Semesterbeginn an den türkischen Universitäten, wie in jedem September kehren die Studenten an die Hochschulen zurück. Kandidatinnen im Kopftuch müssen allerdings draußen bleiben, das ist in der Türkei seit dem letzten Militärputsch so, seit über 25 Jahren. Eine große Ungerechtigkeit, findet die Studienkandidatin Sevinc Kemer:
"Wir wollen nur unser Recht auf Bildung und dieselben Freiheiten wie andere Studenten auch. Wir lieben unser Land und achten die Entscheidungen unseres Staates. Aber wir wünschen uns, dass der Staat auch an uns denkt und diese Verbote aufhebt."
Dieser Wunsch soll in Erfüllung gehen, wenn es nach Ministerpräsident Erdogan und seiner AK-Partei geht. Mit einer satten Mehrheit für eine zweite Regierungsperiode wiedergewählt und einem gleichgesinnten Staatspräsidenten an ihrer Seite, steht die Regierungspartei unter hohem Druck ihrer Wähler, das Kopftuchverbot an den Universitäten abzuschaffen. Schließlich tragen zwei von drei Frauen in der Türkei das Kopftuch – und die meisten von ihnen haben Erdogan gewählt.
Die Frage für die Regierung ist nun, wie sie das Kopftuchverbot aufheben kann. Ein entsprechendes Gesetz gibt es nämlich nicht, das mit der Regierungsmehrheit im Parlament zu ändern wäre; in der Verfassung steht auch nichts vom Kopftuchverbot. Das türkische Kopftuchverbot ist eine Art übergesetzliches Verbot, das von der letzten Militärregierung erlassen und seither von den Gerichten aufrecht erhalten wurde. Der Weg zur Abschaffung des Verbots, so die Lösung, führt über eine neue Verfassung – und an der wird bereits gearbeitet. Wie das aussehen könnte, schildert der Verfassungsrechtler Yavuz Atar von der Selcuk-Universität in Konya, der dem wissenschaftlichen Beirat für die neue Verfassung angehört:
"Man könnte in der neuen Verfassung in etwa so formulieren, dass niemand seines Rechtes auf Bildung beraubt werden darf – und zwar aus welchem Grund auch immer. Wir wollen jeder Art von Diskriminierung vorbeugen, das Kopftuchproblem ist ja nicht das einzige Problem, das die Türkei mit den Grundfreiheiten hat – man denke nur an die Anhänger anderer Religionen und Lebensweisen."
So unanstößig dieser Vorschlag klingt – die Verfechter des Kopftuchverbotes sind tief erschrocken und gehen auf die Barrikaden. Wenn Studentinnen mit Kopftuch in den Hörsaal gelassen würden, dann wäre das der Anfang vom Ende der Republik, befürchtet der Rektor der Nahost-Universität in Ankara, Professor Ural Akbulut:
"Schon der kleinste Abstrich am Laizismus löst eine Lawine aus, wie wir sie schon im Nahen Osten und in Nordafrika gesehen haben, in Iran, in Libyen oder in Malaysia. Dort gab es früher auch keine Probleme mit Studentinnen im Kopftuch, aber sobald die kleinsten Zugeständnisse gemacht wurden, setzte ein gesellschaftlicher Druck zum Tragen des Kopftuches ein, so dass man etwa in Libyen heute auf den Straßen oder an den Universitäten keine Frauen ohne Kopftuch mehr sieht, obwohl kein Gesetz das verbietet."
Und was mit dem Kopftuch anfange, das höre dort nicht auf, warnt Akbulut:
"Das geht dann ganz schnell bis zum Tschador, das geht bis zur Burka, da gibt es dann kein Ende mehr, und das bedeutet den Untergang der Demokratie."
Akbulut ist mit seinen Befürchtungen nicht alleine. Die meisten Hochschulrektoren, aber auch viele Hochschulabsolventen denken so wie er, ein Gutteil der gebildeten Elite der Türkei – schließlich sind keine Kopftuchträgerinnen unter ihnen. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung denkt aber anders, sagt die Politologie-Professorin Binnaz Toprak von der Bosporus-Universität in Istanbul:
"Meinen Untersuchungen zufolge sind 75 Prozent der Türken dafür, das Kopftuch zu erlauben. Allerdings ist ein einflussreicher Teil der Gesellschaft absolut dagegen, und daher kommen die Spannungen."
In dem Streit stehen sich nun wieder dieselben Fronten gegenüber wie beim Konflikt um das Präsidentenamt im Frühjahr – und beide Seiten suchen Verbündete in Europa. Die Europäische Union werde die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort abbrechen, wenn das Kopftuchverbot an den Universitäten gelockert werde, warnte die kemalistische Zeitung "Cumhuriyet" jetzt. Im Gegenteil, erwiderte Staatspräsident Gül: Die Reform orientiere sich am Vorbild der Europäischen Union, wo das Kopftuch schließlich auch nicht verboten sei.
