Morgens im Zentrum von St. Petersburg. Auf dem Bürgersteig vor einem Wohnhaus hat sich eine Warteschlange gebildet. Es sind vor allem junge Männer. Einige haben Papiere in Plastikhüllen in der Hand, einer ist auf Rollerskates gekommen. Sie warten auf die Sprechstunde des Komitees der Soldatenmütter. Die Soldatenmütter beraten junge Männer, die nicht zur Armee wollen oder deren Rechte bei der Einberufung verletzt werden. Roman ist 20 Jahre alt und hat vor wenigen Tagen eine Vorladung zur Musterung bekommen.
"Ich gehe noch zur Uni. Deshalb habe ich eigentlich einen Aufschub bis zum Sommer. Aber jetzt wollen sie mich auf einmal während des Studiums einberufen. Ich bin hier, um zu erfahren, was ich tun kann, um mein Recht durchzusetzen. Denn ich will erst zu Ende studieren, und wenn überhaupt, danach in die Armee."
Dem russischen Gesetz nach dürfen Studenten nicht eingezogen werden. In diesem Frühjahr versucht das Militär jedoch offenbar immer öfter, dies zu ignorieren. Denn es fehlen Wehrpflichtige. Auch viele seiner Kommilitonen seien vorgeladen worden, berichtet der Student Roman. Jetzt sind die jungen Männer verunsichert. Ella Poljakova, die Vorsitzende der Soldatenmütter, empfiehlt den Studenten, auf jeden Fall Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen.
"Letztes Jahr gab es eine regelrechte Treibjagd auf Studenten. Da wurden junge Leute, die nur ihre Immatrikulationsbescheinigung bei der Einberufungsstelle abgeben wollten, mit Gewalt in ein Auto gesetzt. Sie sollten direkt zur Sammelstelle gebracht und von dort zur Truppe geschickt werden. Zum Glück hat eine der Mütter dieser Jungen bei uns angerufen. Wir haben protestiert, haben die Presse alarmiert, und daraufhin wurden die Studenten freigelassen. Später haben wir sogar gegen das Militär prozessiert und gewonnen."
Ella Poljakova legt sich regelmäßig mit dem Militär an. Die russische Armee ist berüchtigt. Immer wieder werden Wehrpflichtige von Offizieren misshandelt und sogar in den Selbstmord getrieben. Die Soldatenmütter berichten von systematischen Gesetzesverstößen der "Kriegskommissariate", wie die Einberufungsstellen in Russland heißen. Vor allem die Armeeärzte werden kritisiert. Sie würden Atteste und Gutachten ziviler Ärzte ignorieren. Dadurch würden junge Männer eingezogen, die eigentlich ausgemustert werden müssten. Das bestätigt auch Aleksej Kozyrew, der Menschenrechtsbeauftragte der Stadt St. Petersburg:
"Mich wundert, wie sich die Militärärzte verhalten. Sie haben doch den hippokratischen Eid geleistet und müssten verhindern, dass Kranke in die Armee kommen. Es gibt eine genaue Liste mit den Krankheiten, aufgrund derer Männer ausgemustert werden. Aber die Ärzte verschließen davor die Augen. Sie arbeiten nicht für die Kranken, sondern für das Militär."
Und die Ärzte arbeiten – das prangern Kritiker immer wieder an – in die eigene Tasche. Die Einberufungsstellen gelten als korrupt. Wer zahlt, wird unter Umständen ausgemustert, auch wenn er gesund ist. Wer tatsächlich krank ist, hat das Nachsehen. Die Gesetzesverstöße bei der Einberufung sind so groß, dass sich mehrere Anwaltskanzleien auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Aleksej Ponomarjov leitet eine dieser Kanzleien in St. Petersburg.
"Heute erst war eine Frau hier, die mit ihrem kranken Sohn bei der Musterung war. Sie haben dort verschiedene Atteste von Fachärzten abgegeben, und jetzt sind diese Atteste weg. Die Frau war eine Woche jeden Tag bei der Stelle, und immer hieß es: Kommen Sie morgen wieder. Jetzt hat sie Angst, dass ihr Sohn eingezogen wird – weil die Papiere verschlampt wurden. Leider ist so etwas schon oft passiert."
Das Militär schweigt in der Regel zu den Vorwürfen. Der St. Petersburger Menschenrechtsbeauftragte Aleksej Kozyrew hat inzwischen eine Hotline einrichten lassen, bei der junge Männer anrufen können, wenn sie bei der Musterung in Schwierigkeiten geraten. Kozyrew garantiert, binnen zwei Tagen zu reagieren.
