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Brian Lies: „So groß wie der Himmel“
Mit den Händen und mit dem Herzen fühlen

Der Amerikaner Brian Lies ist eigentlich für seine Fledermaus-Geschichten berühmt. In seinem aktuellen, preisgekrönten Bilderbuch erzählt er aber von der Freundschaft zwischen einem Fuchs und einem Hund - und von einem bitteren Verlust.

Von Thomas Linden | 28.01.2023
Brian Lies: "So groß wie der Himmel"
In Brian Lies' Bilderbuch bewirtschaftet der Fuchs Eddie einen prächtigen Garten (Illustration: Peter Hammer Verlag)
Eddie ist immer mit seinem Hund zusammen. Er spielt mit ihm, sie hören gemeinsam Musik und verbringen viel Zeit mit der Bewirtschaftung eines prächtigen Gartens. Der Hund genießt seine Rolle als Begleiter von Eddie, dem Protagonisten in Brian Lies' Bilderbuch "So groß wie der Himmel". Im amerikanischen Original trägt das Buch den Titel "The Rough Patch", was sich mit "Eine schwierige Zeit" übersetzen ließe.

Die Faszination der Welt

Der Illustrator Brian Lies entwickelte mit Eddie eine Figur, die einem Fuchs gleicht, der auf seiner gutmütigen Schnauze eine Brille trägt und ansonsten im Körper eines in die Jahre gekommenen Mannes steckt. In der Partnerschaft mit seinem Hund erfährt Eddie die Faszination der Welt mit ihren kleinen Abenteuern und Freuden.
Gemeinsam fahren die beiden ins nahe Dorf. Und wenn man sieht, wie entspannt Eddie mit den Kumpeln aus der Nachbarschaft plaudert, dann spürt man, wie die Anwesenheit des geliebten Wesens ihm offenbar Selbstbewusstsein verleiht. Es ist der Blick für die Gesten, der die Bilder von Brian Lies mit Emotionen auflädt. Das zeigt sich, als der Hund plötzlich stirbt. Wir sehen aus der Distanz, wie sich Eddie erschüttert über den Korb des Hundes beugt. Auch wenn Eddies Gesicht und die Augen abgewandt sind, ist zu erkennen, wie tief er getroffen ist:
"Eddie begrub seinen Hund in einer Ecke des Gartens… und nichts war mehr wie zuvor. Eddie verkroch sich in seinem Haus. Ohne seinen Freund war der Garten ein bitterer und einsamer Ort. Eines Morgens holte Eddie die Hacke und ging in den Garten. Wütend schwang er sie durch die Luft und riss das ganze Grünzeug nieder."

Trauer verwandelt sich in Zorn

Auf die Schaufel gestützt, steht Eddie zunächst ratlos am Grab des verstorbenen Gefährten. Dann verwandelt sich die Trauer in Zorn. Brian Lies dosiert subtil die Rottöne in einer Welt aus Grün und Braun. Der Garten wird mit einer großen Schere beschnitten, so dass bald jeder Baum und jeder Strauch Eddies Verzweiflung in den Himmel schreien. Die schwere Zeit des Kummers ist angebrochen, die der Titel prophezeit hat. Aber sie endet auch wieder, und das geschieht ganz sachte:
„Als Eddie eine Kürbispflanze bemerkte, die unter dem Zaun hervorgekrochen kam, hob er seine Hacke, um sie zu vernichten. Doch dann betrachtete er ihre haarigen Stängel, die über den Boden wanderten. Er stellte die Hacke zur Seite. Die Kürbispflanze wuchs und wuchs, und so begann Eddie, sie zu gießen und ihr das Unkraut aus dem Weg zu räumen."
Ein mächtiger Kürbis wächst, dessen Fruchtbarkeit Eddies Lebensgeister weckt.

Die Kraft, die zum Licht will

Brian Lies wechselt wie ein Filmregisseur von der Totalen in die Nahaufnahme. Damit lenkt er unsere Aufmerksamkeit hin zu jener geheimnisvollen Kraft, die zum Licht will. Mit der Wahl seines Blickwinkels dramatisiert der Illustrator die Geschichte. Zumeist blicken wir von unten aus der Perspektive der Pflanzen, der Tiere und vor allem der Kinder auf die Welt, so dass alles groß und bedeutend wirkt. Nun wechselt Lies seinen Fokus. Eddie fühlt sich erleichtert und schon blicken wir von oben, wie von einem Turm auf die Welt da unten, als er mit dem Kürbis auf der Ladefläche des Pickup an einem Wettbewerb im Dorf teilnimmt:
"Er traf ein paar Freunde und unterhielt sich mit ihnen. Es fühlte sich gut an, wieder einmal unter Leuten zu sein, auch wenn es nicht ganz so war wie früher. Eddies Kürbis schaffte es auf den dritten Platz.
,Als Preis gibt es zehn Dollar oder einen Welpen aus der Kiste', verkündete die Preisrichterin.
,Ich nehme das Geld', sagte Eddie."
Dann öffnet er aber doch noch einmal die Kiste, aus der ein Scharren zu vernehmen ist. Deshalb sehen wir auf dem letzten Bild, wie sich der Pickup mit Eddie entfernt und neben ihm etwas Kleines mit abstehenden Ohren auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Die Reifen des Wagens schweben leicht über der Straße. Offenbar erzählt auch das Auto vom neuen Glück, das Eddie erfasst hat.

Präziser Realismus

Es ist diese Detailtreue, die dem präzisen Realismus von Brian Lies seine Kraft verleiht. Die Kombination aus visueller Originalität und dynamischer Bildsprache mag eine Rolle gespielt haben bei der Vergabe der Auszeichnung als Caldecott Honor Book. Der spärliche, aber klug entwickelte Text funktioniert wie das Öl eines perfekt laufenden Motors. Man kann diese Bilder immer wieder anschauen, auf denen die Oberflächen des Tierfells, der Pflanzen oder der Stoff von Eddies Hemd so naturalistisch gemalt sind, dass unsere Augen gleich wissen, wie sie sich anfühlen würden. Brian Lies hat verstanden, dass wir mit den Händen und mit dem Herzen fühlen.
Brian Lies: „So groß wie der Himmel“
Aus dem Englischen von Anna Klein
Peter Hammer Verlag, Wuppertal. 40 Seiten, 18 Euro, ab 5 Jahren.