Dirk Müller: Die Wahlen im Iran - unser Thema jetzt auch mit FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai, Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Guten Tag an diesem Samstag nach Bonn!
Bijan Djir-Sarai: Hallo, ich grüße Sie!
Müller: Herr Djir-Sarai, ist das plötzlich Demokratie?
Djir-Sarai: Nein, nein, das hat mit Demokratie gar nichts zu tun. Und man darf auch nicht vergessen, es sind ja nur bestimmte Kandidaten für die Endphase ja auch zugelassen worden. Und ich habe ja vorhin in dem Beitrag gehört, das Wort Reformer ist einige Male gefallen. Ich würde nicht so weit gehen, Herrn Rohani als Reformer zu bezeichnen. Aber unter den Kandidaten, die der Wächterrat zugelassen hat, ist er derjenige, wo man sagt, ihm trauen wir Reformen zu.
Müller: Weltweit wird er im Moment als Reformer teilweise dann auch in Anführungszeiten skizziert, vorgestellt, einige sagen, gemäßigter Kleriker. Das heißt, er ist immer noch der Beste unter Bösen?
Djir-Sarai: Also, er kann zumindest, er hat zumindest die Chance, eine andere Rhetorik einzuschlagen als sein Vorgänger. Sein Vorgänger hat ja allein durch seine Wortwahl in der Vergangenheit in der internationalen Gemeinschaft für sehr viel Unsicherheit gesorgt. Die Fehler kann er vermeiden. Und er kann auch aktiv – und ich glaube, diese Chance ist noch da –, er kann auch aktiv dazu beitragen, dass die Konflikte zwischen dem Iran und dem Westen sich beruhigen oder legen. Also, diese Chance hat er.
Allerdings, wie gesagt, mit dem Begriff Reformer würde ich sehr vorsichtig umgehen, das muss er noch beweisen. Und sollte er sich tatsächlich auch als Reformer zeigen in den nächsten Wochen und den nächsten Monaten, wird er mit Sicherheit von der internationalen Gemeinschaft auch ausreichende Unterstützung bekommen. Wir werden nicht noch mal den Fehler machen, den wir damals gemacht hatten, den Präsidenten Chatami im Prinzip im Stich zu lassen und nicht zu unterstützen, auch international, der Fehler dürfte sich nicht wiederholen.
Müller: In vielen Hintergrundberichten, die viele von uns jetzt gelesen haben im Zusammenhang mit der Wahl, gerade in der vergangenen Woche, war ja ganz oft die Essenz, es kommt gar nicht auf diesen Präsidenten an, sondern es kommt nach wie vor auf die Mullahs an, auf die Religionsführer, auf Religionsführer Chamenei in erster Linie. Wie relevant ist dennoch der iranische Präsident?
Djir-Sarai: Das ist völlig richtig, was Sie sagen, die entscheidenden Fragen in der Außenpolitik, beim Thema Atomfrage, das sind die Dinge, die nach wie vor der religiöse Führer Herr Chamenei entscheiden. Das heißt, dort ist der Einfluss des Präsidenten bescheiden. Zumindest kann der religiöse Führer immer die Entscheidung des Präsidenten und übrigens auch des iranischen Parlamentes korrigieren. Diese Möglichkeit hat der religiöse Führer.
Allerdings haben wir in der Vergangenheit gesehen, was für einen Schaden ein Präsident auch anrichten kann, wenn er zumindest in die falsche Richtung marschiert. Und das hat ja Herr Ahmadinedschad auch allein schon mit seiner Rhetorik und mit seinen Auftritten vor der internationalen Bühne bewiesen. Das heißt, ein Präsident kann viel falsch machen, und genau die Fehler sollte Rohani nicht wiederholen, sollte er überhaupt Präsident werden.
Müller: Herr Djir-Sarai, jetzt haben Sie das gleich auch zu Beginn des Interviews mächtig relativiert: Die Frage nach der Demokratie, sagen Sie, nein, hat mit Demokratie alles nichts zu tun, und er ist kein Reformer, weil die meisten Reformer, die wirkliche Reformer waren, ja gar nicht zugelassen wurden. Könnte, wenn es so kommt, dass er sich durchsetzt …
Djir-Sarai: Also, ja …
Müller: Die Frage noch zum einen, bitte, wenn er sich durchsetzen sollte beim ersten wie auch beim zweiten Wahlgang, könnte er dennoch ein berechtigter Hoffnungsträger der Opposition sein, der Reformer, der jungen Menschen?
