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Mit neuem Konzept weltweit aktiv

Der Zwang zum Sparen trat die Debatte los. Bald wurde nicht nur über Sinn und Zweck der Goethe-Institute, sondern auswärtige Kulturpolitik im Ganzen diskutiert. Das Ergebnis war ein umfassendes Reformkonzept für die bekanntesten deutschen Kultureinrichtungen im Ausland.

Von Christina Selzer |
    Es ist das Flaggschiff deutscher Kulturpolitik im Ausland: das Goethe-Institut mit seinen Vertretungen in mehr als 80 Ländern. Ein Blick ins Jahrbuch gibt eine Vorstellung von der Vielfalt der Projekte: Im türkischen Ankara wird eine deutsche Filmreihe organisiert. In Singapur zeigt eine Ausstellung Werke des deutschen Künstlers Günther Uecker. Und in Damaskus diskutieren deutsche Politiker mit syrischen Oppositionellen über die Chancen der Demokratie in der arabischen Welt. Die Bedeutung der Goethe-Institute könne gar nicht hoch genug geschätzt werden, sagt die CDU-Kulturpolitikerin Monika Grütters. Sie ist Mitglied im zuständigen Ausschuss, dem Unterausschuss Auswärtige Kulturpolitik:

    "Wir sind zuerst eine Kultur- und dann eine politische Nation gewesen. Das Ausland nimmt Deutschland in erster Linie über einen Punkt wahr, das ist die Kultur. Das hohe Ansehen der deutschen Kultur im Inland und im Ausland, darauf können wir stolz sein, sowohl das kulturelle Erbe und auch, dass es sich die Avantgarde sehr viel kosten lässt, um sie überhaupt möglich zu machen."

    Doch welchen Stellenwert hat auswärtige Kulturpolitik heute in Deutschland, im Land der Dichter und Denker?

    Im Jahre 2006 betrug das Jahresbudget des Goethe-Instituts 250 Millionen Euro. Etwa ein Drittel erwirtschaftet es selbst mit Sprachkursen und Veranstaltungen. Zwei Drittel bekommt es vom Auswärtigen Amt. Doch seit zehn Jahren sind diese Zuwendungen rückläufig, weil in allen Bereichen gespart wurde.

    Im vergangenen Frühjahr war dann die Schmerzgrenze nach Ansicht der Vertreter des Instituts erreicht. Generalsekretär Hans-Georg Knopp und Präsidentin Jutta Limbach gingen in die Offensive. Sie machten deutlich, dass sich bei diesem Sparkurs die Qualität der Arbeit nicht mehr aufrechterhalten ließe. Aktueller Anlass waren Pläne, aus Finanznot das Goethe-Institut in Kopenhagen stark zu verkleinern oder gar zu schließen.

    Der Streit um die Niederlassung in Kopenhagen führte zu monatelangen Diskussionen, in denen Vertreter des Auswärtigen Amtes, Mitglieder des zuständigen Ausschusses sowie Verantwortliche des Goethe-Instituts gemeinsam überlegten, wie es weitergehen solle.

    Das Ergebnis war ein Kompromiss: Das Goethe-Institut bekommt im Geschäftsjahr 2007 zum ersten Mal seit elf Jahren mehr Geld, zusätzliche 13,5 Millionen Euro. Damit erhält es insgesamt für dieses Jahr 120 Millionen Euro. Das ist zwar eine eher bescheidene Summe, zum Vergleich, zwölf Kilometer Autobahn kosten rund 150 Millionen Euro. Doch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, betont, das sei durchaus ein positives Signal, und erinnert dabei an die allgemeine Haushaltslage:

    "Wir haben uns ja eine langfristige Konsolidierung des Haushalts vorgenommen, und da ist es schon ungewöhnlich, dass wir in einer Zeit, in der alle Ressorts Reduzierungen haben, in der auswärtigen Kulturpolitik eine erhebliche Aufstockung des Etats bekommen haben. Das war aber nur deshalb möglich, weil das verbunden war mit einem überzeugenden Reformkonzept."

    Mehr Geld gab es also nur im Zuge einer Reform. Dass sich etwas ändern müsse, darüber waren sich viele Kritiker einig. Sie hielten dem Goethe-Institut vor, zwar einen teuren Verwaltungsapparat, aber keine klare inhaltliche Richtung zu haben. Während der Reformdiskussion wurde die Arbeit des Goethe-Instituts daher auf den Prüfstand gestellt.

