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Mit Privatautos über Grenzen
Künstler rufen Touristen zur Fluchthilfe auf

Viele bringen aus dem Urlaub Souvenirs mit, manche sogar ein neues Haustier. Die Künstler- und Aktivistengruppe "Peng Collective" geht einen Schritt weiter und fordert in einer aktuellen Kampagne Reisende dazu auf, sich als Fluchthelfer zu engagieren. Die Resonanz sei enorm, sagte Peng-Collective-Mitglied Max Thalbach im DLF.

Max Thalbach im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Autos fahren auf einer Autobahn.
    Die Künstlerinitiative "Peng Collective" ruft dazu auf, im Urlaub als Fluchthelfer aktiv zu werden. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    "Wir fahren hier seit Jahren in den Urlaub, und bisher war die Fahrt immer etwas Entspanntes. Aber heute bin ich aufgeregt."
    Sarah Zerback: Das ist ein Ausschnitt aus einem Video, das seit gestern im Internet steht. Ein Familienwagen fährt über einen Bergpass durch das Alpenpanorama. An der Grenze zwischen Italien und Österreich ist das.
    Entspannt ist die Fahrt dieses Mal allein deshalb nicht, weil auf der Rückbank ein Flüchtling sitzt, ein geflüchteter Mensch, der die Grenze nach geltendem Recht eigentlich nicht überschreiten dürfte. Das Video stammt vom "Peng Collective", der Künstler- und Aktivistengruppe aus Berlin. "Ich bin Fluchthelfer" heißt ihre aktuelle Kampagne, mit der sie öffentlich zur Fluchthilfe aufrufen. Darüber habe ich kurz vor der Sendung mit einem der Künstler gesprochen. Er nennt sich Max Thalbach, ein Pseudonym. Und ihn habe ich zunächst einmal gefragt, ob er schon mal selbst einem Menschen bei der Flucht geholfen hat.
    Max Thalbach: Ja, also einige bei uns im Team haben selber schon mal Fluchthilfe geleistet, ich auch. Darüber sind wir im Prinzip auf die Idee gekommen, diese Kampagne zu starten, weil Fluchthilfe ist im Prinzip was, das kann heute jeder machen. Zum Beispiel eben auf dem Rückweg aus dem Sommerurlaub, dass man einfach sagt, man lässt einen Tag am Strand oder eine Kirche in der Toskana, die man anschauen möchte, weg, und nutzt die Zeit, sich mit der Situation von Geflüchteten, die eben auch Teil unserer Gesellschaft sind, auseinanderzusetzen, und dann trifft man da eben sehr schnell Menschen, die vor dem Problem stehen, dass sie eben nicht über die europäischen Binnengrenzen kommen, weil da eben dann mit Racial-Profiling-Methoden die Züge durchsucht werden. Und denen bleibt eben nur die Möglichkeit, eben zum Beispiel mit FluchthelferInnen in Privatautos diese Grenzen zu überwinden.
    "Eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft"
    Zerback: Da jetzt aus dem Urlaub tatsächlich jemandem bei der Flucht zu helfen, das hört sich jetzt erst mal einfach an, aber das Einschleusen von Ausländern ist strafbar, so steht es in Paragraf 96 des Aufenthaltsgesetzes. Und so ein Aufruf zu einer Straftat - wer soll denn da mitmachen, ein solches Risiko eingehen?
    Thalbach: Der Paragraf 96 ist natürlich schon relativ heftig. Wir haben auf unserer Webseite fluchthelfer.in auch einige Tipps und Tricks, wie man diesen Paragrafen 96 umgeht, sodass man maximal noch nach Paragraf 27 Strafgesetzbuch die Beihilfe zur illegalen Einreise hätte, und die wird sehr schwer nachzuweisen sein, weil wir sind ja in der EU nicht verpflichtet, jede Person, die ich im Auto mitnehme, nach dem Ausweis zu kontrollieren und da den Vorsatz dann sozusagen nachzuweisen, wird sehr, sehr schwer.
    Da gilt ja immer noch, im Zweifel für den Angeklagten. Und ganz abgesehen davon sind FluchthelferInnen eigentlich von der Geschichte immer freigesprochen worden. Ob das jetzt zu NS-Zeiten war, wo einige wenige Fluchthilfe geleistet haben, oder dann eben auch zuzeiten der DDR, wo ganze CDU-Ortsverbände Fluchthilfe organisiert haben und sich für offene Grenzen und Bewegungsfreiheit eingesetzt haben. Und da wollen wir im Prinzip wieder hin zurück. Wir sehen da im Prinzip wirklich das als Aufgabe für die ganze Gesellschaft. Wir sehen die Leute mit den Familienautos, die eben schön in Italien Urlaub machen oder an anderen Hotspots, die sehen wir da durchaus als potenzielle FluchthelferInnen.
    "Es gibt natürlich ein gewisses rechtliches Risiko"
    Zerback: Trotzdem einmal: So ganz unbesorgt sind Sie da ja doch nicht. Immerhin wollen alle Beteiligten anonym bleiben. Max Thalbach, das ist auch nicht Ihr richtiger Name.
