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Mit Sonnenantrieb um die Welt
Der Solarflieger "Solar Impulse" startet seine große Reise

Um die Welt fliegen, ganz ohne einen Tropfen Kerosin: Das ist der Plan der beiden Schweizer Piloten Bertrand Piccard und André Borschberg. Sie haben das erste Flugzeug entwickelt, das allein von Solarenergie angetrieben über weite Strecken fliegen kann - sogar in der Nacht.

Von Anja Krieger |
    Solar Impuls 2 bei einem Testflug in Abu Dhabi
    Solar Impuls 2 bei einem Testflug in Abu Dhabi (dpa / picture alliance / Ali Haider)
    Dass Bertrand Piccard und André Borschberg ihre Weltreise in Abu Dhabi starten, hat durchaus Symbolwert. Schließlich sind die Vereinigten Arabischen Emirate das Land mit den sechstgrößten Ölreserven der Welt. Von hier aus wollen die Piloten gen Osten fliegen, mit Zwischenstopps in Oman, Indien, Myanmar und China. Über den Pazifik und die USA nehmen sie dann Kurs auf den Mittelmeerraum.
    17.000 Solarzellen auf Rumpf und Tragflächen
    Angetrieben wird der filigrane Flieger von vier Elektromotoren mit Propellern. Insgesamt 17.000 Solarzellen auf Rumpf und Tragflächen versorgen sie mit Strom. Eine Spannweite von 72 Metern und das kleine Cockpit geben der "Solar Impulse" die schlanke Gestalt einer Libelle. Mit 2,3 Tonnen Abfluggewicht bringt sie kaum mehr auf die Waage als ein Auto – obwohl ihre Flügelspannweite größer als die eines Jumbojets ist. Da nur eine Person in die Kabine passt, wechseln sich die Piloten auf der Reise um die Erde ab, erklärt Bertrand Picard:
    "André und ich freuen uns darauf, allein jeweils fünf Tage und Nächte im Cockpit über die Ozeane zu fliegen. Das ist ein echtes Erlebnis, so lange allein zu fliegen und sich auf all die verrückten Situationen einzustellen, die da auftreten werden. Es ist nicht nur ein technologisches und ökologisches, sondern auch ein philosophisches Abenteuer."
    Sechs Tage in der Luft - ohne Treibstoff
    Bertrand Piccard kommt aus einer Familie von Pionieren. Der studierte Psychiater macht nicht zum ersten Mal Schlagzeilen mit einer Weltumrundung: Bereits 1999 reiste Piccard nonstop mit einem Heißluftballon um die Erde. Nun werden er und sein Partner André Borschberg bis zu sechs Tage am Stück in der Luft sein, ohne einen Tropfen Treibstoff, um die Kontinente und Meere der nördlichen Hemisphäre zu überqueren. Rund 35.000 Kilometer wollen sie dabei zurücklegen. Borschberg, der früher für die Schweizer Luftwaffe flog, hat sich intensiv auf die Herausforderungen vorbereitet:
    "Wir werden versuchen, in der Luft ein einigermaßen normales Leben zu führen. Deshalb schlafen wir an Bord auch, aber nur für sehr kurze Zeit. Unser Plan sieht 20 Minuten lange Ruhepausen vor, und wir nutzen Techniken zur Entspannung. Bertrand hat schon auf seinen Ballonflügen Selbsthypnose praktiziert, und ich meditiere und mache Atemübungen, um wachsam zu bleiben. Unsere Toilette ist in den Sitz integriert, und zur Vorbereitung haben wir beide drei Tage am Stück im Flugsimulator verbracht, um zu lernen, uns in diesem engen Hightech-Cockpit Zuhause zu fühlen."
    Ausstattung ähnelt der von Raumfahrern
    Ein Sitz mit aufblasbaren Kissen und Fitness-Funktion, Sauerstoffflaschen und speziell entwickelte Nahrungsmittel: Die Ausstattung der Piloten ähnelt eher der von Raumfahrern. Auf Heizung, Klimaanlage oder Druckausgleich müssen die beiden Abenteurer allerdings aus Gewichtsgründen verzichten. Die Temperatur im Cockpit schwankt zwischen schweißtreibenden 35 Grad Celsius und frostigen 15 Grad unter Null.