"Die Kriegskommissariate wissen, dass es schwer wird, den Plan zu erfüllen und 280.000 Wehrpflichtige einzuberufen. Das sind ja mehr als in den vergangenen Jahren, und das in den geburtenschwachen Jahrgängen. Die Militärs werden versuchen, den Plan um jeden Preis zu erfüllen. Wir dürfen das nicht zulassen."
"Ich gehe noch zur Uni. Deshalb habe ich eigentlich einen Aufschub bis zum Sommer. Aber jetzt wollen sie mich auf einmal während des Studiums einberufen. Ich bin hier, um zu erfahren, was ich tun kann, um mein Recht durchzusetzen. Denn ich will erst zu Ende studieren, und wenn überhaupt, danach in die Armee."
Dem russischen Gesetz nach dürfen Studenten nicht eingezogen werden. In diesem Frühjahr versucht das Militär jedoch offenbar immer öfter, dies zu ignorieren. Denn es fehlen Wehrpflichtige. Auch viele seiner Kommilitonen seien vorgeladen worden, berichtet der Student Roman. Jetzt sind die jungen Männer verunsichert. Ella Poljakova, die Vorsitzende der Soldatenmütter, empfiehlt den Studenten, auf jeden Fall Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen.
"Letztes Jahr gab es eine regelrechte Treibjagd auf Studenten. Da wurden junge Leute, die nur ihre Immatrikulationsbescheinigung bei der Einberufungsstelle abgeben wollten, mit Gewalt in ein Auto gesetzt. Sie sollten direkt zur Sammelstelle gebracht und von dort zur Truppe geschickt werden. Zum Glück hat eine der Mütter dieser Jungen bei uns angerufen. Wir haben protestiert, haben die Presse alarmiert, und daraufhin wurden die Studenten freigelassen. Später haben wir sogar gegen das Militär prozessiert und gewonnen."
Ella Poljakova legt sich regelmäßig mit dem Militär an. Die russische Armee ist berüchtigt. Immer wieder werden Wehrpflichtige von Offizieren misshandelt und sogar in den Selbstmord getrieben. Die Soldatenmütter berichten von systematischen Gesetzesverstößen der "Kriegskommissariate", wie die Einberufungsstellen in Russland heißen. Vor allem die Armeeärzte werden kritisiert. Sie würden Atteste und Gutachten ziviler Ärzte ignorieren. Dadurch würden junge Männer eingezogen, die eigentlich ausgemustert werden müssten. Das bestätigt auch Aleksej Kozyrew, der Menschenrechtsbeauftragte der Stadt St. Petersburg:
"Mich wundert, wie sich die Militärärzte verhalten. Sie haben doch den hippokratischen Eid geleistet und müssten verhindern, dass Kranke in die Armee kommen. Es gibt eine genaue Liste mit den Krankheiten, aufgrund derer Männer ausgemustert werden. Aber die Ärzte verschließen davor die Augen. Sie arbeiten nicht für die Kranken, sondern für das Militär."
Und die Ärzte arbeiten – das prangern Kritiker immer wieder an – in die eigene Tasche. Die Einberufungsstellen gelten als korrupt. Wer zahlt, wird unter Umständen ausgemustert, auch wenn er gesund ist. Wer tatsächlich krank ist, hat das Nachsehen. Die Gesetzesverstöße bei der Einberufung sind so groß, dass sich mehrere Anwaltskanzleien auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Aleksej Ponomarjov leitet eine dieser Kanzleien in St. Petersburg.
"Heute erst war eine Frau hier, die mit ihrem kranken Sohn bei der Musterung war. Sie haben dort verschiedene Atteste von Fachärzten abgegeben, und jetzt sind diese Atteste weg. Die Frau war eine Woche jeden Tag bei der Stelle, und immer hieß es: Kommen Sie morgen wieder. Jetzt hat sie Angst, dass ihr Sohn eingezogen wird – weil die Papiere verschlampt wurden. Leider ist so etwas schon oft passiert."
Das Militär schweigt in der Regel zu den Vorwürfen. Der St. Petersburger Menschenrechtsbeauftragte Aleksej Kozyrew hat inzwischen eine Hotline einrichten lassen, bei der junge Männer anrufen können, wenn sie bei der Musterung in Schwierigkeiten geraten. Kozyrew garantiert, binnen zwei Tagen zu reagieren.
"Die Kriegskommissariate wissen, dass es schwer wird, den Plan zu erfüllen und 280.000 Wehrpflichtige einzuberufen. Das sind ja mehr als in den vergangenen Jahren, und das in den geburtenschwachen Jahrgängen. Die Militärs werden versuchen, den Plan um jeden Preis zu erfüllen. Wir dürfen das nicht zulassen."