Dina Netz: Deutschlands große Opernhäuser machen gerade Schlagzeilen, und das nicht durch provokante oder anders aufregende Inszenierungen, sondern durch Zankereien. In Berlin an der Staatsoper Unter den Linden ist Peter Mussbachs Intendantenvertrag nicht verlängert worden. Daraufhin hat er seinem Generalmusikdirektor Daniel Barenboim Mafiamethoden vorgeworfen. Und in München bahnen sich ebenfalls Zwistigkeiten an.
" Die Partner, für die ich mich interessiere, grundsätzlich läuft es immer libidinös ab.""
So ähnlich wünscht sich also Nikolaus Bachler, der künftige Intendant des größten deutschen Opernhauses in München die Zusammenarbeit. Damit hatte er unterschwellig schon mal seinem Generalmusikdirektor Kent Nagano eine Ansage gemacht, denn so ähnlich scheinen die beiden nicht zu sein. Bachler will zu den Gerüchten über Unstimmigkeiten mit Nagano bisher nicht Stellung nehmen und sagt: Ich kann mich doch nicht scheiden lassen, bevor ich die Frau geheiratet habe. Trotzdem gilt es als offenes Geheimnis, dass er Naganos Vertrag nach 2011, wenn der ausläuft, nicht verlängern wird. Aber bis 2011 ist es ja noch ein bisschen, bis dahin müssen sie eigentlich zusammenarbeiten.
Frage an den Münchner Opernkritiker Wolf-Dieter Peter: Was ist nach Ihren Erkenntnissen dran an den Gerüchten um eine Krise an der Spitze der Staatsoper?
Wolf-Dieter Peter: Nagano fehlt ein wenig der große Erfolg, der ihn zu einem Publikumsliebling machen würde, und da müssen wir noch ein bisschen weiter zurückgreifen, da gab es ja bei der Neuberufung und Neubesetzung der Intendanz in München 2003 die Paarung Kent Nagano und Christoph Albrecht. Dann stellte sich nach einem Jahr heraus, dass Nagano mit Albrecht nicht so recht kann, und man hat Albrecht sehr, sehr teuer ausbezahlt, und damit war Nagano die einzige Führungspersönlichkeit. Damit hat er sich auch sehr, sehr viel Verantwortung aufgeladen, und er hätte nun das Haus zu einem Nagano-Haus machen müssen. Aber der Erfolg blieb aus, er hat eher das Randrepertoire dirigiert, er hat seiner Vorliebe für neue Musik nachgegeben und Uraufführungen in Auftrag gegeben, die dann aber, wie die letzte, "Alice in Wonderland" von Unsuk Chin, prompt nicht der große Wurf wurden. Da fehlt die große, sensationelle Premiere, die Folgeerfolge, so dass man sagen könnte, ach, das ist Naganos Handschrift.
Netz: Liegt denn die Kritik, die Bachler an Nagano offensichtlich hat, an diesen künstlerischen Misserfolgen, oder gibt es da auch ein grundsätzliches, künstlerisches Uneinvernehmen zwischen den beiden? Haben die einfach unterschiedliche Auffassungen, wie so ein Haus aufgestellt werden soll?
Peter: Das könnte ich mir als zweiten Strang eben vorstellen, dass Bachler eher ein südländischer, südlich orientierter, deutsch-österreichischer Typ ist, der ja auch sagt, München ist eine südliche Stadt, und er will aus der Münchner Oper entsprechend Impulse in den weiteren bundesrepublikanischen mittleren Teil und Norden schicken. Es soll vielleicht das italienische und andere, spanische, eventuell noch weitere Repertoire belebt werden, dass er da also mit dem vielleicht kühleren, zurückhaltenderen, distanzierteren Nagano auch persönlich nicht so ganz harmoniert. Und daher also eine Diskrepanz, die deutlich wird.
