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Mit dem "Skalpell"

Nicht mit dem Hammer, sondern dem "Skalpell" wollen die USA gegen weltweiten Terrorismus vorgehen. Verdeckte Operationen sind von jeher ein beliebtes Instrument im militärpolitischen Arsenal. Aber die Öffentlichkeit fragt kritisch nach dem wirklichen Nutzen dieser Strategie, besonders wenn sogenannte "Kollateralschäden" zu beklagen sind.

Von Katja Ridderbusch |
    "In all our efforts, we will exercise force prudently, recognizing that we often need to use a scalpel, not a hammer."

    Ein Skalpell – und keinen Hammer – wolle Amerika im Kampf gegen den Terror einsetzen. Das sagte John Brennan, Chefberater von Präsident Barack Obama, zuständig für Heimatschutz und Terrorbekämpfung.

    Die Hammermethode: Das sind Kriege im Irak und in Afghanistan, das sind mehr als 6700 getötete Soldaten und das ist eine Öffentlichkeit, die nicht mehr mitmachen will, was ihr Präsident ihr vorgibt.

    Die Skalpellmethode: Das sind verdeckte Operationen in einem Dutzend Länder von Nordafrika über Pakistan bis zu ehemaligen Sowjetrepubliken, durchgeführt von amerikanischen Geheimdiensten, Spezialeinheiten des Militärs und privaten Söldnerfirmen.

    In diesen Tagen erst berichtete die "New York Times" über Amerikas Schattenkriege gegen das Terrornetzwerk von El Kaida. Der Grund: Mit Beginn der Ära Obama haben diese eklatant zugenommen. In dem Beitrag heisst es:
    "Die geheimen Kriege begannen bereits unter der Bush-Administration. Aber sie wurden ausgeweitet unter Präsident Obama. Der hatte die Wahl auch deshalb gewonnen, weil er gegen den Irakkrieg war."

    Von mehr Transparenz bei künftigen Militäraktionen, wie sie Obama noch in seinem Wahlkampf versprach, ist im Dickicht der verdeckten Operationen nichts zu spüren. Und auch sonst klingen die markigen Worte von Obamas Terrorberater John Brennan nicht allzu neu:

    "The President’s strategy is unequivocal with regard to our posture. The United States of America is at war."

    Amerika ist im Krieg. Und die Kriege – ob nun mit Hammer oder Seziermesser geführt – verlaufen nicht immer nach Plan; sogenannte "Kollateralschäden" sind auch bei verdeckten Operationen keine Seltenheit. Die "New York Times" beschreibt eine Serie von geheimen Antiterror-Einsätzen der USA in Jemen: Luftschläge mit Streubomben, bei denen 40 Zivilisten, darunter auch ein prominenter Lokalpolitiker, getötet wurden.
    Verdeckte Operationen: Sie seien von jeher ein beliebtes Instrument im militärpolitischen Arsenal nicht nur der amerikanischen Regierung, sagt Dan Reiter, Politikwissenschaftler an der Emory Universität in Atlanta:

    "Der Vorteil verdeckter Operationen und die Verlockung, die von ihnen ausgeht, besteht in der Option, die Verantwortung dafür abzustreiten. Eine Regierung hofft, damit ihre Ziele zu erreichen - ohne die Kosten dafür zu übernehmen."

    Manchmal aber schlägt eine geheime Operation eben fehl oder wird aufgedeckt, so wie vor Kurzem im Jemen oder, das wohl bekannteste Beispiel: bei der berüchtigten Schweinebuchtinvasion in Kuba im Jahr 1961. Dann sei das Risiko eines Misserfolgs, so der Politikwissenschaftler, deutlich größer als der Nutzen einer verdeckten Operation:

    "In diesem Fall sind die politischen Kosten sehr viel höher als bei einem offen geführten Krieg. Weil es nämlich so aussieht, als wolle die Regierung den Einsatz vertuschen."

    Eine weitere Gefahr, auf die Militärexperten hinweisen: Bei der Vielzahl der verdeckten Operationen vermischen sich die Aufgaben und Rollen – von Soldaten, Söldnern, Spionen. Und auch die Grenzen zwischen den verschiedenen Organisationen verschwimmen. So heisst es in dem Artikel der "New York Times":

    "Die Regierung und deren politische Zielsetzung haben dafür gesorgt, die Transformation der CIA in eine paramilitärische Organisation voranzutreiben. Das Pentagon wird derweil immer mehr zu einer Art CIA, und Spezialeinheiten des Militärs übernehmen Spionageaufgaben, die eigentlich zivilen Nachrichtendiensten vorbehalten sind."

    Paul Salopek ist Reporter bei der amerikanischen Tageszeitung "Chicago Tribune". Er recherchierte in Somalia über verdeckte amerikanische Aktivitäten:

    "Die Amerikaner sind in Somalia so gut wie unsichtbar. Da ist es schwierig, als Reporter über die Aktivitäten der USA zu berichten, denn eigentlich ist Amerika ja gar nicht da. Das ist also in weiten Teilen ein verdeckter Krieg."

    Und genau darin liegt die Logik von verdeckten Operationen: Sie laufen an der Öffentlichkeit vorbei – keine Debatte, keine Kontroverse, vor allem aber: keine öffentliche Kontrolle. So ist es auch kein Zufall, dass die Sicherheitsexperten der großen "Think Tanks" in Washington – viele von ihnen ehemalige Regierungsangestellte oder Militärs - den Artikel in der "New York Times" – auch auf Anfrage hin - nicht kommentieren wollten.

    "The cost is that, covert actions are not often subject to open debate between government and society or even within government. In the US there are a number of examples of covert actions which were kept relatively secret and turned out to be disastrous."

    In der Geheimhaltung liege allerdings auch das große Risiko von verdeckten Kriegen, sagt Politikwissenschaftler Dan Reiter: Operationen, die vor der Gesellschaft und sogar innerhalb der Regierung geheim gehalten wurden, endeten für Amerika schon oft im Desaster.