"Wir haben lange genug mit dem Tod zusammengelebt. Jetzt ist Gelegenheit, die Gewalt zu beenden, und zwar mit den Waffen des Friedens."
So hieß es im Herbst 1988 in diesem Lied, dem Wahlschlager der ‘Kampagne des NEIN‘ gegen Pinochet. Der Diktator hatte ein Plebiszit verordnet, um seiner Herrschaft einen legitimen Anstrich zu verpassen. Doch er hatte sich verrechnet: Die Volksabstimmung geriet zu einem Triumph der Demokratie.
Viele Künstler und Intellektuelle hatten sich damals zusammengefunden und mit fantasievollen Videoclips im staatlichen Fernsehen die Horrorgeschichten zurückgewiesen, die das Regime über die demokratischen Kräfte im Land verbreitete. Pablo Larraín hat in seinem großartigen Spielfilm "NO" diesen Höhepunkt des kulturellen Widerstands festgehalten. Begonnen hatte er bereits wenige Tage nach dem Putsch, als Chiles berühmtester Dichter Pablo Neruda starb:
"Trotz eines Versammlungsverbots zogen Tausende durch die Straßen Santiagos und sangen, was niemand mehr hören sollte: die Internationale. Und noch einmal ertönte der Ruf der Unidad Popular: 'Das vereinte Volk wird nie besiegt!'"
Tabula rasa machten die Militärs mit allem, was an das sozialistische Experiment von Präsident Allende erinnern konnte. Sie verbrannten Bücher und Bilder, Plakate und Fotos. Und wer im Verdacht stand, ein Linker zu sein, wurde erst mal verhaftet, meist auch gefoltert, Tausende verloren dabei ihr Leben.
Die Kulturschaffenden zeigten sich davon nur eine Zeitlang beeindruckt. Bereits ein Jahr nach dem Putsch wagte es die Galerie Paulina Vaugh, kaum verschlüsselte Bilder und Objekte über Folter und Unterdrückung auszustellen. Sie wurden verboten und der Ort des Geschehens durch eine Brandbombe vernichtet.
Im Teatro Caupolicán, dem größten Santiagos, organisierte 1977 der bekannte Schallplatten-Verlag Alerce einen "Großen Abend der Folklore", die erste Massenveranstaltung seit dem Putsch. Liedtexte waren untersagt. Aber der Auftritt der Mapuche, der unter allen Systemen verfolgten chilenischen Indios, besaß auch so Protestcharakter.
Kultur als Strategie des Überlebens, als Ausdruck der Auflehnung gegen die physische und psychische Not, als Protest gegen ein Regime, gegen das man sich offen nicht wehren konnte. Die Chilenen, die von den Militärs politisch entrechtet worden waren, wurden so auf neue Weise aktiv: Sie setzten die frühere politische Mobilität in künstlerische Kreativität um, in eine Kunst der Selbstbehauptung, eine Kunst des Widerstands – zum Beispiel auf dem Theater.
"Um Grabenkämpfe geht es in diesem Stück von Juan Radrigán, um den Clinch eines Schriftstellers mit seinem personifizierten Alter Ego. In eine Endstation hat der Künstler den Bühnenraum verwandelt: Leiber hängen an den Wänden, Körper ohne Glieder, Stofffetzen und Seile, Leitern streben ins Nichts – Chile als Totenraum."
Grabenkämpfe mit der Diktatur musste das Theater ständig führen, jener Ort, wo zuerst von einem "anderen Chile" geträumt worden war. Es gingen zwar auch Theaterzelte in Flammen auf, und es gab Verbote und Verhaftungen, dennoch gelang es den Künstlern sich auf der Bühne einen relativ großen Spielraum zu sichern, weil die Militärs diesem "flüchtigen Medium" wohl keine gesellschaftlich relevante Wirkung zutrauten.
Jede Lücke im System nutzten die Künstler und begannen auch wieder Spielfilme zu drehen, sobald das irgendwie möglich war. Der eindringlichste von ihnen - "Latentes Bild" - ist die Erstlingsarbeit von Pablo Perelman.
"Der Regisseur stellt darin die Suche nach einem verschwundenen Fotografen dar: ein authentischer Fall, der seines Bruders. Aber er geht dabei weiter als andere Filmemacher."
An Folterszenen, wenn auch nur kurzen, quasi traumhaften, hatte sich bis dahin noch niemand gewagt. Pablo forderte damit die Zensur heraus. Der wichtigste Film über die Diktatur durfte erst Jahre später nach dem erzwungenen Abgang Pinochets öffentlich aufgeführt werden.