Djir-Sarai: Also, die Hoffnung darf man ja nicht aufgeben. Und ich glaube schon, das ist auch die Stimmung, die ich selbst aus dem Land immer mitbekommen habe: Die Menschen sind im Prinzip dankbar für einen Kandidaten, der wie gesagt auch ansatzweise nach Reformen riecht. Dafür wäre man schon dankbar. Das heißt, die Menschen im Iran, gerade junge Leute, die unglaublich verzweifelt sind und im Prinzip auch nichts anderes mehr können, außer das Land zu verlassen, die iranische Mittelschicht, die übrigens sehr westlich orientiert ist, modern denkt, aber derzeit auch massiv unter den Auswirkungen der Sanktionen wirtschaftlich leidet, die sind wirklich dankbar für jede Form der Veränderung.
Und diese Hoffnung existiert und die verbindet man auch mit Rohani. Aber wie gesagt, er ist der Kandidat … Also, es hätte für die Iraner, so sagen das viele, es hätte auch heute viel, viel schlimmer kommen können. Sie wissen, es gab ja auch andere Kandidaten, die ganz, ganz eng mit dem religiösen Führer Chamenei verbunden sind. Und ich glaube, für viele Iraner ist das eine Erleichterung, dass diese Kandidaten zumindest bis jetzt im Hintergrund liegen.
Müller: Die Atompolitik, das ist das, was für die westliche Welt immer ganz besonders im Fokus steht. Wenn wir jetzt nach innen schauen, die Verfasstheit des iranischen Staates nach innen, da stehen ja Themen an auf dieser Wahlplattform von Rohani, wie Freilassung der politischen Gefangenen, dann Öffnung zum Westen, dann mehr Pressefreiheit. Wäre er tatsächlich in der Lage, zumindest in diese Richtung gehen zu können, das umsetzen zu können?
Djir-Sarai: Das wäre wünschenswert. Ich sage Ihnen, dass ich das eher derzeit noch etwas zurückhaltender betrachte. Ich glaube, die Widerstände allein im iranischen System sind sehr groß. Und Sie haben ja auch vorhin den Einfluss des religiösen Führers noch mal angesprochen. Ich glaube schon, dass Herr Chamenei alles daran setzen wird, damit diese Veränderungen nicht im Iran entstehen. Ich glaube, dass die Islamische Republik – und das wissen auch alle Kandidaten, die dort antreten –, die Islamische Republik Iran zu reformieren, ist eine große Herausforderung.
Und in dem Moment, wo man mit Reformen anfängt, wird auch automatisch im Iran die Frage kommen, ist denn überhaupt eine Islamische Republik nach wie vor notwendig oder brauchen wir was ganz anderes? Und das ist im Prinzip etwas, was die Grundsäulen der Republik, der Islamischen Republik gefährden würde, und deswegen können Leute wie Herr Chamenei oder andere aus dem konservativen Lager, aus dem Lager der Prinzipalisten, die können einfach diese Reformen nicht wollen. Deswegen werden auch Reformen im Iran massiv bekämpft.
Müller: Letzte Frage, ganz kurz: Könnte der wirtschaftliche Druck auf die Regierung, auf die Gesamtsituation im Iran nicht auch dazu beitragen, dass sich etwas ändert?
Djir-Sarai: Ich bin auch da skeptisch. Ich beobachte im Iran die Auswirkungen der Sanktionen, und da mache ich gelegentlich ein Fragezeichen, ob die Sanktionen richtig sind. Schauen Sie mal, ich habe das vorhin auch gesagt: Die Sanktionen treffen in erster Linie die Mittelschicht im Iran. Die Mittelschicht im Iran, das sind unglaublich gut ausgebildete Menschen, das sind Menschen, die modern denken, auch sehr westlich denken, viele, die meisten von denen, haben sogar Verwandte im Ausland. Das heißt, diejenigen, die quasi im Land Veränderung wollen, die sind wirtschaftlich am stärksten von den Sanktionen betroffen. Und darüber müssen wir uns Gedanken machen.
Und diejenigen, die wir eigentlich durch die Sanktionen unter Druck setzen wollen, die profitieren derzeit gerade von den Sanktionen, weil sie auch Ausweichmöglichkeiten haben, weil sie andere Möglichkeiten haben, quasi den legalen Warenverkehr zu umgehen. Und das ist etwas, wo ich mir die Frage zumindest stelle, ob das alles so richtig langfristig funktioniert.
Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai, Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag!
Djir-Sarai: Danke, Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bijan Djir-Sarai: Hallo, ich grüße Sie!
Müller: Herr Djir-Sarai, ist das plötzlich Demokratie?
Djir-Sarai: Nein, nein, das hat mit Demokratie gar nichts zu tun. Und man darf auch nicht vergessen, es sind ja nur bestimmte Kandidaten für die Endphase ja auch zugelassen worden. Und ich habe ja vorhin in dem Beitrag gehört, das Wort Reformer ist einige Male gefallen. Ich würde nicht so weit gehen, Herrn Rohani als Reformer zu bezeichnen. Aber unter den Kandidaten, die der Wächterrat zugelassen hat, ist er derjenige, wo man sagt, ihm trauen wir Reformen zu.
Müller: Weltweit wird er im Moment als Reformer teilweise dann auch in Anführungszeiten skizziert, vorgestellt, einige sagen, gemäßigter Kleriker. Das heißt, er ist immer noch der Beste unter Bösen?
Djir-Sarai: Also, er kann zumindest, er hat zumindest die Chance, eine andere Rhetorik einzuschlagen als sein Vorgänger. Sein Vorgänger hat ja allein durch seine Wortwahl in der Vergangenheit in der internationalen Gemeinschaft für sehr viel Unsicherheit gesorgt. Die Fehler kann er vermeiden. Und er kann auch aktiv – und ich glaube, diese Chance ist noch da –, er kann auch aktiv dazu beitragen, dass die Konflikte zwischen dem Iran und dem Westen sich beruhigen oder legen. Also, diese Chance hat er.
Allerdings, wie gesagt, mit dem Begriff Reformer würde ich sehr vorsichtig umgehen, das muss er noch beweisen. Und sollte er sich tatsächlich auch als Reformer zeigen in den nächsten Wochen und den nächsten Monaten, wird er mit Sicherheit von der internationalen Gemeinschaft auch ausreichende Unterstützung bekommen. Wir werden nicht noch mal den Fehler machen, den wir damals gemacht hatten, den Präsidenten Chatami im Prinzip im Stich zu lassen und nicht zu unterstützen, auch international, der Fehler dürfte sich nicht wiederholen.
Müller: In vielen Hintergrundberichten, die viele von uns jetzt gelesen haben im Zusammenhang mit der Wahl, gerade in der vergangenen Woche, war ja ganz oft die Essenz, es kommt gar nicht auf diesen Präsidenten an, sondern es kommt nach wie vor auf die Mullahs an, auf die Religionsführer, auf Religionsführer Chamenei in erster Linie. Wie relevant ist dennoch der iranische Präsident?
Djir-Sarai: Das ist völlig richtig, was Sie sagen, die entscheidenden Fragen in der Außenpolitik, beim Thema Atomfrage, das sind die Dinge, die nach wie vor der religiöse Führer Herr Chamenei entscheiden. Das heißt, dort ist der Einfluss des Präsidenten bescheiden. Zumindest kann der religiöse Führer immer die Entscheidung des Präsidenten und übrigens auch des iranischen Parlamentes korrigieren. Diese Möglichkeit hat der religiöse Führer.
Allerdings haben wir in der Vergangenheit gesehen, was für einen Schaden ein Präsident auch anrichten kann, wenn er zumindest in die falsche Richtung marschiert. Und das hat ja Herr Ahmadinedschad auch allein schon mit seiner Rhetorik und mit seinen Auftritten vor der internationalen Bühne bewiesen. Das heißt, ein Präsident kann viel falsch machen, und genau die Fehler sollte Rohani nicht wiederholen, sollte er überhaupt Präsident werden.
Müller: Herr Djir-Sarai, jetzt haben Sie das gleich auch zu Beginn des Interviews mächtig relativiert: Die Frage nach der Demokratie, sagen Sie, nein, hat mit Demokratie alles nichts zu tun, und er ist kein Reformer, weil die meisten Reformer, die wirkliche Reformer waren, ja gar nicht zugelassen wurden. Könnte, wenn es so kommt, dass er sich durchsetzt …
Djir-Sarai: Also, ja …
Müller: Die Frage noch zum einen, bitte, wenn er sich durchsetzen sollte beim ersten wie auch beim zweiten Wahlgang, könnte er dennoch ein berechtigter Hoffnungsträger der Opposition sein, der Reformer, der jungen Menschen?