"Wir wollen nur unser Recht auf Bildung und dieselben Freiheiten wie andere Studenten auch. Wir lieben unser Land und achten die Entscheidungen unseres Staates. Aber wir wünschen uns, dass der Staat auch an uns denkt und diese Verbote aufhebt."
Dieser Wunsch soll in Erfüllung gehen, wenn es nach Ministerpräsident Erdogan und seiner AK-Partei geht. Mit einer satten Mehrheit für eine zweite Regierungsperiode wiedergewählt und einem gleichgesinnten Staatspräsidenten an ihrer Seite, steht die Regierungspartei unter hohem Druck ihrer Wähler, das Kopftuchverbot an den Universitäten abzuschaffen. Schließlich tragen zwei von drei Frauen in der Türkei das Kopftuch – und die meisten von ihnen haben Erdogan gewählt.
Die Frage für die Regierung ist nun, wie sie das Kopftuchverbot aufheben kann. Ein entsprechendes Gesetz gibt es nämlich nicht, das mit der Regierungsmehrheit im Parlament zu ändern wäre; in der Verfassung steht auch nichts vom Kopftuchverbot. Das türkische Kopftuchverbot ist eine Art übergesetzliches Verbot, das von der letzten Militärregierung erlassen und seither von den Gerichten aufrecht erhalten wurde. Der Weg zur Abschaffung des Verbots, so die Lösung, führt über eine neue Verfassung – und an der wird bereits gearbeitet. Wie das aussehen könnte, schildert der Verfassungsrechtler Yavuz Atar von der Selcuk-Universität in Konya, der dem wissenschaftlichen Beirat für die neue Verfassung angehört:
"Man könnte in der neuen Verfassung in etwa so formulieren, dass niemand seines Rechtes auf Bildung beraubt werden darf – und zwar aus welchem Grund auch immer. Wir wollen jeder Art von Diskriminierung vorbeugen, das Kopftuchproblem ist ja nicht das einzige Problem, das die Türkei mit den Grundfreiheiten hat – man denke nur an die Anhänger anderer Religionen und Lebensweisen."
So unanstößig dieser Vorschlag klingt – die Verfechter des Kopftuchverbotes sind tief erschrocken und gehen auf die Barrikaden. Wenn Studentinnen mit Kopftuch in den Hörsaal gelassen würden, dann wäre das der Anfang vom Ende der Republik, befürchtet der Rektor der Nahost-Universität in Ankara, Professor Ural Akbulut:
"Schon der kleinste Abstrich am Laizismus löst eine Lawine aus, wie wir sie schon im Nahen Osten und in Nordafrika gesehen haben, in Iran, in Libyen oder in Malaysia. Dort gab es früher auch keine Probleme mit Studentinnen im Kopftuch, aber sobald die kleinsten Zugeständnisse gemacht wurden, setzte ein gesellschaftlicher Druck zum Tragen des Kopftuches ein, so dass man etwa in Libyen heute auf den Straßen oder an den Universitäten keine Frauen ohne Kopftuch mehr sieht, obwohl kein Gesetz das verbietet."
Und was mit dem Kopftuch anfange, das höre dort nicht auf, warnt Akbulut:
"Das geht dann ganz schnell bis zum Tschador, das geht bis zur Burka, da gibt es dann kein Ende mehr, und das bedeutet den Untergang der Demokratie."
Akbulut ist mit seinen Befürchtungen nicht alleine. Die meisten Hochschulrektoren, aber auch viele Hochschulabsolventen denken so wie er, ein Gutteil der gebildeten Elite der Türkei – schließlich sind keine Kopftuchträgerinnen unter ihnen. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung denkt aber anders, sagt die Politologie-Professorin Binnaz Toprak von der Bosporus-Universität in Istanbul:
"Meinen Untersuchungen zufolge sind 75 Prozent der Türken dafür, das Kopftuch zu erlauben. Allerdings ist ein einflussreicher Teil der Gesellschaft absolut dagegen, und daher kommen die Spannungen."
In dem Streit stehen sich nun wieder dieselben Fronten gegenüber wie beim Konflikt um das Präsidentenamt im Frühjahr – und beide Seiten suchen Verbündete in Europa. Die Europäische Union werde die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort abbrechen, wenn das Kopftuchverbot an den Universitäten gelockert werde, warnte die kemalistische Zeitung "Cumhuriyet" jetzt. Im Gegenteil, erwiderte Staatspräsident Gül: Die Reform orientiere sich am Vorbild der Europäischen Union, wo das Kopftuch schließlich auch nicht verboten sei.