    So wurde zum Beispiel die Frage erörtert, ob das dichte Netz der Institute in Westeuropa angesichts der prekären Finanzlage aufrechterhalten werden müsse. Immerhin fließt fast die Hälfte des gesamten Goethe-Haushaltes an diese Institute. Allein in Italien gibt es zum Beispiel sieben Institute, in China dagegen nur zwei.

    Uschi Eid von Bündnis90/Die Grünen ist ebenfalls Mitglied im zuständigen Bundestagsausschuss. Sie setzte sich vehement für den Erhalt aller europäischen Institute ein. Schließungen sind für sie keine Lösung.

    "Da war ich strikt dagegen, weil ich glaube, dass wir in Europa unsere Hausaufgabe nicht gemacht haben. Wir haben in jeder Generation zu werben, um zu verstehen, dass Deutschland nicht mehr das Naziland ist, die müssen immer wieder neu von uns umworben werden."

    Die Schließungspläne sind inzwischen vom Tisch. Das bestehende Netz bleibt erhalten. So steht es im Reformkonzept, das bis zum Jahr 2009 schrittweise umgesetzt werden soll. Zur Finanzierung muss jedoch an anderen Stellen gespart werden, zum Beispiel beim Personal. In der Münchener Zentrale sollen es statt 300 bald nur noch 230 Mitarbeiter sein. Und gibt es an Instituten im Ausland derzeit noch mehr als 400 entsandte Kräfte, sollen es nach der Reform nur noch 253 sein. Die Arbeit wird dann zu einem großen Teil von den kostengünstigeren Ortskräften erledigt.

    Und auch bei den Mieten soll der Rotstift regieren: Die Institute liegen meist schon aus Repräsentationsgründen in den besseren Gegenden der Hauptstädte. Doch die dabei anfallenden hohen Mietkosten sorgen bei den Haushaltspolitikern des Bundestags schon lange für harsche Kritik.

    Das Ergebnis der Sparkonzeption: Preiswerte Raumnutzung durch Kooperation mit anderen deutschen Organisationen oder Firmen. Sprachkurse können zum Beispiel auch in den Räumen einer deutschen Schule oder einer Firma stattfinden.

    Weiterer Inhalt der Reformkonzeption: Präsenzverlagerung der Goethe-Institute in andere Länder, und zwar in jene, die bisher unterrepräsentiert waren, China zum Beispiel oder Indien, aber auch in die islamischen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. In einem im Bundestag eingebrachten Antrag der Koalitionsfraktionen vom vergangenen November lässt sich gut nachlesen, welche Aufgabenschwerpunkte dem Goethe-Institut in Zukunft gestellt werden. Zitat:

    "Das Goethe-Institut steht aktuell vor Herausforderungen, die sich in ihrer Bedeutung und in ihrem Umfang mit den Aufgaben vergleichen lassen, die sich nach dem Ende des Kalten Krieges durch die neuen Möglichkeiten und Erwartungen in Mittel- und Osteuropa stellten. Neue Wachstumsregionen, aber auch ideologische und religiöse Herausforderungen fernab von Europa rufen nach einer stärkeren Präsenz deutscher Kultur und Sprache weltweit."

    So hat die Finanzierungsdiskussion einmal mehr die wichtige Frage aufgeworfen, welche Aufgaben die deutsche Kulturpolitik im Ausland haben soll. Soll sie einen weltweiten Beitrag zur Friedenssicherung leisten oder sich lieber ihrer Kernkompetenz widmen, die deutsche Sprache und Kultur zu vermitteln und den internationalen Kulturaustausch zu fördern?

    Ursprüngliche Aufgabe des 1952 gegründeten Goethe-Instituts war es zunächst nur, ausländische Deutschlehrer in Deutschland auszubilden. Schnell kamen dann auch die Sprachkurse im Ausland hinzu. In den 60er Jahren wurden auch die anderen deutschen Kulturinstitute im Ausland ans Goethe-Institut angeschlossen.

    In den 70er Jahren wurde die Aufgabenpalette des Instituts noch einmal erweitert: Neben der deutschen Sprach- und Kulturvermittlung sollte nunmehr auch der Dialog mit der Kultur der jeweiligen Gastländer gefördert werden, ausdrücklich festgelegt durch einen Vertrag zwischen Goethe-Institut und dem Auswärtigem Amt. Seitdem fungiert die auswärtige Kulturpolitik als offizieller Teil der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dazu Gernot Erler (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt:

    "Wir haben längst begriffen, dass zivile Engagements genauso wichtig sind wie militärische, und dass sie nur in Verbindung miteinander wirken können. Allmählich setzt sich auch die Überzeugung durch, dass ein wichtiger Teil der zivilen Anstrengungen eben auch Kultur- und Bildungsanstrengungen, eben auch Ausbildungsanstrengungen sind. Wenn sie Konfliktlösungen angucken, ob auf dem Balkan, Afghanistan, Afrika, dann haben wir immer häufiger eine Verbindung von offizieller Konfliktlösung, im Sinne von Mediation, von ziviler, wirtschaftlicher, aber auch Bildungsoffensiven, zu helfen, dass nicht junge Eliten ein Land verlassen und dadurch schwächen."

