Christoph Schmitz: Der deutsche Buchpreis soll den besten deutschsprachigen Roman eines Jahres auszeichnen. Seit 2005 wird er vom Börsenverein des deutschen Buchhandels verliehen. Sieben Juroren hatten bereits vor wenigen Wochen eine erste Auswahl für 2007 aus 117 Titeln getroffen. 20 Romane hatten auf der sogenannten Longlist gestanden, und seit heute steht die Shortlist fest.
Sechs Bücher an der Zahl, deren Autoren schon ein Preisgeld von je 2.500 Euro erhalten werden, wenn im kommenden Monat in der Frankfurter Buchmessenwoche der Sieger bekannt gegeben und 25.000 Euro erhalten wird. Die sechs Titel und Autoren der Endrunde sind: "Die Mittagsfrau" von Julia Franck, "Das bin doch ich" von Thomas Glavinic, "Abendland" von Michael Köhlmeier, "Böse Schafe" von Katja Lange-Müller, "Der Mond und das Mädchen" von Martin Mosebach und "Wallner beginnt zu fliegen" von Thomas von Steinaecker. Eine glückliche Wahl? Das habe ich die Literaturkritikerin Sigrid Löffler in Berlin gefragt.
Sigrid Löffler: Nein, ich halte diese Auswahl für höchst problematisch. Und das ist jetzt schon zum dritten Mal sehr problematisch. Und ich denke, es hat damit zu tun, dass der Geburtsfehler dieses deutschen Buchpreises in der Jury liegt. Die Jury ist nämlich sehr disparat, es sitzen ja darin zwei Schriftsteller, vier Journalisten und ein Buchhändler. Und ich denke, dass diese Mischung von Literaturkritikern und Interessenvertretern höchst problematisch ist. Die können gar nicht auf einen gemeinsamen qualitativen Nenner kommen, weil ja da Leute drinnen sind, die ihre spezifischen Befangenheiten mitbringen, natürlich namentlich die Schriftsteller. In diesem Jahr, glaube ich, hatte man Mühe, Schriftsteller zu finden, denn ich frage mich, wer unter diesen sieben denn eigentlich die Schriftsteller sind. Ist das der Herr Gauß oder ist das der Herr Döring, und gelten die jetzt plötzlich als Schriftsteller? Das Ganze ist, glaube ich, schon verfehlt von allem Anfang an, und die Shortlist, die man jetzt aus dieser ohnehin schon merkwürdigen Longlist gefiltert hat, macht das überdeutlich.
Schmitz: Wer ist denn fehl am Platz auf dieser Shortlist und wer hätte unbedingt noch drauf gemusst?
Löffler: Also ich denke, dass das Problem schon darin liegt, dass Karl-Markus Gauß, der da offenbar als Autor drin sitzt, aber auch Kritiker ist, wie auch immer, er ist jedenfalls der Lobbyist für die österreichische Literatur. Er hat dafür gesorgt, dass zwei Österreicher auf der Shortlist sind, Glavinic und Köhlmeier, vier weitere Österreicher hatte er ja schon auf die Longlist gepuscht. Und ich denke, Glavinic hat auf einer Shortlist eigentlich gar nichts verloren.
Schmitz: Warum?
Löffler: Weil er ein Buch geschrieben hat, in dem er sich darüber beklagt, dass er im vergangenen Jahr mit seinem Buch nicht auf die Longlist gekommen ist. Ich würde lachen, wenn er mit diesem Buch dann womöglich noch den Preis bekommt. Mit Literaturqualität hat das natürlich überhaupt nichts zu tun.
Schmitz: Welche anderen Titel sind denn drauf, die Ihnen nicht gefallen, literaturkritisch gesehen?
Löffler: Ja, ich denke, es ist auch sehr problematisch, Martin Mosebach daraufzusetzen. Bloß weil er in diesem Jahr den Büchner-Preis bekommt, hat man ihn offensichtlich schon taktisch hochgelobt mit seinem Buch "Der Mond und das Mädchen". Das ist ein sehr schwaches Werk in meinen Augen, wurde aber von bestimmten Kritikern eben wegen des Büchner-Preises besonders gelobt. Und ich denke, einem Büchner-Preisträger auch noch den Deutschen Buchpreis zu geben, ist vielleicht doch etwas übertrieben, besonders angesichts dieses Werkes.