    Thalbach: Das ist korrekt. Es gibt natürlich ein gewisses rechtliches Risiko dabei. Dafür haben wir eben auch einen Rechtshilfefonds geschaffen. Wir haben per Crowdfunding einen Rechtshilfefonds aufgesetzt, mit dem FluchthelferInnen eben unterstützt werden können, sollte es dann doch eben zu rechtlichen Problemen kommen. Wir gehen aber davon aus, und das ist die Einschätzung von verschiedenen Anwältinnen, dass eigentlich sich vor allem, wenn man das erste Mal erwischt wird und man nur eine Person eben mitnimmt, sich im Rahmen von einer Geldstrafe maximal bewegen dürfte und in den meisten Fällen eigentlich sowie eingestellt wird.
    Zerback: Wie viel ist da bislang schon per Crowdfunding zusammengekommen?
    Thalbach: Das sind jetzt weit über 12.000 Euro. Der letzte Stand waren irgendwie 12.500, aber es haben schon wieder ein paar mehr gespendet.
    Fluchthilfe gut vorbereiten
    Zerback: Kann aber auch schnell aufgebraucht sein in so einem Rechtsfall.
    Thalbach: Der kann schnell aufgebraucht sein, aber es ist ja jetzt auch erst der zweite Tag der Kampagne, und wir sind da guter Dinge, dass da auch noch mehr Geld reinfließen wird. Und abgesehen davon, geben wir eben auch Tipps, wie man vermeiden kann, dass es überhaupt so weit kommt, dass man da erwischt wird, weil man muss ja auch vor allem an die geflüchtete Person denken. Für die hat es ja auch drastische Konsequenzen, wenn man da geschnappt wird. Weil die muss ja dann die Fingerabdrücke abgeben und kann eventuell nicht in das Land weiterreisen, was die Person eigentlich möchte.
    Das wäre mir als Fluchthelfer eigentlich fast wichtiger als das eigene Risiko, dass es für die Person eventuell eben viel drastischere Konsequenzen haben kann. Deswegen ist es gut, Fluchthilfe gut vorzubereiten, dafür haben wir jede Menge Tipps, dass man dann eben gar nicht erst geschnappt wird.
    Zerback: Und diese Tipps, die Sie ansprechen, die Tipps und Tricks auf Ihrer Webseite, die sind sehr konkret, wie Sie selbst sagen. Auch das könnte juristisch ein Problem sein, denn auch das könnte als strafbar, weil eben Aufruf zur Beihilfe bewertet werden. Gab es da schon Probleme?
    Thalbach: Bisher noch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass da nichts kommen wird. Der einzige, der da im Prinzip infrage kommt als Kläger, ist der Generalbundesanwalt, und der beschäftigt sich ja gerade lieber damit, die Journalistenkollegen von "Netzpolitik" wegen Landesverrats verknacken zu wollen. Und deswegen machen wir uns da gar keine Sorgen.
    Zerback: Da pokern Sie hoch. Nun ist die Mitnahme über die Grenze ja erst mal nur der erste Schritt. Nehmen wir an, die Fluchthilfe ist geglückt. Wie soll es denn dann weitergehen?
    Thalbach: Zunächst mal ist den Leuten schon tatsächlich geholfen, wenn sie es schaffen, diese Grenzen zu überwinden. Trotzdem ist es natürlich so, dass die Fluchthilfe da weitergehen kann.
    Was wir auch wichtig fänden, ist, dass die Leute eine anwaltliche Beratung bekommen, bevor sie eben ihren Asylantrag stellen. Da geben zum Beispiel die Flüchtlingsräte gerne Auskunft, da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man die Menschen dann eben auch im Zielland dann weiter unterstützen kann, eventuell auch zum Beispiel dadurch, dass man denen eine Unterkunft zur Verfügung stellt.
    "Es ist ein Thema, das polarisiert"
    Zerback: Die Kampagne läuft jetzt seit zwei Tagen. Was gab es denn für Reaktionen bisher?
    Thalbach: Ganz verschiedene Reaktionen. Natürlich haben sich die Rechten auch gemeldet. Man merkt dann schon, dass das ein Thema ist, das polarisiert. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass sehr viele Menschen sich gemeldet haben, die tatsächlich jetzt sagen, sie möchten im nächsten Urlaub Fluchthilfe leisten, und darum geht es uns im Prinzip, also, dass wir da den Anstoß dazu geben, dass sich Leute selber organisieren und dann selbstständig eben Fluchthilfetätigkeiten durchführen.
    Zerback: Das "Peng Collective" aus Berlin will zur Diskussion über Fluchthilfe anregen. Und mit ihrer Aktion wollen sie dazu aufrufen, Menschen über Grenzen zu schmuggeln. Ganz legal ist das nicht. Besten Dank, Max Thalbach, für das Gespräch!
    Thalbach: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.