Wenn es heute in Chile eine Demokratie gibt, dann hat die Kultur des Widerstands daran einen bedeutenden Anteil.
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So hieß es im Herbst 1988 in diesem Lied, dem Wahlschlager der ‘Kampagne des NEIN‘ gegen Pinochet. Der Diktator hatte ein Plebiszit verordnet, um seiner Herrschaft einen legitimen Anstrich zu verpassen. Doch er hatte sich verrechnet: Die Volksabstimmung geriet zu einem Triumph der Demokratie.
Viele Künstler und Intellektuelle hatten sich damals zusammengefunden und mit fantasievollen Videoclips im staatlichen Fernsehen die Horrorgeschichten zurückgewiesen, die das Regime über die demokratischen Kräfte im Land verbreitete. Pablo Larraín hat in seinem großartigen Spielfilm "NO" diesen Höhepunkt des kulturellen Widerstands festgehalten. Begonnen hatte er bereits wenige Tage nach dem Putsch, als Chiles berühmtester Dichter Pablo Neruda starb:
"Trotz eines Versammlungsverbots zogen Tausende durch die Straßen Santiagos und sangen, was niemand mehr hören sollte: die Internationale. Und noch einmal ertönte der Ruf der Unidad Popular: 'Das vereinte Volk wird nie besiegt!'"
Tabula rasa machten die Militärs mit allem, was an das sozialistische Experiment von Präsident Allende erinnern konnte. Sie verbrannten Bücher und Bilder, Plakate und Fotos. Und wer im Verdacht stand, ein Linker zu sein, wurde erst mal verhaftet, meist auch gefoltert, Tausende verloren dabei ihr Leben.
Die Kulturschaffenden zeigten sich davon nur eine Zeitlang beeindruckt. Bereits ein Jahr nach dem Putsch wagte es die Galerie Paulina Vaugh, kaum verschlüsselte Bilder und Objekte über Folter und Unterdrückung auszustellen. Sie wurden verboten und der Ort des Geschehens durch eine Brandbombe vernichtet.
Im Teatro Caupolicán, dem größten Santiagos, organisierte 1977 der bekannte Schallplatten-Verlag Alerce einen "Großen Abend der Folklore", die erste Massenveranstaltung seit dem Putsch. Liedtexte waren untersagt. Aber der Auftritt der Mapuche, der unter allen Systemen verfolgten chilenischen Indios, besaß auch so Protestcharakter.
Kultur als Strategie des Überlebens, als Ausdruck der Auflehnung gegen die physische und psychische Not, als Protest gegen ein Regime, gegen das man sich offen nicht wehren konnte. Die Chilenen, die von den Militärs politisch entrechtet worden waren, wurden so auf neue Weise aktiv: Sie setzten die frühere politische Mobilität in künstlerische Kreativität um, in eine Kunst der Selbstbehauptung, eine Kunst des Widerstands – zum Beispiel auf dem Theater.
"Um Grabenkämpfe geht es in diesem Stück von Juan Radrigán, um den Clinch eines Schriftstellers mit seinem personifizierten Alter Ego. In eine Endstation hat der Künstler den Bühnenraum verwandelt: Leiber hängen an den Wänden, Körper ohne Glieder, Stofffetzen und Seile, Leitern streben ins Nichts – Chile als Totenraum."
Grabenkämpfe mit der Diktatur musste das Theater ständig führen, jener Ort, wo zuerst von einem "anderen Chile" geträumt worden war. Es gingen zwar auch Theaterzelte in Flammen auf, und es gab Verbote und Verhaftungen, dennoch gelang es den Künstlern sich auf der Bühne einen relativ großen Spielraum zu sichern, weil die Militärs diesem "flüchtigen Medium" wohl keine gesellschaftlich relevante Wirkung zutrauten.
Jede Lücke im System nutzten die Künstler und begannen auch wieder Spielfilme zu drehen, sobald das irgendwie möglich war. Der eindringlichste von ihnen - "Latentes Bild" - ist die Erstlingsarbeit von Pablo Perelman.
"Der Regisseur stellt darin die Suche nach einem verschwundenen Fotografen dar: ein authentischer Fall, der seines Bruders. Aber er geht dabei weiter als andere Filmemacher."
An Folterszenen, wenn auch nur kurzen, quasi traumhaften, hatte sich bis dahin noch niemand gewagt. Pablo forderte damit die Zensur heraus. Der wichtigste Film über die Diktatur durfte erst Jahre später nach dem erzwungenen Abgang Pinochets öffentlich aufgeführt werden.
Wenn es heute in Chile eine Demokratie gibt, dann hat die Kultur des Widerstands daran einen bedeutenden Anteil.
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