss geprüft werden durch die Ordnungsbehörden. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister muss vorgelegt werden.
Wenn das wie in diesem Fall offensichtlich nicht geschieht, dann habe ich natürlich hier kriminelle Vorgehensweisen, aber die rechtlichen Grundlagen, die wir haben, die schließen das zunächst mal auf dem Papier schon aus.
Wenn das wie in diesem Fall offensichtlich nicht geschieht, dann habe ich natürlich hier kriminelle Vorgehensweisen, aber die rechtlichen Grundlagen, die wir haben, die schließen das zunächst mal auf dem Papier schon aus.
Klein: Wie erklären Sie denn dann, dass solche Leute in den Sicherheitsfirmen untergekommen sind, oder in Subunternehmen, und sich jetzt das ereignen konnte, was wir gesehen haben?
Olschok: Bei der Subunternehmer-Geschichte muss man unterscheiden. Es ist ja für sich betrachtet noch nicht unanständig. Ein Unternehmen wie das genannte, European Homecare, kriegt den Auftrag für die Bewirtschaftung des Gebäudes, Catering, Reinigung, alles was damit zusammenhängt, und offensichtlich hat man die Sicherheitsaufgaben, die man selbst nicht erfüllen kann, fremdvergeben, und da müssen natürlich die gleichen Bedingungen gelten wie an den Generalunternehmer.
Aber auch ganz klar: Gefordert ist natürlich der Auftraggeber, also das Regierungspräsidium in Arnsberg, weil dieses Regierungspräsidium, also der Staat, hat die Aufträge vergeben, und da muss ich natürlich ganz klar festlegen, welche Anforderungen ich habe, und - das kam ja gestern auch durch die Presse inzwischen im Nachhinein - ich muss es auch kontrollieren.
"Hier hat offensichtlich auch die Aufsichtsbehörde versagt"
Klein: Genau. Und aus Arnsberg wurde gestern mitgeteilt, dass man nun in Zukunft ausschließlich nur noch Personal mit Sachkundeprüfung einsetzen will und dass von nun an ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegen muss. Können Sie sich erklären, weshalb das bisher nicht geschehen ist?
Olschok: Ich sagte ja, die rechtlichen Vorgaben sind ganz andere. Das muss vorgelegt werden. Also hat hier die Aufsichtsbehörde ihre Verpflichtung eigentlich nicht erfüllt, weil das gehört mit dazu. Es ist sogar seit vier, fünf Jahren möglich, zusätzlich den Verfassungsschutz mit einzuschalten in besonders schwierigen Gebieten, und dazu gehört sicher die Bewachung eines Asylbewerber-Aufnahmelagers mit dazu. Die rechtlichen Voraussetzungen sind schon lange da. Hier hat offensichtlich auch die Aufsichtsbehörde versagt.
Klein: Sie sagen jetzt, dass Land oder Kommune oder auch die Bezirksregierung gegen geltendes Recht verstoßen haben?
Olschok: Sie haben die Auflagen, die ein Unternehmen zu erfüllen hat, offensichtlich nicht geprüft. Genau!
Klein: Nun sagt aber der Bund deutscher Kriminalbeamter gestern auch, die geltenden Gesetze würden es ganz im Gegenteil verhindern, dass die Polizei die Angestellten der Sicherheitsfirmen adäquat überprüfen kann. Dem würden die Datenschutzregelungen entgegenstehen.
Olschok: Man muss unterscheiden zwischen polizeilichen Auskunftsersuchen. Was ich meinte ist ja der Auszug aus dem Bundeszentralregister, oder Führungszeugnis, wie es gemeinläufig heißt. Jeder Beschäftigte, die bei uns anfangen, der muss diesen Auszug vorlegen. Das muss geprüft werden von der Ordnungsbehörde. Ergänzend kann noch das Verfassungsschutzamt, wie ich es ja kurz erwähnt hatte, eingezogen werden.