    Auch die SPD-Kulturpolitikerin Monika Griefahn betont den klar formulierten Auftrag der auswärtigen Kulturpolitik als so genannte dritte Säule der Außenpolitik, wie sie Willy Brandt einmal genannt hat.

    "Sie trägt zur Friedenspolitik bei, weil sie die Möglichkeit schafft, dass Menschen sich verstehen, dann kommt man ins Gespräch. Wenn man im Gespräch ist, ist das schon mal ein Grund, keine Waffen auf sich zu richten. Deswegen darf man auch nicht nur klein reden, was die auswärtige Kultur für eine Bedeutung hat."

    Mit Kultur und Kommunikation weltweit Frieden stiften? Gewiss ein schöner Traum. Das erscheint manchen Kritikern jedoch als ein bisschen zu idealistisch, wenngleich es sicherlich nicht ganz verkehrt sein mag. Während einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing im Mai vergangenen Jahres formuliert der Islamwissenschaftler und Publizist Navid Kermani eine nachdenklich stimmende Gegenposition. Zitat:

    ""Kunst ist oft das Gegenteil von Verständigung. Sie verstört, sie macht ratlos und führt zu völlig gegensätzlichen Lesarten; sie ist voller Abgründe, Konflikte, voller Gewalt - sie führt ins Dunkel."

    Wolle man die Kultur vorrangig mit Blick auf ihr friedensstiftendes Potenzial fördern, so Kermani, dann müsse man einen Großteil der Literatur und des klassischen Theaters aus dem Kulturaustausch besser verbannen. Denn so konfliktminimierend seien die Sujets nun einmal nicht.

    Auch Gerald Schneider, Professor für Internationale Politik an der Universität Konstanz, hält den Ansatz, Kultur zum tragenden Element weltweiter Friedenspolitik zu machen, eher für naiv. Außerdem übernehme sich das Goethe-Institut, wenn es Veranstaltungen mit politischen Allerweltsinhalten anbiete. Dadurch verliere es an Profil:

    "Ein Beispiel ist, wenn deutsche Experten mit anderen zu einem Treffen nach Brasilien eingeladen werden, um dort in Porto Allegre über Globalisierung zu diskutieren. Dann scheint mir das eine zusätzliche Veranstaltung zu sein, wie man sie weltweit an Dutzenden von Standorten auch schon durchgeführt hat, und die von der Fragestellung her kaum das jeweilige Zielpublikum im entsprechenden Gastland erreichen kann."

    Schneider plädiert dafür, solche Themen lieber jenen Institutionen zu überlassen, die sich traditionell mit Entwicklungspolitik beschäftigen, etwa der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), oder dem Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.

    Für die Präsidentin Jutta Limbach stellt sich in diesem Fragezusammenhang kein Entweder-Oder-Problem. Jedenfalls möchte sie der Arbeit politischer Organisationen und Stiftungen keineswegs Konkurrenz machen, auch wenn die Trennlinie zwischen Kultur und Politik manchmal hauchdünn ist.

    "Wir arbeiten ja mit der Kultur: Indem wir deutsche Theaterstücke zeigen, die gesellschaftskritisch sind, oder das können auch ganz klassische Stücke in einer neuen Lesart sein, oder machen unser Gastland mit dem, was gerade in Deutschland diskutiert wird, vertraut. Und das setzt auch bei unseren Partnern Prozesse des Nachdenkens in Gang."

    Mit Hilfe der zusätzlichen Summe von 13,5 Millionen Euro sollen nun die neuen Aktivitäten finanziert werden. Konkret heißt das: In insgesamt acht chinesischen und vier indischen Städten werden in Kürze Sprachlernzentren aufgebaut. Ähnliche Initiativen soll es im Nahen und Mittleren Osten geben, vor allem in Oman, im Jemen und im Libanon. In Abu Dhabi wird das bestehende Verbindungsbüro erweitert. Und im russischen Novosibirsk soll ein neues Institut eröffnet werden.

