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Mit gutem Gewissen genießen

Fair Trade ist ein echter Wirtschaftsfaktor. Erst 2003 kam der erste fair gehandelte Wein auf den Markt - hergestellt in Südafrika. Zehn Jahre später ist das Land der größte faire Weinproduzent der Welt.

Von Leonie March |
    Weinlese am Kap der Guten Hoffnung. Männer und Frauen in blauen Overalls schneiden die reifen Reben von den Weinstöcken. Unter ihnen Lucinda le Roux. Die drahtige Frau mit dem wettergegerbten Gesicht ist keine gewöhnliche Erntehelferin.

    "Ich halte Anteile an diesem Weingut Thandi Wines‘ Das bedeutet mir sehr viel. Denn so kann ich mitbestimmen, was hier passiert. Es geht mir nicht nur ums Geld. Für mich ist es eine Ehre, diese Anteile zu besitzen und hier zu arbeiten."

    Lucinda le Roux strahlt über das ganze Gesicht. Von einer solchen Chance hätte sie früher nicht einmal zu träumen gewagt. Jahrhunderte lang wurden Frauen wie sie als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Noch heute schuften die meisten für einen mageren gesetzlichen Mindestlohn von umgerechnet acht Euro am Tag. Die Weinindustrie wird weiterhin von weißen Südafrikanern dominiert. Thandi Wines jedoch geht neue Wege: Es war das erste schwarze Weingut am Kap, 250 Farmarbeiterfamilien besitzen Anteile und Land, sie verdienen nicht nur besser als andere, sondern streichen auch Dividenden ein. 2003 brachte Thandi den ersten Fair Trade Wein der Welt auf den Markt, erzählt Manager Vernon Henn.

    "Wir erfüllten damals bereits die meisten Bedingungen. Soziale Verantwortung ist ein Grundpfeiler unseres Unternehmens. Das Fair Trade Etikett hat uns aber dabei geholfen, dass diese Botschaft besser bei den Konsumenten ankommt. Ob das Weingut Schwarzen oder Weißen gehört, ist auf dem internationalen Markt unerheblich. Die Leute haben aber Interesse an ethischem Handel. Seit wir das Label haben, sind die Verkaufszahlen in Europa drastisch gestiegen."

    Im Weinkeller werden die ersten Flaschen des neuen Jahrgangs etikettiert. Sie sind nicht erheblich teuer als andere, konventionelle Weine. Der Unterschied besteht darin, dass mehr bei den Menschen ankommt, die ihn herstellen. Ein fester Anteil am Kaufpreis fließt - als Fair-Trade-Prämie - in soziale Projekte. Die Farmarbeiter entscheiden selbst, wie sie dieses Geld anlegen. Unter anderem haben sie bereits eine Kita und eine Klinik gebaut. Die Käufer sollten sich aber nicht nur deshalb für unseren Wein entscheiden, betont Vernon Henn, der sich selbst aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet hat.

    "Es wäre schlimm, wenn die Leute unseren Wein nur aus Mitleid kaufen würden. So kann man langfristig kein Unternehmen führen. Wir wollten, dass unser Wein im internationalen Wettbewerb bestehen kann, sowohl was die Qualität, als auch was den Preis angeht. Die Tatsache, dass wir zu der Minderheit der schwarzen Winzer in Südafrika gehören, dass wir sozial und ökologisch nachhaltig arbeiten, ist lediglich ein Bonus. Er sorgt für ein gutes Gefühl beim Kauf."

    Zurück auf dem Weinberg beendet Lucinda le Roux gerade ihren Arbeitstag. Müde aber zufrieden wischt sie ihre Hände an ihrem Blaumann ab. Endlich können wir die Früchte unserer Arbeit selbst ernten, meint sie lächelnd.

    "Wenn unsere Kinder die Schule abgeschlossen haben, dann können sie studieren. Thandi Wines hat extra einen Fonds für Stipendien eingerichtet. Meine Kinder haben also wesentlich bessere Chancen, als ich sie einmal hatte. Ich wünsche mir, dass sie Lehrer, Arzt oder Krankenschwester werden. Auf jeden Fall etwas Besseres als ich."

    Ein Wunsch, der früher unmöglich gewesen wäre, heute jedoch in Erfüllung gehen kann.