Das ist auch im Gewerberecht geregelt. Die polizeiliche Überprüfung, da hat der Kollege Recht, ist natürlich etwas schwieriger. Auf der anderen Seite hat Innenminister Jäger ja gestern coram publico oder vor Publikum oder vor der Presse verkündet, er will das jetzt uneingeschränkt umsetzen. Da ist natürlich der Minister gefragt, wie er das rechtlich bewerkstelligen will.
Klein: Also wir halten fest: Gesetzlich ist eben nicht geregelt, dass ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegen muss, weil ...
Olschok: Doch, doch! Noch mal: ...
Klein: ... , weil das dem Datenschutz widerspricht?
Olschok: Nein! Das steht seit 80 Jahren im Gewerberecht. Man muss unterscheiden zwischen polizeilicher Auskunft, wo natürlich noch mehr Daten auch drinstehen. Es könnte sein, es wird gegen jemand ermittelt, wo noch gar keine Straftat vorliegt - diese Informationen sind im polizeilichen Informationssystem.
Aber wenn ich morgen anfangen will bei einer Firma, muss ich einen Auszug aus dem Bundeszentralregister vorlegen, und da sind meine Vorstrafen ganz klar geregelt. Und wenn ich vorbestraft bin, kann ich nicht eingesetzt werden. Das verstößt gegen die Voraussetzung der Zuverlässigkeit, gewerberechtlich.
Klein: Herr Olschok, weshalb ist Ihr Verband eigentlich so machtlos, wenn es um die Auswahl der Mitarbeiter bei den betroffenen Firmen geht?
Olschok: Insgesamt gibt es in Deutschland 4.000 private Sicherheitsfirmen. Das sind viel zu viele. Wir fordern seit 30 Jahren eine Gewerbezugangsbeschränkung, also Hürden, die da vorgenommen werden müssen. Das wird abgelehnt seit 30 Jahren vom Wirtschaftsministerium.
"Wir würden uns mehr Einfluss der Innenbehörden wünschen"
Klein: Welche Hürden fordern Sie?
Olschok: Zum einen Fachkundenachweise, dass jemand, der neu in das Gewerbe geht, der hier das Unternehmen aufmacht, nicht wie heute 40 Stunden beziehungsweise zweimal 40 Stunden bei einer Industrie- und Handelskammer auf die Schulbank sich setzen muss, sondern er muss Qualifikationen erfüllen.
Es gibt seit vielen Jahren den Meister für Schutz und Sicherheit, wo ich ganz bestimmte Anforderungen habe. Aber insgesamt ist wie gesagt das Wirtschaftsministerium zuständig. Wir würden uns mehr Einfluss der Innenbehörden wünschen, also engere Zusammenarbeit mit der Polizei, aber das wird auch von Herrn Jäger bisher in Nordrhein-Westfalen ganz klar abgelehnt.
Klein: Mit Verlaub, Herr Olschok, ein bisschen ist es im Augenblick auch so, dass der eine den Ball dem anderen zuspielt und auch ein bisschen das Schuldzuweisungsspiel hier betrieben wird.
Olschok: Ja.
"Diese Tätigkeit kann ich nicht zum Mindestlohn erfüllen"
Klein: Diese Firmen sind ja offensichtlich zu einem Teil jedenfalls Mitglied Ihres Verbandes. Weshalb haben Sie denn keine Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, dass zumindest, was den Verband angeht, diese Bedingungen erfüllt werden?
Olschok: Wir können das natürlich schon machen. Wir haben auch vor vier Wochen - das Thema hat sich ja irgendwo angekündigt. Wir haben ja - das klang im Vorbeitrag auch schon an - natürlich einen enormen Zuwachs von Asylbewerbern, 60 Prozent in den ersten acht Monaten, und die Kommunen, die Behörden haben natürlich auch logistische Herausforderungen.
Wir haben an den Städte- und Gemeindebund, der ja auch letzten Endes für die Kommunen hier zuständig ist, Vorschläge gemacht, wie bei Ausschreibungen zu verfahren ist. Da haben wir zusätzliche Kriterien aufgenommen, die weit über die gewerberechtlichen Grundlagen hinausgehen. Diese Tätigkeit kann ich nicht zum Mindestlohn erfüllen.