Es ist vor allem in der Gerüchteküche schon vor über einem Jahr gesagt worden, dass Bachler - der sehr viel beraten wird von der Wiener und Münchner Agentur Kursidem & Lewin - deutliche Präferenzen hat in Richtung der Dirigentennamen Kirill Petrenko, Daniele Gatti und vielleicht auch noch einem weiteren, nämlich Nicola Luisotti, und diese drei sind alle bei dieser Agentur. Die werden nun in der nächsten Saison alle eine Premiere in München dirigieren, das klingt also ein bisschen fast nach Schaulaufen, so dass wir also ein breites Spektrum bekommen, das uns zeigt, dass es sehr, sehr wohl andere Dirigenten neben Kent Nagano gibt, die für das Münchner Haus in Frage kämen.
Netz: Die von Ihnen gerade bereits erwähnte Gerüchteküche besagt jetzt zuletzt, dass Nagano den Strauss'schen Rosenkavalier nicht dirigieren werden wird. Und wenn das wirklich so wäre, dass Bachler ihm dieses Kernstück des Münchner Programms verweigern würde, was passiert denn dann? Kann dann Nagano sich das eigentlich gefallen lassen?
Peter: Das ist eigentlich dann schon ein offener Bruch, und der Zweite, der dazugehört, ist eigentlich, dass wir wissen: München wird sich mit Blick auf das Jahr 2013, 200. Geburtstag Richard Wagners, natürlich auch einen neuen "Ring" gönnen. Und dieses Chefstück müsste natürlich auch jetzt schon benannt sein. Wer wird das dirigieren? Und nachdem da auch nicht der Name Kent Nagano bisher in der Gerüchteküche schon gehandelt wird, könnte das ein weiteres Signal sein, so dass man sagen muss: Ich könnte mir vorstellen, dass der sehr distanziert, mitunter kühl und sachlich wirkende Kent Nagano diesen versteckten Fehdehandschuh längst aufgenommen hat, seine Agentur und auch seine Kontakte spielen lässt, um sich vielleicht vorzeitig und von seiner Seite aus stolz zu verabschieden und zu sagen, bitte, machen Sie in München doch weiter, wie Sie wollen, und sich wieder in die internationale Karriere stürzt, wozu ihm ja seine Konzertverpflichtung beim Orchestre de Montréal als Sprungbrett dienen kann.
Netz: Einschätzungen von Wolf-Dieter Peter waren das zum Streit an der Spitze der Bayerischen Staatsoper.
" Die Partner, für die ich mich interessiere, grundsätzlich läuft es immer libidinös ab.""
So ähnlich wünscht sich also Nikolaus Bachler, der künftige Intendant des größten deutschen Opernhauses in München die Zusammenarbeit. Damit hatte er unterschwellig schon mal seinem Generalmusikdirektor Kent Nagano eine Ansage gemacht, denn so ähnlich scheinen die beiden nicht zu sein. Bachler will zu den Gerüchten über Unstimmigkeiten mit Nagano bisher nicht Stellung nehmen und sagt: Ich kann mich doch nicht scheiden lassen, bevor ich die Frau geheiratet habe. Trotzdem gilt es als offenes Geheimnis, dass er Naganos Vertrag nach 2011, wenn der ausläuft, nicht verlängern wird. Aber bis 2011 ist es ja noch ein bisschen, bis dahin müssen sie eigentlich zusammenarbeiten.
Frage an den Münchner Opernkritiker Wolf-Dieter Peter: Was ist nach Ihren Erkenntnissen dran an den Gerüchten um eine Krise an der Spitze der Staatsoper?
Wolf-Dieter Peter: Nagano fehlt ein wenig der große Erfolg, der ihn zu einem Publikumsliebling machen würde, und da müssen wir noch ein bisschen weiter zurückgreifen, da gab es ja bei der Neuberufung und Neubesetzung der Intendanz in München 2003 die Paarung Kent Nagano und Christoph Albrecht. Dann stellte sich nach einem Jahr heraus, dass Nagano mit Albrecht nicht so recht kann, und man hat Albrecht sehr, sehr teuer ausbezahlt, und damit war Nagano die einzige Führungspersönlichkeit. Damit hat er sich auch sehr, sehr viel Verantwortung aufgeladen, und er hätte nun das Haus zu einem Nagano-Haus machen müssen. Aber der Erfolg blieb aus, er hat eher das Randrepertoire dirigiert, er hat seiner Vorliebe für neue Musik nachgegeben und Uraufführungen in Auftrag gegeben, die dann aber, wie die letzte, "Alice in Wonderland" von Unsuk Chin, prompt nicht der große Wurf wurden. Da fehlt die große, sensationelle Premiere, die Folgeerfolge, so dass man sagen könnte, ach, das ist Naganos Handschrift.
