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Mit anderen Menschen und anderen Kulturen arbeiten

Die International School of New Media in Lübeck, kurz ISNM, hat als ein An-Institut der Universität Lübeck erst im Wintersemester 2002 den Studienbetrieb aufgenommen. In 18 Monaten haben die Studierenden die Möglichkeit einen postgradualen Masterstudiengang für Digital Media zu absolvieren. Rund 13.000 Euro kostet der Studiengang insgesamt. Und wie ein amerikanischer Student zu der doch erheblichen Summe sagte, sei dies nur der Bruchteil von dem, was Schulen gleicher Art in den USA kosten. Der gesamte Unterricht findet in English statt. Ein Teil der Ausbildung findet im Ausland statt. Die ersten Studenten kommen aus den USA, Thailand, Kanada, Deutschland und Indien. Und als Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten bringen sie bereits Kenntnisse in Politologie, Physik, Modedesign, Informatik, oder Kommunikationswissenschaften mit. Persönlichkeiten und Vorkenntnisse bestimmen auch den sozialen Umgang von Studenten und Dozenten.

    Es ist unüblich in einer Bibliothek Kaffee zu trinken. Bei vielen hier ist der Wunsch, über Medientechnologien andere Kulturen kennen zu lernen. Und das versuchen wir auch beide gegenseitig zu lehren.

    Mit beide meint Professor Hubertus von Amelunxen , Direktor der International School of New Media, ISNM, Greg Judlman. Er hat es sich gerade an dem kleinen Tisch in der Bibliothek im gläsernen Unterrichtsgebäude hoch über der Lübecker Trave gemütlich gemacht. Greg Judlman ist Physiker und stammt aus Kanada. Wie die anderen Mitstudenten ist er bereits ein gestandener Wissenschaftler. Er hat schon in Nordmarokko gearbeitet und dort Kommunikationsnetzwerke für eine Frauengruppe aufgebaut. Das Studium in Lübeck bringt dennoch ganz neue Erfahrungen.

    Wir sind nur 11 Studenten, sagt Greg Judlman, und deshalb gehen Professoren und Studenten sehr offen miteinander um. Während der Seminarstunden werde zwar intensiv gearbeitet, aber doch locker. Man könne jederzeit miteinander kommunizieren und seine eigenen Beiträge leisten. Außerdem könne man sich auch außerhalb der Seminarstunden immer mit Fragen an die Professoren wenden und seine Gedanken mit ihnen austauschen. Dazu ist vor allem die Bibliothek mit ihren 8 Computerarbeitstischen da, von denen fast jeder besetzt ist. Greg Judlman schildert die Vorteile gegenüber seinem ersten Studium in Kanada.

    Natürlich war das so, dass wir zu Beginn des Studiums mit mehreren Hundert Kommilitonen in einem Saal saßen, sagt Greg Judlman. Am Ende waren es dann im Schnitt 20 bis 25. Aber die ganze Zeit habe es nichts als Frontalunterricht gegeben. Thorsten Hofe hat sich inzwischen der kleinen Gruppe zugesellt und mehrfach genickt. Den Dozenten mit den Studenten zu verwechseln, das ist leicht. Denn er ist nicht älter als sie. Die Studenten wollen wissen, was er am meisten schätzt.

    Dass es, wie Greg gerade gesagt hat, sehr intensive Diskussionen gibt, die in keinster Weise an das erinnern, was man als Frontalunterricht, an Hierarchien an anderen Hochschulen oder Schulen kennt und dadurch der Diskurs sehr viel intensiver sein kann und man jede Frage zu fragen wagt und man sehr intensiv miteinander umgeht und sehr persönlich auch teilweise.

    Man hat es auch gesehen, an der Praxis, in der wir rekrutiert wurden, dass eben sehr viel über den Austausch stattfand, auch über ein persönliches Interesse. Nicole Podleschny ist noch zurückhaltender als die anderen. Aber die Absolventin einer privaten Fachhochschule für Betriebswirte hat festgestellt, dass sie bei dieser Art der Kommunikation nicht nur viel lernt, sondern auch viel über sich selbst erfährt, was ihr später im Beruf nützlich sein kann. Teamwork steht bei ihr an erster Stelle. Aber auch bei anderen. An einem der Computerarbeitstische kann man die Köpfe buchstäblich rauchen sehen. Der Soziologe Hans-Georg Braun und der Informatiker Rajender Reddy Vallapureddy aus Indien lösen gemeinsam ein Software-Problem. Auf die Frage, wer von wem gelernt habe, kommt die philosophische Antwort:

    Jeder Student, sagt Martin Stumpf, bringe seine Erfahrungen und sein Wissen selbstverständlich mit ein. Er hat in den USA seinen Bachelor of Arts gemacht hat und dann für die UNO in Kinshasa ein Netz von Rundfunkstationen aufgebaut hat, um den Friedensprozeß im Kongo voranzubringen. Alle Studenten beteiligen sich am Stundenplan und dem Aufbau der Schule. Die Mediendesigner unter den Studenten haben für die anderen einen Photoworkshop veranstaltet. Er als Toningenieur habe zwei Nachmittage lang seinen Kommilitonen gezeigt, wie man Töne bearbeitet. Dazu steht auf dem Campus ein ganzes Tonstudio zur Verfügung. An den Workshops nehmen auch die Professoren teil. Für Hubertus von Amelunxen ist es eine alltägliche Situation, die Position des Lehrenden für eine Weile zu verlassen und sich mit auch für ihn unbekannten Inhalten zu beschäftigen.

    Die Aufgabe dieser Hochschule im weitsten Sinne, ist es auch, neue Räume, neue Formen von Wissen zu schaffen über verschiedene Fragestellungen. Und die verschiedenen Fragestellungen können Sie nur neu schaffen, wenn sie Verständnis für das andere schaffen.

    Dass das schon nach einem Semester gelungen ist, kann Denise Brennan bestätigen. Sie lernt eifrig Deutsch, beherrscht Schwedisch und als Kanadierin spricht sie neben Englisch auch Französisch. Sie fühlt sich wohl, weil sie ihren sozialen Raum an der International School of New Media in Lübeck so gestaltet hat, wie sie das wollte. Und je weiter die Projekte gediehen seien, desto mehr wolle man auch gemeinsam daran arbeiten. Es sei einfach gemütlich hier.

    [Autorin: Annette Eversberg]