Schmitz: Auf der Longlist standen unter anderem Robert Menasse mit "Don Juan de la Mancha" oder auch Arnold Stadler "Komm, gehen wir". Wären das Titel gewesen, die unbedingt auf diese Shortlist hätten gemusst?
Löffler: Nicht in meinen Augen, da, denke ich, hätte man vielleicht eher an Michael Lentz denken können, das ist kein uninteressantes Werk. Also man kann darüber immer reden. Ich denke nur, dass ganz offenkundig ist, dass diese Jury nicht in erster Linie nach Qualitätskriterien entscheidet, sondern dass da vielerlei Hinsichten und Rücksichten mit eingeflossen sind, die dann zu dieser sonderbaren Shortlist geführt haben.
Schmitz: Von den vier Journalisten, die Sie vorhin genannt haben, sind ja nur zwei ausgesprochene Literaturkritiker. Ist dieses Juryproblem symptomatisch für den Stand der Literaturkritik in Deutschland, wo ja eine Elke Heidenreich als Beispiel mit ihrem Geschmacksurteil und ihrer bewundernden Leseempfehlung, die es ja eigentlich nur ist, aber bar jeglicher Analyse und literaturkritischem Urteil, die den Ton angeben?
Löffler: Ich denke, dass zum Beispiel ein Buchhändler da nichts verloren hat, und ich denke, dass Schriftsteller von vornherein nicht in so einer Jury sitzen können, denn sie sind ja klassisch befangen.
Schmitz: Aber völlig unabhängig von dieser Jury, ist die Tatsache, dass diese Jury so schwach besetzt ist, symptomatisch dafür, dass auch andere Jurys - Heine-Preis in Düsseldorf, der ja Peter Handke ausgewählt hat, was ein riesiger Eklat im letzten Jahr gewesen ist, Heinrich-Böll-Preis, wo nur Politiker und Honoratioren der Stadt Köln involviert sind -, ist das das Problem?
Löffler: Ich denke in der Tat, dass diese Mischjurys, in denen Politiker sitzen, Leute mit anderen Interessen sitzen, Medienvertreter, Verlagsvertreter und solche Leute sitzen, Vertreter der Buchszene und gemischt mit ein paar Literaturkritikern als Aufputz, dass die einen Geburtsfehler haben. Ich weiß, dass das in Deutschland sehr verbreitet ist, es ist aber deswegen noch lange nicht gut.
Schmitz: Soweit Sigrid Löffler über die Shortlist des Deutschen Preises 2007.
Sechs Bücher an der Zahl, deren Autoren schon ein Preisgeld von je 2.500 Euro erhalten werden, wenn im kommenden Monat in der Frankfurter Buchmessenwoche der Sieger bekannt gegeben und 25.000 Euro erhalten wird. Die sechs Titel und Autoren der Endrunde sind: "Die Mittagsfrau" von Julia Franck, "Das bin doch ich" von Thomas Glavinic, "Abendland" von Michael Köhlmeier, "Böse Schafe" von Katja Lange-Müller, "Der Mond und das Mädchen" von Martin Mosebach und "Wallner beginnt zu fliegen" von Thomas von Steinaecker. Eine glückliche Wahl? Das habe ich die Literaturkritikerin Sigrid Löffler in Berlin gefragt.
Sigrid Löffler: Nein, ich halte diese Auswahl für höchst problematisch. Und das ist jetzt schon zum dritten Mal sehr problematisch. Und ich denke, es hat damit zu tun, dass der Geburtsfehler dieses deutschen Buchpreises in der Jury liegt. Die Jury ist nämlich sehr disparat, es sitzen ja darin zwei Schriftsteller, vier Journalisten und ein Buchhändler. Und ich denke, dass diese Mischung von Literaturkritikern und Interessenvertretern höchst problematisch ist. Die können gar nicht auf einen gemeinsamen qualitativen Nenner kommen, weil ja da Leute drinnen sind, die ihre spezifischen Befangenheiten mitbringen, natürlich namentlich die Schriftsteller. In diesem Jahr, glaube ich, hatte man Mühe, Schriftsteller zu finden, denn ich frage mich, wer unter diesen sieben denn eigentlich die Schriftsteller sind. Ist das der Herr Gauß oder ist das der Herr Döring, und gelten die jetzt plötzlich als Schriftsteller? Das Ganze ist, glaube ich, schon verfehlt von allem Anfang an, und die Shortlist, die man jetzt aus dieser ohnehin schon merkwürdigen Longlist gefiltert hat, macht das überdeutlich.
Schmitz: Wer ist denn fehl am Platz auf dieser Shortlist und wer hätte unbedingt noch drauf gemusst?
Löffler: Also ich denke, dass das Problem schon darin liegt, dass Karl-Markus Gauß, der da offenbar als Autor drin sitzt, aber auch Kritiker ist, wie auch immer, er ist jedenfalls der Lobbyist für die österreichische Literatur. Er hat dafür gesorgt, dass zwei Österreicher auf der Shortlist sind, Glavinic und Köhlmeier, vier weitere Österreicher hatte er ja schon auf die Longlist gepuscht. Und ich denke, Glavinic hat auf einer Shortlist eigentlich gar nichts verloren.
Schmitz: Warum?
Löffler: Weil er ein Buch geschrieben hat, in dem er sich darüber beklagt, dass er im vergangenen Jahr mit seinem Buch nicht auf die Longlist gekommen ist. Ich würde lachen, wenn er mit diesem Buch dann womöglich noch den Preis bekommt. Mit Literaturqualität hat das natürlich überhaupt nichts zu tun.
Schmitz: Welche anderen Titel sind denn drauf, die Ihnen nicht gefallen, literaturkritisch gesehen?
Löffler: Ja, ich denke, es ist auch sehr problematisch, Martin Mosebach daraufzusetzen. Bloß weil er in diesem Jahr den Büchner-Preis bekommt, hat man ihn offensichtlich schon taktisch hochgelobt mit seinem Buch "Der Mond und das Mädchen". Das ist ein sehr schwaches Werk in meinen Augen, wurde aber von bestimmten Kritikern eben wegen des Büchner-Preises besonders gelobt. Und ich denke, einem Büchner-Preisträger auch noch den Deutschen Buchpreis zu geben, ist vielleicht doch etwas übertrieben, besonders angesichts dieses Werkes.
Schmitz: Auf der Longlist standen unter anderem Robert Menasse mit "Don Juan de la Mancha" oder auch Arnold Stadler "Komm, gehen wir". Wären das Titel gewesen, die unbedingt auf diese Shortlist hätten gemusst?
Löffler: Nicht in meinen Augen, da, denke ich, hätte man vielleicht eher an Michael Lentz denken können, das ist kein uninteressantes Werk. Also man kann darüber immer reden. Ich denke nur, dass ganz offenkundig ist, dass diese Jury nicht in erster Linie nach Qualitätskriterien entscheidet, sondern dass da vielerlei Hinsichten und Rücksichten mit eingeflossen sind, die dann zu dieser sonderbaren Shortlist geführt haben.
Schmitz: Von den vier Journalisten, die Sie vorhin genannt haben, sind ja nur zwei ausgesprochene Literaturkritiker. Ist dieses Juryproblem symptomatisch für den Stand der Literaturkritik in Deutschland, wo ja eine Elke Heidenreich als Beispiel mit ihrem Geschmacksurteil und ihrer bewundernden Leseempfehlung, die es ja eigentlich nur ist, aber bar jeglicher Analyse und literaturkritischem Urteil, die den Ton angeben?
Löffler: Ich denke, dass zum Beispiel ein Buchhändler da nichts verloren hat, und ich denke, dass Schriftsteller von vornherein nicht in so einer Jury sitzen können, denn sie sind ja klassisch befangen.
Schmitz: Aber völlig unabhängig von dieser Jury, ist die Tatsache, dass diese Jury so schwach besetzt ist, symptomatisch dafür, dass auch andere Jurys - Heine-Preis in Düsseldorf, der ja Peter Handke ausgewählt hat, was ein riesiger Eklat im letzten Jahr gewesen ist, Heinrich-Böll-Preis, wo nur Politiker und Honoratioren der Stadt Köln involviert sind -, ist das das Problem?
Löffler: Ich denke in der Tat, dass diese Mischjurys, in denen Politiker sitzen, Leute mit anderen Interessen sitzen, Medienvertreter, Verlagsvertreter und solche Leute sitzen, Vertreter der Buchszene und gemischt mit ein paar Literaturkritikern als Aufputz, dass die einen Geburtsfehler haben. Ich weiß, dass das in Deutschland sehr verbreitet ist, es ist aber deswegen noch lange nicht gut.
Schmitz: Soweit Sigrid Löffler über die Shortlist des Deutschen Preises 2007.