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Mit dem Kleinbus von Moschee zu Moschee

Es ist Wahlkampf in NRW und die Parteien wollen Aufmerksamkeit bei potenziellen Wählern erzeugen. Die vom Verfassungsschutz beobachtete rechtspopulistische Partei pro NRW zieht derzeit von Moschee zu Moschee und provoziert mit anti-islamischen Karikaturen.

Von Melanie Longerich |
    Im großen Aufenthaltsraum der Fatih-Moschee gibt es massenweise Tee. Eng ist es hier. Viele Bochumer sind an diesem Donnerstagmorgen zur Moschee nach Griesenbruch gekommen. Zur Verstärkung und Unterstützung. Für elf Uhr hat sich die rechtsradikale Splitterpartei pro NRW angekündigt, vor dem Gebäude eine Kundgebung abzuhalten. Dem nicht genug: Die Rechtsradikalen werden die umstrittenen Karikaturen des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard zeigen. Jetzt gibt es erst einmal Schnittchen. Die schmiert die 24-jährige (Name auf Wunsch entfernt) und viele andere Moscheemitglieder.

    "Das ist vielleicht auch eine Möglichkeit, sich positiv darzustellen. Weil die Aufmerksamkeit wird darauf gezogen. Und damit haben wir die Gelegenheit, unsere eigentliche Seite zu zeigen, weil oft wird von der Gesellschaft ein anderes Bild wahrgenommen, was nicht stimmt. Und so kann durch was Negatives vielleicht auch noch was Positives aufgerufen werden."

    (Name auf Wunsch entfernt), klein, schwarzer Mantel, schwarz-weiß geblümtes Kopftuch, blickt gelassen. Dass ausgerechnet ihre Moschee in diesem Jahr Teil der Wahlkampfaktion von pro NRW wird, kann sie nicht ändern, sagt sie. Noch bis Mitte nächster Woche reisen die Rechten im Kleinbus durch Nordrhein-Westfalen und machen Halt vor vielen Moscheen.

    "Ich wohn hier um die Ecke, und als ich heute Morgen die vielen Polizisten hier sah, hab ich schon ein bisschen mulmiges Gefühl gehabt. Aber als ich hier rein kam, habe ich die vielen Menschen gesehen, die jetzt eigentlich nicht zu unserer Gemeinde gehören. Und das hat mein Gefühl noch einmal bestärkt, dass diese Menschen in der Minderheit sind. Das ist nicht Deutschland."

    Doch das kann auch Deutschland sein. Am 1. Maifeiertag etwa in Solingen. Dort war die Lage eskaliert, nachdem pro NRW vor einer salafistischen Moschee wieder einmal mit großem Pomp das schwarze Tuch einem großen Plakat gezogen hat: Es wurden sichtbar die Prophet Mohammed verspottenden Karikaturen.

    Radikale Salafisten reagierten mit Gewalt, sprangen über Absperrungen und warfen Steine nach den Polizisten. Drei Beamte und viele Passanten wurden verletzt, 30 Angehörige der Salafisten festgenommen. Die Bochumer Fatih Moschee gehört zur islamischen Gemeinschaft Milli Görüs – die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft wird. (Name auf Wunsch entfernt) schüttelt den Kopf:

    "Es gibt Millionen Muslime in der Welt, man kann nicht für alle sprechen, so wie es in der christlichen Religion auch unterschiedliche Ideologien gibt, gibt es die eben auch im Islam. Aber die eigentliche Ideologie ist es, friedlich miteinander umzugehen. Und wenn es so eine Aktion gegen uns gibt, dass müssen wir friedlich handeln. Wir dürfen nicht schweigen, wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, wir müssen was tun, aber auch der friedlichen Art und Weise."

    Und genau dafür stehe auch ihre Gemeinde. Neben (Name auf Wunsch entfernt) hat sich Abdulla Albayram aufgebaut, Mitglied im Vorstand der Moschee. Der 55-Jährige schüttelt den Kopf. 30 Jahre lebt er in Deutschland, hat in Bochum studiert, wie mittlerweile auch seine Kinder:

    "Kann niemand sagen, dass wir Fanatiker sind, wir sind ganz normale Menschen und moderne Muslime. Wir wollen in unserer Moschee nur unsere religiösen Bedürfnisse ausüben."
    Er ist es schon lange leid, immer für Wahlkampfveranstaltungen der Rechten missbraucht zu werden. Missmutig schüttelt er den Kopf: Die Aktion von pro NRW gehe eindeutig zulasten der Muslime. Ob er sich missbraucht fühlt?

    "Ja sicher, natürlich, wir wollen nicht von Politikern benutzt werden. Ich zum Beispiel bin über 30 Jahre hier, seit 1980, ich habe hier Betriebswirtschaft studiert, meine Kinder sind hier in die Uni gegangen, wir sind ganz modern, was wollen die von uns."

    Uli Borchert von Bochum gegen Rechts hat zugehört. Seit Jahren setzt er sich in Bochum gegen rechte Aktionen ein, die Gegenkundgebung, die am anderen Ende der Straße schon angefangen hat, hat er mitorganisiert. Anfangs seien die Moscheemitglieder noch zögerlich gewesen, wirklich auf die Straße zu gehen, und zu protestieren. Man wolle lieber leise sein, sagt Uli Borchert, und nicht wieder auffallen. Aber das sei hier der falsche Weg:

    "Pro NRW ist 'ne islamfeindliche Organisation. Und ignorieren, und so zu tun als gäbe es diese Position nicht, wäre inhaltlich einfach auch falsch"

    ,meint Uli Borchert und blickt auf die Bochumer, die sich auf dem schmalen Gehweg am Eingang zur Moschee schon aufgebaut haben. Auf der anderen Straßenseite blicken die Polizisten gelassen zu den gut 50 Demonstranten: Schüler schwenken Fahnen, Rentner halten Plakate: "Gegen Nazis" ist darauf zu lesen oder "Gemeinsam sind wir stark.

    Tröten und Pfiffe, als der Kleinbus von pro NRW um die Ecke biegt und 50 Meter weiter vor einem Altenheim stoppt, gut zehn Männer steigen aus, stellen Lautsprecher auf, halten Schilder in die Höhe mit einer durchgestrichenen Moschee. Die Senioren verfolgen im Speisesaal bei Braten und Kartoffeln Lars Seidensticker von der Berliner pro-Partei. Er greift für seine Rede zu steilen Thesen:

    "Wir wissen, dass Allah nicht Gott ist, wir wissen das Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist ist und wir wissen, dass die Moslems Kenntnis davon haben, dass man nur, ausschließlich und nur über einen Weg das Heil erlangen kann. Und zwar über Jesus Christus. Kämpft gegen die Nazirufe an, das Deutschland soll unser Land bleiben."

    Die Wahlkampfrede der Rechten geht im Pfeifkonzert unter. Lars Seidenstocker hält die Karikaturen in die Höhe, Volksverhetzer antwortet die Menge. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. (Name auf Wunsch entfernt) steht wieder bei ihren Broten, mulmig ist ihr nicht mehr, für sie war der Tag ein voller Erfolg:

    "Jetzt machen die Frauen noch mehr Brötchen für unsere Gäste. Ich bin froh, dass das Haus so voll ist. Es hat eigentlich gezeigt, was Deutschland wirklich ist, was Bochum wirklich ist. Wir leben in Bochum, wir fühlen uns hier Zuhause."