Wir haben an den Städte- und Gemeindebund, der ja auch letzten Endes für die Kommunen hier zuständig ist, Vorschläge gemacht, wie bei Ausschreibungen zu verfahren ist. Da haben wir zusätzliche Kriterien aufgenommen, die weit über die gewerberechtlichen Grundlagen hinausgehen. Diese Tätigkeit kann ich nicht zum Mindestlohn erfüllen.
Klein: Aber weshalb können Sie denn nicht sagen, Firmen haben nur ein Recht, bei uns Mitglied zu werden, wenn sie die und die Bedingungen erfüllen?
Olschok: Das haben wir ja grundsätzlich. Ich sagte ja, wir haben 4.000 Unternehmen in Deutschland. 900 sind bei uns im Verband organisiert. Dieses Unternehmen, was hier eingesetzt ist in Nordrhein-Westfalen, war und ist nicht Mitglied bei uns. Das neue Unternehmen ist auch nicht Mitglied bei uns.
Das ist natürlich eine schwierige Aufgabe. Es geht jetzt nicht um Schuldzuweisung. Es ist eine schwierige Aufgabe, in dieser aufgeheizten Situation mit unterschiedlichen Ethnien, mit Aggressionspotenzial umzugehen. Dazu brauche ich natürlich besonders qualifizierte Damen und Herren im Sicherheitsbereich und die kriege ich wie gesagt nicht zum Nulltarif oder nicht zum Mindestlohn. Da muss ich zusätzliche Anforderungen als Auftraggeber auch vorlegen.
Klein: Und wenn ich zu einem niedrigen Tarif nur solche Leute bekomme, dann stelle ich eben die ein als Firma, oder wie verstehen wir das?
Olschok: Wenn ich den Auftrag kriege und die Kalkulation keine anderen Möglichkeiten zulässt, dass ich sozialpädagogisch mit ausgebildete Kräfte bekomme, die im Umgang mit Menschen geschult sind, die auch eine zweite Fremdsprache beherrschen in diesem schwierigen Gebiet, dann kriege ich natürlich das, was ich hier letzten Endes dann leider feststellen muss.
Klein: Aber, Herr Olschok, dass, wie wir gerade gehört haben, die Scheunentore weit geöffnet sind für Extremisten und für Kriminelle, da sagen Sie ganz klar, die Verantwortung liegt bei den staatlichen Behörden?
Olschok: Dieses Scheunentor ist nicht geöffnet. Wir haben 185.000 Beschäftigte, die jeden Tag ihren Job gut machen. Wenn jetzt sechs (oder lassen Sie es zehn sein) gegen geltendes Recht verstoßen, kriminell werden, dann kann ich nicht eine ganze Branche mit 185.000 in Geiselhaft nehmen. Da überzieht Herr Wendt gnadenlos.
Klein: Aber eine Eignungsprüfung gibt es für solche Leute?
Olschok: Wir haben ein Unterrichtungsverfahren. Das ist keine richtige Prüfung. Wir haben aber seit zwölf Jahren einen Ausbildungsberuf. Sie können private Sicherheit lernen in drei Jahren oder in zwei Jahren. Wenn hier der Auftraggeber qualifizierte Kräfte will, dann kann er gerne auf die zurückgreifen. Die gibt es seit zwölf Jahren. Das weiß auch Herr Wendt.
Olschok: Vorschläge wurden bisher nicht umgesetzt
Klein: Und Sie sehen für Ihren Verband keinen Handlungsbedarf?
Olschok: Wir sehen für unseren Verband Handlungsbedarf, indem wir erneut die Politik angehen und sagen, das was ihr schon lange hier selbst euch vorstellt, nämlich die Bundesregierung, die hat in der Koalitionsvereinbarung im Dezember aufgenommen, die Seriosität und Zuverlässigkeit weiterzuentwickeln in der Branche. Wir haben Vorschläge gemacht, die wurden bisher nicht umgesetzt.
Klein: Harald Olschok, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für diese Informationen.
Olschok: Danke auch, Frau Klein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.