Netz: Liegt denn die Kritik, die Bachler an Nagano offensichtlich hat, an diesen künstlerischen Misserfolgen, oder gibt es da auch ein grundsätzliches, künstlerisches Uneinvernehmen zwischen den beiden? Haben die einfach unterschiedliche Auffassungen, wie so ein Haus aufgestellt werden soll?
Peter: Das könnte ich mir als zweiten Strang eben vorstellen, dass Bachler eher ein südländischer, südlich orientierter, deutsch-österreichischer Typ ist, der ja auch sagt, München ist eine südliche Stadt, und er will aus der Münchner Oper entsprechend Impulse in den weiteren bundesrepublikanischen mittleren Teil und Norden schicken. Es soll vielleicht das italienische und andere, spanische, eventuell noch weitere Repertoire belebt werden, dass er da also mit dem vielleicht kühleren, zurückhaltenderen, distanzierteren Nagano auch persönlich nicht so ganz harmoniert. Und daher also eine Diskrepanz, die deutlich wird.
Es ist vor allem in der Gerüchteküche schon vor über einem Jahr gesagt worden, dass Bachler - der sehr viel beraten wird von der Wiener und Münchner Agentur Kursidem & Lewin - deutliche Präferenzen hat in Richtung der Dirigentennamen Kirill Petrenko, Daniele Gatti und vielleicht auch noch einem weiteren, nämlich Nicola Luisotti, und diese drei sind alle bei dieser Agentur. Die werden nun in der nächsten Saison alle eine Premiere in München dirigieren, das klingt also ein bisschen fast nach Schaulaufen, so dass wir also ein breites Spektrum bekommen, das uns zeigt, dass es sehr, sehr wohl andere Dirigenten neben Kent Nagano gibt, die für das Münchner Haus in Frage kämen.
Netz: Die von Ihnen gerade bereits erwähnte Gerüchteküche besagt jetzt zuletzt, dass Nagano den Strauss'schen Rosenkavalier nicht dirigieren werden wird. Und wenn das wirklich so wäre, dass Bachler ihm dieses Kernstück des Münchner Programms verweigern würde, was passiert denn dann? Kann dann Nagano sich das eigentlich gefallen lassen?
Peter: Das ist eigentlich dann schon ein offener Bruch, und der Zweite, der dazugehört, ist eigentlich, dass wir wissen: München wird sich mit Blick auf das Jahr 2013, 200. Geburtstag Richard Wagners, natürlich auch einen neuen "Ring" gönnen. Und dieses Chefstück müsste natürlich auch jetzt schon benannt sein. Wer wird das dirigieren? Und nachdem da auch nicht der Name Kent Nagano bisher in der Gerüchteküche schon gehandelt wird, könnte das ein weiteres Signal sein, so dass man sagen muss: Ich könnte mir vorstellen, dass der sehr distanziert, mitunter kühl und sachlich wirkende Kent Nagano diesen versteckten Fehdehandschuh längst aufgenommen hat, seine Agentur und auch seine Kontakte spielen lässt, um sich vielleicht vorzeitig und von seiner Seite aus stolz zu verabschieden und zu sagen, bitte, machen Sie in München doch weiter, wie Sie wollen, und sich wieder in die internationale Karriere stürzt, wozu ihm ja seine Konzertverpflichtung beim Orchestre de Montréal als Sprungbrett dienen kann.
Netz: Einschätzungen von Wolf-Dieter Peter waren das zum Streit an der Spitze der Bayerischen Staatsoper.