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Mit dem Flugzeug ins All

Raumfahrt. - Zwei- bis dreifache Schallgeschwindigkeit - Soviel schaffen heutige Flugzeuge, vor allem natürlich Kampfjets. Doch schon lange träumen die Ingenieure von wesentlich schnelleren Flugzeugen, die mit Mach 7 oder gar mit Mach 15 durch die Lüfte donnern. Angesichts solcher rasenden Geschwindigkeiten spricht der Experte nicht mehr vom Überschall, sondern vom Hyperschall. An einem Hyperschalljet arbeitet vor allem die NASA: sie möchte eines Tages ihr Space Shuttle damit ersetzen. Einzelheiten dazu werden auf der derzeit im französischen Orléans stattfindenden Tagung ''Hypersonis 2002'' vorgestellt.

01.10.2002
    Von Frank Grotelüschen

    Seine Fachkollegen nennen ihn Mr. Hypersonic, Mr. Hyperschall. Denn schon seit langem arbeitet NASA-Forscher Chuck McClinton an seinem Ziel - an einem Flugzeug, mit dem man ins Weltall fliegen kann.

    Wir glauben, dass Hyperschallflugzeuge wesentlich sicherer sein würden als das Space Shuttle. Das Space Shuttle versagt bei jedem 300. Start. Das ist natürlich viel zu häufig, da wäre ein Hyperschalljet wesentlich zuverlässiger. Er wäre auch viel billiger, weil leichter. Er wiegt nur ein Fünftel eines Space Shuttles - also nicht viel mehr als ein Jumbo Jet.

    Die größte Herausforderung für das Hyperschallgefährt ist der Antrieb. McClinton und seine Kollegen setzen auf ein Konzept namens Scramjet.

    Das Space Shuttle hat einen Raketenantrieb und trägt den für die Verbrennung nötigen Sauerstoff mit an Bord. Ein Scramjet hingegen atmet den Sauerstoff aus der Luft, muss ihn also nicht mit sich herumschleppen. Er ähnelt einem Turbojet: Die Luft kommt von vorne ins Triebwerk, wird zusammengepresst und mit dem Treibstoff vermischt. Der Treibstoff wird dann sehr schnell verbrannt und treibt das Flugzeug an. Doch im Gegensatz zum Turbojet kommt der Scramjet ganz ohne bewegliche Teile aus.

    Will heißen: Das Prinzip des Scramjets ist simpler als das eines Turbojet. Das Schwierige aber ist die Umsetzung in die Praxis. Den in Windkanälen lässt sich die Sache nur im Ansatz erproben. Ob der Scramjet-Antrieb tatsächlich funktioniert, das können nur Testflüge zeigen. Also hat die NASA einen unbemannten Prototypen entwickelt - die X-43.

    Die X-43 soll Mach 7 fliegen, siebenfache Schallgeschwindigkeit, sagt McClinton. Zuerst bringt sie ein B52-Bomber auf eine Höhe von sieben Kilometern. Dann wird die X-43 ausgeklinkt und von einer Rakete auf Mach 7 beschleunigt. Danach trennt sich die Rakete von der X-43, der Scramjet zündet und treibt das Flugzeug etwa 10 Sekunden lang an.

    Am 2. Juni 2001 war es soweit, die X-43 sollte ihren Jungfernflug wagen. Doch soweit kam es nicht: Schon die Trägerrakete machte Ärger und geriet außer Kontrolle. Die NASA-Ingenieure mussten die X-43 notsprengen, noch bevor sie den Scramjet überhaupt hatten zünden konnten. Doch Mr. Hyperschall wäre nicht Mr. Hyperschall, wenn er so schnell aufgeben würde. Chuck McClinton bastelt schon am nächsten Prototypen.

    Wir hoffen, dass wir innerhalb eines Jahres fliegen können. Im Moment streben wir nächsten September an, September 2003.

    Beim diesem nächsten Versuch soll die Rakete aus 14 Kilometern Höhe ausgeklinkt werden statt aus sieben. Für 2006 sind dann Testflugzeuge geplant, die den Scramjet nicht nur für 10 Sekunden zuschalten können, sondern für längere Zeit. Diese verbesserten Prototypen sollen gekühlte Triebwerke besitzen. Denn ein Scramjet kann bis zu 3000 Grad heiß werden.

    Das Ziel ist letztlich, bis zum Jahre 2015 zu beweisen, dass sich ein Flugzeug von Null auf Mach 15 beschleunigen lässt, sagt McClinton. Dann ist es so hoch gestiegen, dass die Luft zu dünn wird für das Triebwerk. Also wird man bei Mach 15 eine relativ kleine Raketenstufe zünden. Und die wird dann die restliche Strecke bis zum Orbit schaffen.

    Ganz ohne Rakete wird man also auch mit einem Hyperschallflugzeug nicht ins All fliegen können. Nur ist diese Rakete dann eben viel kleiner als die des Space Shuttles.