Djir-Sarai: Also, die Hoffnung darf man ja nicht aufgeben. Und ich glaube schon, das ist auch die Stimmung, die ich selbst aus dem Land immer mitbekommen habe: Die Menschen sind im Prinzip dankbar für einen Kandidaten, der wie gesagt auch ansatzweise nach Reformen riecht. Dafür wäre man schon dankbar. Das heißt, die Menschen im Iran, gerade junge Leute, die unglaublich verzweifelt sind und im Prinzip auch nichts anderes mehr können, außer das Land zu verlassen, die iranische Mittelschicht, die übrigens sehr westlich orientiert ist, modern denkt, aber derzeit auch massiv unter den Auswirkungen der Sanktionen wirtschaftlich leidet, die sind wirklich dankbar für jede Form der Veränderung.
Und diese Hoffnung existiert und die verbindet man auch mit Rohani. Aber wie gesagt, er ist der Kandidat … Also, es hätte für die Iraner, so sagen das viele, es hätte auch heute viel, viel schlimmer kommen können. Sie wissen, es gab ja auch andere Kandidaten, die ganz, ganz eng mit dem religiösen Führer Chamenei verbunden sind. Und ich glaube, für viele Iraner ist das eine Erleichterung, dass diese Kandidaten zumindest bis jetzt im Hintergrund liegen.
Müller: Die Atompolitik, das ist das, was für die westliche Welt immer ganz besonders im Fokus steht. Wenn wir jetzt nach innen schauen, die Verfasstheit des iranischen Staates nach innen, da stehen ja Themen an auf dieser Wahlplattform von Rohani, wie Freilassung der politischen Gefangenen, dann Öffnung zum Westen, dann mehr Pressefreiheit. Wäre er tatsächlich in der Lage, zumindest in diese Richtung gehen zu können, das umsetzen zu können?
Djir-Sarai: Das wäre wünschenswert. Ich sage Ihnen, dass ich das eher derzeit noch etwas zurückhaltender betrachte. Ich glaube, die Widerstände allein im iranischen System sind sehr groß. Und Sie haben ja auch vorhin den Einfluss des religiösen Führers noch mal angesprochen. Ich glaube schon, dass Herr Chamenei alles daran setzen wird, damit diese Veränderungen nicht im Iran entstehen. Ich glaube, dass die Islamische Republik – und das wissen auch alle Kandidaten, die dort antreten –, die Islamische Republik Iran zu reformieren, ist eine große Herausforderung.
Und in dem Moment, wo man mit Reformen anfängt, wird auch automatisch im Iran die Frage kommen, ist denn überhaupt eine Islamische Republik nach wie vor notwendig oder brauchen wir was ganz anderes? Und das ist im Prinzip etwas, was die Grundsäulen der Republik, der Islamischen Republik gefährden würde, und deswegen können Leute wie Herr Chamenei oder andere aus dem konservativen Lager, aus dem Lager der Prinzipalisten, die können einfach diese Reformen nicht wollen. Deswegen werden auch Reformen im Iran massiv bekämpft.
Müller: Letzte Frage, ganz kurz: Könnte der wirtschaftliche Druck auf die Regierung, auf die Gesamtsituation im Iran nicht auch dazu beitragen, dass sich etwas ändert?
Djir-Sarai: Ich bin auch da skeptisch. Ich beobachte im Iran die Auswirkungen der Sanktionen, und da mache ich gelegentlich ein Fragezeichen, ob die Sanktionen richtig sind. Schauen Sie mal, ich habe das vorhin auch gesagt: Die Sanktionen treffen in erster Linie die Mittelschicht im Iran. Die Mittelschicht im Iran, das sind unglaublich gut ausgebildete Menschen, das sind Menschen, die modern denken, auch sehr westlich denken, viele, die meisten von denen, haben sogar Verwandte im Ausland. Das heißt, diejenigen, die quasi im Land Veränderung wollen, die sind wirtschaftlich am stärksten von den Sanktionen betroffen. Und darüber müssen wir uns Gedanken machen.
Und diejenigen, die wir eigentlich durch die Sanktionen unter Druck setzen wollen, die profitieren derzeit gerade von den Sanktionen, weil sie auch Ausweichmöglichkeiten haben, weil sie andere Möglichkeiten haben, quasi den legalen Warenverkehr zu umgehen. Und das ist etwas, wo ich mir die Frage zumindest stelle, ob das alles so richtig langfristig funktioniert.
Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der FDP-Politiker Bijan Djir-Sarai, Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag!
Djir-Sarai: Danke, Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.