    Dennoch: Jutta Limbach hat schon angekündigt, weiterhin um zusätzliche Gelder zu werben. Sie hofft zum Beispiel, dass der Bundestag eine weitere Million Euro zur Verfügung stellt. Die Summe werde dringend zur Finanzierung weiterer Goethe-Institute in Kuba und im Iran gebraucht, die in naher Zukunft eröffnet werden sollen.

    "Aber auch dann ist die Liste meiner Wünsche nicht beendet. Sondern was wir genauso dringend brauchen, sind mehr Projektmittel. Das sind die Mittel, die gestatten, dass ich beispielsweise deutsche Schriftsteller oder Philosophen nach Seoul, nach Boston, Neapel und wohin auch immer bringen kann oder deutsche Buchwochen im Ausland veranstalten kann oder aber auch Konzerte."

    Auch diese Projektmittel, klagt Jutta Limbach, seien in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Zehn Millionen Euro zusätzlich hatte sie vom Auswärtigen Amt dafür gefordert, aber nicht bekommen. Diesmal noch nicht, aber vielleicht beim nächsten Mal, hofft die Präsidentin.

    Der ehemalige Leiter des Goethe-Instituts in Kairo, Enzio Wetzel, hat schon viele Projekte entwickelt und begleitet. Nach sieben Jahren ist er nun aus dem Nahen Osten wieder in der Münchener Zentrale des Goethe-Instituts zurück.

    Er erzählt von Musikprojekten, in denen deutsche und ägyptische Künstler zusammen aufgetreten sind. Und er erinnert sich an eine Veranstaltung, bei der Wissenschaftler und Religionsgelehrte beider Länder zusammengeführt wurden, um sich über das Thema "Der Islam und der Westen" auszutauschen. Das Ergebnis sei zum Teil allerdings auch frustrierend gewesen. Es sei dabei deutlich geworden, dass es weltanschauliche und religiöse Kluften gebe, die sich nicht überbrücken ließen, sagt Enzio Wetzel:

    "Immer wieder blitzt es auf, wo die Probleme sind, auch der Karikaturenstreit zeigt, wie schnell so ein Streit zu einem Flächenbrand werden kann, auf beiden Seiten dazu nützt, seine Emotionen auszuagieren. Ich habe gedacht, die Dialogprojekte haben es auch noch nicht gebracht, weil wir keine Umgangsformen haben, darüber zu reden."

    Welche Konzepte sind also am besten geeignet, sich anderen Kulturen zu nähern, ob in China, ob in Indien oder in der arabischen Welt? Darüber wird sowohl in der Zentrale als auch in den Instituten vor Ort ständig nachgedacht und an Optimierungen der Konzepte gefeilt. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts Hans-Georg Knopp hebt hervor, dass eine auswärtige Kulturpolitik in erster Linie glaubwürdig machen müsse, dass sie an einem Austausch mit seinem Gastland interessiert sei:

    "Im Nahen Osten lässt sich eine Skepsis am westlichen Interesse am ernst gemeinten Dialog feststellen. Diese Feststellung liegt vielen Konflikten zugrunde. Viele Kontakte werden durch politische Konflikte überlagert. Wir müssen uns aber die Frage stellen: Haben wir eine Art und Weise des Herangehens mit unserer Kulturarbeit, die das durchbrechen kann? Die Goethe-Institute im Nahen Osten konzentrieren sich auf die jungen Erwachsenen, Jugendlichen, man baut eine Internetpräsenz auf in arabischer Sprache."

    Modern und an die gesellschaftlichen Umstände angepasst: Die Kulturarbeit im Ausland ist längst von einer statischen Auffassung von Kultur und Nationalität abgerückt. Nach Ansicht des Essener Historikers Jörn Rüsen bieten da Literatur, Bildende Kunst, Theater, aber auch die Wissenschaft die besten Möglichkeiten für einen Austausch, der allen beteiligten Seiten nützt. Auch für die Deutschen sei der interkulturelle weltweite Dialog eine wichtige Gelegenheit, die eigene Identität zu hinterfragen:

    "Gerade weil das außerhalb politischer Vorgaben im Namen der Bundesrepublik, sondern in der entlasteteren Form einer kulturellen und wissenschaftlichen Diskussion stattfindet, ist das ungemein wichtig."

    Die jetzt gewährten zusätzlichen 13,5 Millionen Euro werden zwar nach Meinung von Kritikern nicht ausreichen, um langfristig die hohe Qualität der Goethe-Institute zu sichern. Dennoch: Mit dem neuen Konzept hat das Goethe-Institut jetzt die Möglichkeit, die deutsche Kultur weltweit in einer zeitgemäßeren Form zu präsentieren und dadurch ihre erfolgreiche Arbeit fortzusetzen, auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen.