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Mission NetSat
Vier Satelliten in Formation

Heute brachte eine Sojus-Rakete vier deutsche Kleinsatelliten der Mission NetSat ins All. Mehrere Monate lang sollen sie in einer Umlaufbahn in etwa 600 Kilometern Höhe einen Formationsflug erproben. Die Erkenntnisse könnten in Zukunft unter anderem der Klimaforschung nützen.

Von Karl Urban |
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Die Nanosatelliten der NetSat-Mission messen zehn mal zehn mal dreißig Zentimeter (Zentrum für Telematik)
"Der Formationsflug wird in etwa 50 Kilometer Abständen erfolgen. Das heißt, man wird erst mal Abstand zueinander gewinnen. Das Auseinanderdriften darf aber gleichzeitig nicht zu stark sein, sodass man sich gegenseitig nicht aus den Augen verliert."
Satelliten und Tänzer haben Vieles gemeinsam. Es geht darum, in grazilen Bewegungen zum großen Ganzen beizutragen, zur tänzerischen Umsetzung einer Choreografie oder einer gemeinsamen Formation einiger Satelliten um die Erde, wie jene, die Klaus Schilling am Zentrum für Telematik der Universität Würzburg derzeit vorbereitet.
CubeSats von der Größe eines Schuhkartons
Die Mission aus vier Satelliten heißt NetSat: Die Schuhkarton-großen CubeSats, die jeweils nur vier Kilogramm auf die Waage bringen, sollen als Eckpunkte einer gedachten Pyramide umeinanderwirbeln, und zwar pro gemeinsamem Umlauf um die Erde genau einmal. Es ist eine Wagenrad-Formation, bei der alle vier Satelliten Kreise beschreiben und sich doch nie zu nahe kommen.
"Es ist schon anspruchsvoll. Die schnellen Bewegungen im Orbit: Am Boden mit dem Auto kann man schnell mal ein Ausweichmanöver fahren. Das können Sie im Orbit eigentlich nicht."
Zuerst sollen die vier Satelliten 50 Kilometer entfernt umeinander kreisen, in einigen Monaten dann nur noch wenige Meter. Jedes Mal, nachdem die Abstände verringert wurden, sollen die Satelliten autonom agieren: Sie messen eigenständig den Abstand zu den Nachbarn. Die Software an Bord trifft selbstständig die Entscheidungen, wie sich jeder Satellit ausrichtet und wohin er beschleunigt, um die Formation zu halten. Und das ist neu: Ingenieure haben sich bislang nur getraut, Satelliten paarweise nah beieinander fliegen zu lassen. Mit mehr Satelliten, noch dazu mit CubeSats mit winzigen elektrischen Antriebssystemen, hat das noch niemand versucht.
"Man hat geringen Schub und der Impuls ist beschränkt. Damit muss man sehr vorausschauend planen, damit das dann auch sicher Zusammenstöße vermeidet."
Ballett im Orbit
NetSat ist das Ergebnis langer Vorbereitung: Vor 15 Jahren startete Schillings Team den ersten CubeSat Deutschlands. Seither haben dessen Nachfolger alle Fähigkeiten erprobt, die fürs jetzt anstehende Ballett im Orbit nötig sind: den Datenaustausch, die Lageregelung und zuletzt das Antriebssystem. Der Formationsflug im Orbit hat einzeln fliegenden Satelliten etwas voraus, denn gemeinsam können die CubeSats nun dreidimensionale Strukturen vermessen.
"Diese Computertomographie kennt man aus der Medizin ganz gut. Da rotieren auch Sensoren um den Körper, und durch den Blick aus verschiedenen Richtungen kann man dann das Innere des Körpers rekonstruieren."
Künftig an Wolken gestreutes Sonnenlicht vermessen
Und es gibt schon Pläne für die Zukunft. Die Nachfolgemission CloudCT soll das an Wolken gestreute Sonnenlicht vermessen, mit insgesamt zehn CubeSats, die Staub- oder Aschepartikel nachweisen können. Derartige Messungen mit Flugzeugen sind deutlich fehleranfälliger und nur punktuell möglich.
"Man weiß, bei den heutigen Klimamodellen geht etwa ein Viertel der inhärenten Fehler auf die Wolken-Charakterisierung zurück. Das heißt, wenn man das besser charakterisieren kann, sind Fortschritte zu erwarten für mittelfristige Klimavorhersagen."
Die Mission CloudCT ist bereits finanziert und soll im Jahr 2021 starten. Doch bevor es so weit ist, muss erst einmal das Ballett der vier Experimentalsatelliten gelingen.