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Mit Motorsäge auf Diebestour

Der erhöhte Brennholzbedarf angesichts steigender Öl- und Gaspreise entfacht kriminelle Energien bei Kamin- und Ofenbesitzern. Bei der Suche nach dem alternativen Brennstoff werden zunehmend die Gesetze übertreten. Besondere Ausmaße hat der Holzdiebstahl im Emsland angenommen.

Von Hedwig Ahrens |
    Es muss nicht einmal mehr nachts und heimlich sein: Bereits am hellichten Tag fällen Holzdiebe im Emsland riesige Eichen am Wegesrand, Alleen werden mit der Motorsäge kurzerhand ruiniert. Besonders an den Wochenenden bringen Autofahrer anhängerweise den Vorrat für die nächsten Winter ins Trockene. Auch wenn die Polizei jetzt häufiger Streife fährt: In den riesigen Waldgebieten ist für sie schwer nachzuvollziehen, wer wo tatsächlich Holz schlagen darf, Anzeigen gegen "Täter unbekannt" verlaufen meist im Sande. Förster Hermann Kamp verwaltet im Emsland 2500 Hektar Wald und ist entsetzt vom grassierenden Holzdiebstahl.

    "Also mein Eindruck ist eigentlich, auch mit Leuten, die ich gesprochen habe in gewissen Forstorten, dass genau so viel Holz gesammelt wird wie nach dem Krieg. Die Leute schneiden die Bäume konkret über Tag um mit mehreren Leuten, arbeiten die am Tag auf - ohne Probleme: Sie werden weder kontrolliert noch angesprochen von den Leuten und transportieren dies Holz auch noch abends ab."

    Holzlieferant Franz-Josef Butterweck aus Lehe im Emsland sollte eigentlich nur vom enormen Holzbedarf profitieren - aber auch er ist Opfer des Holzklaus. Rund 1500 Raummeter Holz büßt er jedes Jahr dadurch ein. Wer da einmal auf den Geschmack gekommen ist, der wird süchtig, vermutet Butterweck.

    "Also wenn man bei manchen Leuten hinters Haus guckt, das ist kein Vorrat für ein oder zwei Jahr, das ist schon für mehrere Jahre. In meinen Augen ist das so ein kleiner Holzrausch, so wie früher der Goldrausch. Und heute ist es wohl der Run auf das Brennholz. Für manche ist es, denke ich, auch ein Hobby: Hauptsache irgendwo steht ein Baum, den kann ich umkillen."

    Während sich die Firma Stihl in Waiblingen über den deutlichen Absatzgewinn bei Motorsägen für den Privatgebrauch freut und auch der Anhängerverkauf boomt, ärgert sich Unternehmer Butterweck regelmäßig über geklaute Holzstöße. Mit Lkw, Traktoren und Frontlader gehen die dreisten Holzdiebe zu Werk. Ist das Holz erst einmal wegtransportiert, ist der Täter kaum noch zu ermitteln. Deshalb hat Förster Hermann Kamp selbst die Initiative ergriffen: Jeden Sonnabend patrouilliert er in seinen Wäldern, spricht Holzfäller an und stellt Diebe zur Rede.

    "Also die Leute reagieren ziemlich frech: Es war in der Nähe der Autobahn vor 14 Tagen, da hatte ich eine Person angesprochen. Ich habe mich ein bisschen dumm gestellt, hab dann nach dem Eigentümer des Waldes gefragt. Und bekam dann die Antwort, dass es also der dritte Bauer in nördlicher Richtung wäre. Und nachdem ich mich dann selbst vorgestellt habe, weil ich auch selbst wusste, dass es unser eigener Wald war, in dem der Mann am schneiden war, war die Reaktion also ziemlich frech von ihm, und ich bin regelrecht bedroht worden."

    Solch eine Bedrohung mit der Motorsäge kann Kamp nicht abschrecken: Im Kampf gegen den Holzklau bringt er mittlerweile konsequent jeden Diebstahl zur Anzeige. Auch Holzlieferant Franz-Josef Butterweck hat seine Lehren aus der angespannten Lage gezogen.

    "Eine Maßnahme hatten wir am Küstenkanal, da haben wir für das Wasser- und Schifffahrtsamt die Böschung geräumt. Und das Holz haben wir über Tag ausgefahren, also an den Weg gepackt, abends vermessen und nachts sofort abgefahren und hier auf den Platz gepackt. Weil sonst wäre am andern Tag nicht mehr viel davon da gewesen."

    Nicht nur der Holzhandel hat Probleme, auch der Holzkunde, der sich an die Spielregeln hält und Brennholz kaufen will, hat es nicht einfach: Mit Dumpingpreisen wird er häufig über das Ohr gehauen, Maßangaben wie "Schüttraummeter" sind bei Lieferungen nicht mehr nachzuvollziehen. Hermann Kamp rät bei Sonderangeboten zur Kontrolle:

    "Leute müssen sich darüber im Klaren sein oder sich auch informieren, was überhaupt ein Raummeter ist. Ob zum Beispiel auf einen Lkw oder auf einen Pkw- Anhänger ein Raummeter Holz drauf passt oder ob es drei Raummeter sind, dass man einfach mal eine Größenbeziehung dazu bekommt."

    Wem Holz aus dem Handel mit durchschnittlich 50 Euro der Raummeter zu teuer ist, der kann bei Forstämtern - wie bei Hermann Kamp - Holzsammelscheine erwerben: für Selbstverwerter liegt hier der Preis - je nach Holzart - zwischen 8 und 20 Euro pro Raummeter.