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Mit Atomkraft in die Zukunft?

In Finnland und Schweden hat der GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima noch keine politischen Debatten ausgelöst. Beide Länder haben sich vor nicht allzu langer Zeit für den Behalt und Ausbau der Kernenergie ausgesprochen.

Von Albrecht Breitschuh |
    Polen plant also ein AKW an der Ostsee. Mit deren Wasser werden schon heute einige andere Reaktoren gekühlt – etwa in Schweden und Finnland. Das soll auch künftig so sein:

    "Die Atomkraft erlebt eine Renaissance", sagt Fredrik Reinfeldt, Ministerpräsident von Schweden. Anfang dieses Monats äußerte er sich in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt:

    "Wir erlauben den Bau neuer Kraftwerke, unter der Voraussetzung, dass ein bereits existierendes stillgelegt wird."

    Schweden bezieht ein gutes Drittel seines Stroms aus Atomkraftwerken. Ähnlich ist es in Finnland. Beide Länder galten jahrelang als eher atomkritisch – wie auch Deutschland.

    In Finnland und Schweden hat der GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima noch keine politischen Debatten ausgelöst. Beide Länder haben sich vor nicht allzu langer Zeit für den Behalt und Ausbau der Kernenergie ausgesprochen, in Finnland sogar unter Einbeziehung der Grünen, die mit in der Regierung sitzen. In Schweden verkündete Ministerpräsident Fredrick Reinfeldt 2009 den Ausstieg aus dem Ausstieg. 1980 hatten sich die Schweden in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen, die Atomkraft innerhalb der nächsten 30 Jahre abzuwickeln:

    "Die Regierung hat einen historischen und in der Welt wohl einzigartigen Beschluss über Umwelt-, Klima- und Energiepolitik gefasst. Eine Welt, die in diesen Fragen nach politischer Führung sucht, kann sich an Schweden orientieren. Wir haben langfristige Voraussetzungen geschaffen, um Inverstoren nach Schweden zu locken, weil wir Versorgungssicherheit auf dem Energiesektor bieten. Außerdem weisen wir den Weg zur künftigen Vermeidung von CO2."

    Versorgungssicherheit und Klimaschutz. Das sind die wesentlichen Gründe, warum die Schweden an der Kernenergie festhalten. Von einem Ausbau kann streng genommen nicht die Rede sein, aber die zehn in Betrieb befindlichen Reaktoren können nun modernisiert werden, bleiben also am Netz. Gleichzeitig hatte die Regierung in Stockholm auch beschlossen, den Anteil an alternativen Energieformen zu erhöhen. Umfragen nach der Kehrtwende in der Energiepolitik zeigten, dass die Schweden mit deutlicher Mehrheit der Regierungslinie folgten.

    Auch das Thema Endlagerung taugt kaum, die schwedischen Gemüter in Wallung zu bringen. Als das für die Endlagerung von Atommüll zuständige Unternehmen "Svensk Kärnbränslehantering", kurz SKB, im letzten Jahr die Entscheidung zugunsten des Standortes Östhammar in der Nähe des AKWS Forsmark bekanntgab, gab es im Lande nicht nur keine Demonstrationen, in der Region selber warenüber 80 Prozent der Bewohner erleichtert:

    "Auch wenn wir künftig mehr mit erneuerbaren Energiequellen arbeiten, spielt die Kernkraft weiter eine wichtige Rolle",

    betont Gustaf Johansson. Für ihn gehe es vor allem um Versorgungssicherheit, deswegen sei es eine gute Entscheidung.

    "Eine gute Nachricht, die mir Vertrauen in die Zukunft gibt",

    sagt Linda Bergman, die ebenfalls in der Gemeinde Östhammar lebt.

    "Schön zu hören, vor allem für die, die dort arbeiten",

    findet schließlich Stig Hallin.

    Ein ähnlicher Pragmatismus herrscht in Finnland. Dort hat sich die Regierung im April für den Neubau zweier weiterer Meiler ausgesprochen, der Protest hielt sich in Grenzen. Stromsparen zählt kaum zu den finnischen Tugenden, die langen, kalten und dunklen Winter tragen ihren Teil dazu bei, darüber hinaus gibt es kaum ein technisches Gerät, das in einem durchschnittlichen Haushalt nicht gleich mehrfach zu finden ist. Die Papier-, Metall- und Chemieindustrie verschlingt Unmengen an Energie, der Stromverbrauch pro Kopf ist etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Neben der Versorgungssicherheit spielt die Unabhängigkeit von russischen Energieimporten eine große Rolle. Und auch was die Endlagerung angeht, herrschen ähnliche Zustände wie im benachbarten Schweden. Ab 2020 sollen in der Gemeinde Eurajoki in der Nähe des Kernkraftwerks Olkiluoto die Brennstäbe verwahrt werden, fast 100 Gemeinden hatten sich um den Zuschlag beworben. Und der Bürgermeister von Eurajoki, Hiitiö Harri, hat wie die große Mehrheit der Bewohner keine Bedenken:

    "Wir haben so viel darüber diskutiert, dass es uns langsam zum Hals heraushängt. Wir sind das einfach leid, schließlich blicken wir auf eine 40-jährige Atomkraftgeschichte zurück. Alles ist auf demokratischem Weg beschlossen worden, wir haben uns aus unzähligen Quellen über das Für und Wider informiert. Am Ende muss man eben entscheiden, welcher Quelle man traut. Und für uns Finnen ist es typisch, unseren Behörden zu vertrauen. Wenn die für Strahlenschutz sagt, das ist sicher, dann glauben wir das auch."

    Dass der GAU in dem japanischen Kraftwerk Fukushima eine neue Atomdebatte in Schweden oder Finnland entfacht, ist unwahrscheinlich. Und daran dass Fukushima überall ist, wie auf Transparenten deutscher Demonstranten zu lesen war, haben die Menschen hier auch ihre Zweifel.