Weil Abel Gance so ganz mit der heroischen Gestalt des Napoléon Bonaparte verschmilzt, verschwindet dahinter der glühende Verfechter des Films als der zukunftsweisenden siebten Kunstform. Der innovative Filmpionier Abel Gance hat nicht nur den berühmten "triple-écran", die Dreifachleinwand erfunden. Drei verschiedene Filmbilder wurden in dem 1927 fertiggestellten "Napoléon vu par Abel Gance" (Napoleon, aus der Sicht von Abel Gance) nebeneinander auf eine Riesenleinwand projiziert, um die Monumentalität seines Helden zu steigern. Bereits 1916 experimentierte Gance mit subjektiver Kamera und Zerrspiegeln, überraschte 1919 in seinem großen Publikumserfolg "J’accuse" mit raffinierter Montage und Mehrfachbelichtung. "J‘accuse" war einer der ersten Antikriegsfilme überhaupt, in dem – mit dreitausend Soldaten auf Fronturlaub in Südfrankreich – kurioserweise sogar die französische Armee mitspielte.
"Ich bat diese Leute, sich auf den Boden zu legen. Sie hatten ihre vom Krieg zerschlissenen Uniformen an. Sie sollten sich tot stellen, um dann auf den Appell eines der ihren – es war der Dichter Blaise Cendrars - wiederzuerwachen und in ihr jeweiliges Zuhause zurückzukehren. Sie sollten herausfinden, ob ihr Tod zu etwas nütze war. Ein unvergessliches Spektakel, wie diese wahrlich "Todgeweihten" – es war am Vorabend des Gemetzels von Verdun - ihren Phantomtod spielten wie kein Schauspieler es je hätte tun können."
Abel Gance wurde am 25. Oktober 1889 als uneheliches Kind geboren und trug zeitlebens den Namen seines Stiefvaters. Er versuchte sich zunächst als Anwaltsgehilfe, schrieb Gedichte und Theaterstücke, dilettierte als Schauspieler auf der Bühne wie im Film und gründete bereits 1909 eine eigene Produktionsgesellschaft. In einer Zeit, als Kino hauptsächlich als leichte Unterhaltung galt, fielen seine Arbeiten durch psychologischen Tiefgang und eine eigenwillige Ästhetik auf. Während einer Amerikareise lernte er 1921 David Wark Griffith und seine Montagemethode kennen. Die setzte er zwei Jahre später in seinem zweiten Meisterwerk aus dem Eisenbahnermilieu, dem Achtstundenepos "La Roue" (Das Rad), virtuos ein. 1927 erlebte sein drittes Meisterwerk, eben "Napoléon vu par Abel Gance", in einer sechsstündigen Fassung seine Uraufführung in der Pariser Oper. Hier offenbart sich das epische Genie in seiner ganzen Verspieltheit und Naivität. Für viele verlor der erklärte Pazifist nun seinen guten Ruf an den Schöpfer eines "Propagandafilms", der ein Hohelied auf den militärischen Genius anstimmte.
"Ich habe NAPOLEON gedreht, weil er die Hauptfigur seiner Epoche war, die wiederum einen Höhepunkt der Geschichte darstellt. Der General Bonaparte bleibt ein hellsichtiger Beobachter, obwohl er in den Strudel der Ereignisse gerät, die er später, als Kaiser, nicht mehr abwehren kann. Er wird davon aufgesogen und verliert die persönliche Kontrolle. Napoleon muss sich seiner Bestimmung fügen, das ist seine Tragödie. Diese Tragödie habe ich mit der Musik des Lichtes zu komponieren versucht."
Obwohl sich Abel Gance in unvorstellbarem Ausmaß mit seinem Helden identifizierte, ihm die Züge eines Übermenschen antrug, überwog bei der Rezeption die Begeisterung für ein epochales Kunstwerk, das immer wieder aufs Neue durch seine Modernität verblüffte. 1939 sah Siegfried Kracauer "Schönheit und Geschmacklosigkeit, echten Gehalt und leeren Schwulst untrennbar aneinander gebunden." 1955 schwärmte Francois Truffaut in höchsten Tönen von "einem langen lyrischen Gedicht, einem Strauß aus Höhepunkten, einer Folge von bewegten Reliefs". 1981 feierte die von dem Engländer Kevin Brownlow restaurierte Vierstunden-Fassung erneut Triumphe und ging unter dem Dirigat von Carmine Coppola auf Welttournee.