    Einer der Gründe für die extremen Bedingungen ist, dass die Maschine nicht auf konstanter Höhe fliegt, sondern täglich kilometerweit sinkt und wieder steigt. Da der Strom aus den Solarzellen und den Lithium-Ionen-Akkus nicht ausreicht, um ununterbrochen Gas zu geben, tanken die Piloten regelmäßig Höhe. Im Sinkflug am Abend nutzen sie die potenzielle Energie, um Strom zu sparen. Nachts stellen sie die Motoren an und steigen wieder auf. Im Grunde könnte die Maschine so endlos auf und ab fliegen. Wäre da nicht der Mensch, als limitierender Faktor.
    Weltreise als politisches Statement für grüne Technologie
    Für ihren Traum vom Solarfliegen haben Piccard, Borschberg und ihr Team in den letzten zwölf Jahren an jedem Rädchen geschraubt. Und dabei Technologien entwickelt, die auch für andere Bereiche interessant sind, betont André Borschberg:
    "Wir haben jetzt bessere Elektromotoren, die für Autos verwendet werden könnten und leichtere Materialen für die Wärmedämmung, die sich für Kühlschränke eignen. Alles, was wir entwickelt haben, kann auch am Boden in alltäglichen Anwendungen zum Einsatz kommen."
    Die geplante Weltreise der "Solar Impulse" ist für Piccard und Borschberg auch ein politisches Statement. Mit ihrem Solarflieger wollen die beiden Abenteurer zeigen, was mit grüner Technologie möglich ist. Das Potenzial sei riesig, erklärt Bertrand Piccard:
    "Die Hälfte der Energie, die die Menschheit jeden Tag verbraucht, wird verschwendet durch veraltete Technologie! Wenn man dieselben sauberen Technologien einsetzen würde wie wir in der 'Solar Impulse', könnte man den Energieverbrauch der Welt halbieren."
    Wunschtraum: kommerzieller Luftverkehr mit Sonnenenergie
    Ob das Prinzip des Solarfliegers allerdings das Zeug hat, ein neues, grünes Zeitalter der Luftfahrt einzuläuten, ist fraglich. Das weiß auch Bertrand Piccard:
    "Ich wäre verrückt, das mit Ja zu beantworten, und dumm, Nein zu sagen. Denn heute haben wir noch nicht die Technologie, um 200 Leute in einem Solarflugzeug zu transportieren. Aber die Gebrüder Wright hatten das damals auch nicht. Und 40 Jahre nach ihnen überquerten die Menschen die Ozeane schon in kommerziellen Fliegern."
    Was in der Luft funktioniert, geht am Boden schon lange. Und dort sollte man auch anfangen, findet André Borschberg. Denn mit drei Prozent trage die Luftfahrt nur zu einem kleinen Teil der Kohlendioxid-Emissionen bei. Zudem sei es gerade im Flugverkehr schwierig, neue Technologien durchzusetzen:
    "Beim Fliegen kann man nicht schummeln. Wenn ein Flugzeug zu schwer ist, hebt es nicht ab. Wäre die 'Solar Impulse' schwerer, könnte sie nicht Tag und Nacht in der Luft bleiben. Es ist also eine riesige Herausforderung. Wir sind der Ansicht, dass Treibstoff, Öl und fossile Energien wichtig sind. Aber sie sollten dort eingesetzt werden, wo sie den größten Mehrwert bringen. Und das ist sicher nicht, indem wir Öl dafür verwenden, Häuser zu heizen.
    Kommerzieller Luftverkehr nur mit Sonnenenergie bleibt bis auf Weiteres ein Wunschtraum. Laut Angaben von Airbus wird Solarstrom allein wohl niemals imstande sein, ein Passagierflugzeug in die Luft zu bringen. Doch vielleicht ließe sich künftig zumindest die Bordelektronik damit versorgen. Piccard und Borschberg wird die Energie der Sonne jedoch - hoffentlich - sicher um die Welt tragen.