Unvergessen die Anfangsszene von "Napoléon" in der Brienner Kadettenanstalt. Da trägt der ehrgeizige kleine Korse in einer Schneeballschlacht schon seinen ersten Sieg gegen eine erdrückende Übermacht davon. Da steigert sich die Kamera bis zur völligen Entfesselung, fliegt einem Schnellball gleich durch die Lüfte.
Abel Gance starb am 10. November 1981 in Paris, achtzehn Tage, nachdem der restaurierte "Napoléon" in New York uraufgeführt wurde. Der Film, der ihn unsterblich machte.
"Ich bat diese Leute, sich auf den Boden zu legen. Sie hatten ihre vom Krieg zerschlissenen Uniformen an. Sie sollten sich tot stellen, um dann auf den Appell eines der ihren – es war der Dichter Blaise Cendrars - wiederzuerwachen und in ihr jeweiliges Zuhause zurückzukehren. Sie sollten herausfinden, ob ihr Tod zu etwas nütze war. Ein unvergessliches Spektakel, wie diese wahrlich "Todgeweihten" – es war am Vorabend des Gemetzels von Verdun - ihren Phantomtod spielten wie kein Schauspieler es je hätte tun können."
Abel Gance wurde am 25. Oktober 1889 als uneheliches Kind geboren und trug zeitlebens den Namen seines Stiefvaters. Er versuchte sich zunächst als Anwaltsgehilfe, schrieb Gedichte und Theaterstücke, dilettierte als Schauspieler auf der Bühne wie im Film und gründete bereits 1909 eine eigene Produktionsgesellschaft. In einer Zeit, als Kino hauptsächlich als leichte Unterhaltung galt, fielen seine Arbeiten durch psychologischen Tiefgang und eine eigenwillige Ästhetik auf. Während einer Amerikareise lernte er 1921 David Wark Griffith und seine Montagemethode kennen. Die setzte er zwei Jahre später in seinem zweiten Meisterwerk aus dem Eisenbahnermilieu, dem Achtstundenepos "La Roue" (Das Rad), virtuos ein. 1927 erlebte sein drittes Meisterwerk, eben "Napoléon vu par Abel Gance", in einer sechsstündigen Fassung seine Uraufführung in der Pariser Oper. Hier offenbart sich das epische Genie in seiner ganzen Verspieltheit und Naivität. Für viele verlor der erklärte Pazifist nun seinen guten Ruf an den Schöpfer eines "Propagandafilms", der ein Hohelied auf den militärischen Genius anstimmte.
"Ich habe NAPOLEON gedreht, weil er die Hauptfigur seiner Epoche war, die wiederum einen Höhepunkt der Geschichte darstellt. Der General Bonaparte bleibt ein hellsichtiger Beobachter, obwohl er in den Strudel der Ereignisse gerät, die er später, als Kaiser, nicht mehr abwehren kann. Er wird davon aufgesogen und verliert die persönliche Kontrolle. Napoleon muss sich seiner Bestimmung fügen, das ist seine Tragödie. Diese Tragödie habe ich mit der Musik des Lichtes zu komponieren versucht."
Obwohl sich Abel Gance in unvorstellbarem Ausmaß mit seinem Helden identifizierte, ihm die Züge eines Übermenschen antrug, überwog bei der Rezeption die Begeisterung für ein epochales Kunstwerk, das immer wieder aufs Neue durch seine Modernität verblüffte. 1939 sah Siegfried Kracauer "Schönheit und Geschmacklosigkeit, echten Gehalt und leeren Schwulst untrennbar aneinander gebunden." 1955 schwärmte Francois Truffaut in höchsten Tönen von "einem langen lyrischen Gedicht, einem Strauß aus Höhepunkten, einer Folge von bewegten Reliefs". 1981 feierte die von dem Engländer Kevin Brownlow restaurierte Vierstunden-Fassung erneut Triumphe und ging unter dem Dirigat von Carmine Coppola auf Welttournee.
Unvergessen die Anfangsszene von "Napoléon" in der Brienner Kadettenanstalt. Da trägt der ehrgeizige kleine Korse in einer Schneeballschlacht schon seinen ersten Sieg gegen eine erdrückende Übermacht davon. Da steigert sich die Kamera bis zur völligen Entfesselung, fliegt einem Schnellball gleich durch die Lüfte.
Abel Gance starb am 10. November 1981 in Paris, achtzehn Tage, nachdem der restaurierte "Napoléon" in New York uraufgeführt wurde. Der Film, der ihn unsterblich machte.